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       # taz.de -- Staatsbesuch unter starkem Polizeischutz: Berlin freut sich auf Erdoğan
       
       > Gegen den Staatsbesuch des türkischen Präsidenten wollen 10.000 Menschen
       > demonstrieren. Die Polizei riegelt deshalb die halbe Innenstadt ab.
       
   IMG Bild: Protest gegen den Besuch des türkischen Präsidenten
       
       Berlin taz | Wenn Recep Tayyip Erdoğan am Donnerstag für seinen dreitägigen
       Deutschlandbesuch nach Berlin kommt, erwartet ihn ein festlicher Empfang.
       Wie bei einem offiziellen Staatsbesuch üblich, inklusive militärischer
       Ehren, Bankett und Kranzniederlegung. Dass für den immer autokratischer
       agierenden türkischen Präsidenten buchstäblich der rote Teppich ausgerollt
       wird, ist für weite Teile der Zivilgesellschaft eine Provokation. Sie
       mobilisiert zu massiven Gegenprotesten während des Besuchs und kritisiert
       das Verhalten der Bundesregierung. Die Berliner Polizei steht vor einer
       Mammutaufgabe, den Besuch und die Gegendemonstrationen zu sichern.
       
       Die mit rund 10.000 Teilnehmern wohl größte Demonstration wird am Freitag
       unter dem Motto „Erdoğan not welcome“ stattfinden. Sie startet um 16 Uhr am
       Potsdamer Platz und soll am Schloss Bellevue enden, wo Erdoğan am Abend vom
       Bundespräsidenten begrüßt wird. Zur Demo ruft ein breites Bündnis von über
       hundert Gruppierungen auf, die im politischen Spektrum alles von
       Gewerkschaft bis linksradikal abdecken. Kurdische Gruppen sind besonders
       stark vertreten.
       
       In dem Demo-Aufruf werfen sie dem türkischen Staatschef unter anderem vor,
       die Demokratie in seinem Land abzuschaffen, Minderheiten zu unterdrücken,
       Journalist*innen und Oppositionelle zu verfolgen und einen
       völkerrechtswidrigen Krieg gegen Kurdistan zu führen. „Erdoğan verdient ein
       Ticket nach Den Haag, nicht nach Berlin“, formuliert es Demo-Anmelder Lukas
       Theune spitz.
       
       Die Kritik ist nicht nur an Erdoğan gerichtet, sondern auch an die
       Bundesregierung, der vorgeworfen wird, die Entwicklungen in der Türkei
       wegen macht- und wirtschaftspolitischer Interessen zu ignorieren. „Es geht
       doch nicht, dass einem Verbrecher der rote Teppich ausgerollt wird“, so Ali
       Toprak, Vorsitzender der kurdischen Gemeinde in Deutschland, „damit wird
       Erdoğans Politik der letzten Jahre legitimiert. Das Handeln der
       Bundesregierung verrät die Demokraten in der Türkei.“
       
       ## Zugangsverbot für Unter den Linden
       
       Die kurdische Gemeinde hatte ursprünglich eine Kundgebung vor dem
       Brandenburger Tor mit 5.000 Teilnehmer angemeldet. Die wurde zunächst
       genehmigt, dann aber mit Verweis auf die Vorbereitungen für die
       Einheitsfeierlichkeiten am 3. Oktober wieder untersagt. Für Toprak nur ein
       Vorwand der Bundesregierung, die den Staatsbesuch nicht durch
       Gegendemonstrationen gestört sehen will: „Erdoğan will keine Demonstranten
       sehen.“
       
       Inzwischen hat der Polizeipräsident per Allgemeinverfügung die halbe
       Innenstadt zur Bannmeile erklärt, in der nicht nur das Demonstrieren
       verboten ist, sondern die „Nutzung nur Anrainern gestattet ist“. Das
       betrifft vom 27. bis 29. September den Spreebogen, den Bereich um das
       Brandenburger Tor, aber auch Unter den Linden zwischen der Staatsbibliothek
       und dem Lustgarten.
       
       Damit müssen weitere der angemeldeten zehn Gegenveranstaltungen
       umdisponieren. Um 11 Uhr findet die Kundgebung „Freiheit für Journalisten
       in der Türkei“ von Reporter ohne Grenzen am Washingtonplatz statt. Die
       Alevitische Gemeinde plante bislang, um 18 Uhr eine Kundgebung am
       Bebelplatz, der jetzt in der Sperrzone liegt. Die Stimmung dürfte
       angespannt werden, denn nach Informationen der Alevitischen Gemeinde
       Hamburg wurde vergangenen Freitag ihr ehemaliger Vorsitzender, Nurali
       Demir, bei der Einreise am Flughafen in Istanbul festgenommen.
       
       Am Samstag geht es für entschlossene Erdoğan-Gegner*innen weiter nach
       Köln, wo Erdoğan in der neu eröffneten Ditib-Moschee vor seinen Anhängern
       sprechen will. Auch dort ist eine große Gegendemo angekündigt.
       
       Die Berliner Polizei geht mit 1.500 bis 3.000 Beamten in den Einsatz.
       Unterstützung aus den anderen Bundesländern sei angefordert, aber noch
       nicht zugesagt, sagt Polizeidirektor Siegfried-Peter Wulff, der den
       dreitägigen Großeinsatz leiten wird. „Für uns ist das eine große
       Herausforderung, aber die Berliner Polizei greift auf große Erfahrungen
       zurück“, sagt Wulff in Hinblick auf vergangene Staatsbesuche. Während des
       Besuchs von Erdoğan gilt die Sicherheitsstufe eins. Das bedeutet:
       Scharfschützen auf den Dächern und die Planung paralleler Routen für den
       Konvoi.
       
       In einem auf Indymedia von Unbekannten veröffentlichten Schreiben wird dazu
       aufgerufen, den Staatsbesuch „zum Desaster zu machen“. Dabei wird explizit
       auf militante Aktionsformen verwiesen und ein Bezug zu den
       Straßenschlachten während des Schah-Besuchs 1967 hergestellt.
       
       Theune betont aber, dass die größte Demo des Tages friedlich bleiben wird:
       „Wir werden friedlich, aber entschlossen zeigen, dass Erdoğan nicht
       willkommen ist.“
       
       23 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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