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       # taz.de -- Kolumne Pressschlag: Planwirtschaft an der Playstation
       
       > Die Fifa möchte feste Transferwerte für einen faireren Markt im
       > Profifußball errechnen lassen. Das kann nur schief gehen.
       
   IMG Bild: Der bislang teuerste Spieler: Neymar wechstelte nach offiziellen Angaben für rund 222 Millionen Euro
       
       Die Fifa entdeckt die Planwirtschaft. Dem Weltverband ist aufgefallen, dass
       der unregulierte, entfesselte Transfermarkt für den Fußball ein Problem
       ist. „Das Transfersystem scheint sich zu einem spekulativen Markt gewandelt
       zu haben“, heißt es in einem Bericht, der aus einer eigens gegründeten
       Fifa-Task Force an die Öffentlichkeit sickerte.
       
       Und neben allerhand anderen Vorschlägen – einer Luxussteuer auf exzessive
       Ablösesummen etwa – will der Verband jetzt direkt in die Transfersummen
       eingreifen: Mit einem Algorithmus, der „Transfer-Werte und
       -Wahrscheinlichkeiten auf wissenschaftlicher Basis schätzt.“ Mögliche
       Summen sollen automatisch errechnet und Transferzahlungen entsprechend
       gedrosselt werden.
       
       Der Weltfußballverband will also durchgreifen. Der Schritt ist durchaus
       interessant. Infantino hielt eine Task Force für nötig, um den völlig
       [1][aus dem Gleichgewicht geratenen Wettbewerb] zumindest ansatzweise zu
       regulieren. So schlecht steht es.
       
       Dass ein Eingriff nur dazu dient, den Geldfluss am Laufen zu halten, ist
       offensichtlich, aber nicht notwendigerweise der Sache schädlich. Zunächst
       gilt: Der Leidensdruck bei der Fifa ist offenbar so groß geworden, dass sie
       ernste Eingriffe erwägt, um Spannung und Chancengleichheit zu erhöhen. Das
       ist eine gute Nachricht.
       
       Die schlechte ist, dass ihr wichtigster Vorschlag völlig unpraktikabel ist.
       Fast schon verbietet es sich, ihn mit dem Ernst dieser Kolumne zu
       behandeln. Aber wir halten das durch, versprochen. Computer sollen also
       aufgrund von Daten einen festen Transferwert eines Spielers bestimmen.
       Abgesehen davon, dass das an der Macht- und Geldverteilung im
       Vereinsfußball nicht viel ändern dürfte, ist es in vier Worten:
       unumsetzbar, kompliziert, fehleranfällig und manipulationsverdächtig. Und
       Charakter, Teamfähigkeit oder Erfahrung spielen für die Fifa offensichtlich
       auch keine Rolle.
       
       ## Die Großkubs als Feind
       
       Der Premier-League-Offizielle Bill Bush kanzelte die Idee gleich als
       „lächerlich“ ab. Ob der Vorschlag überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist, hat
       offenbar auch niemand überlegt. Und wie der Neymar-Transfer bewies, gibt es
       nebenbei viele Wege, Geld zu zahlen. Die Ablösesumme ist nur einer.
       
       Vielleicht hat die Fifa ihren jüngsten Vorschlag auch nur an der
       Playstation erdacht. Da gibt es Spielerwerte, die aber, kleiner Tipp an die
       Fifa, sogar da hoch umstritten sind. Möglicherweise wird der Weltverband
       demnächst nach jedem Spieltag noch In-Form-Cards einführen, die werden nach
       dem Spiel von einer Card-Lady verteilt und drücken den Spielerwert nach
       oben.
       
       Bei allem Hohn hat die Fifa fast unbemerkt in dem Dokument durchaus sinnige
       Vorschläge aufgeschrieben. Eine Luxussteuer zum Beispiel, die hohe
       Ablösesummen besteuert und in einen Solidaritätsfonds eingezahlt wird. Auch
       eine Begrenzung des Leihgeschäfts und eine stärkere Regulierung der
       Tätigkeit von Spielerberatern. All das ist keine Revolution des Systems,
       aber das Drehen an einer wichtigen Stellschraube. Für größere
       planwirtschaftliche Experimente wird es nicht reichen.
       
       Die wahre Hürde wären sowieso nicht die Gerichte. Sondern die Großklubs.
       Machtvolle Player, aufgezüchtet und gewachsen im fußballerischen Goldrausch
       seit den neunziger Jahren, der wiederum von der Fifa immer weiter
       vorangetrieben wird. Selbst wenn Infantino und Genossen eines Tages die
       Signale hören und sich zum ernsthaften Kampf gegen die Ungleichheit
       erwärmen würden, ist unwahrscheinlich, dass sie damit weit kommen würden.
       Bisher haben die Großklubs noch jeden zaghaften Angriff auf die
       Besitzverhältnisse abgewehrt. Sie sind die Cash Cows. Und der Weltfußball
       will ja nicht an dem Stuhl sägen, auf dem er sitzt.
       
       22 Sep 2018
       
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