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       # taz.de -- Rede der britischen Premierministerin: Brexit-Gespräche auf Eis
       
       > Nach dem Eklat auf dem EU-Gipfel spricht Theresa May von einer
       > „Sackgasse“. Brexit-Hardliner fühlen sich ihrem Ziel so nahe wie nie.
       
   IMG Bild: Theresa May fordert von der EU Respekt ein
       
       Die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über den britischen
       Austritt sind bis auf Weiteres festgefahren. Nachdem EU-Ratspräsident
       Donald Tusk am Donnerstag auf dem [1][EU-Gipfel in Salzburg] die
       Brexit-Pläne der britischen Premierministerin Theresa May als
       „undurchführbar“ zurückgewiesen hatte, konstatierte May bei einer
       kurzfristig angesetzten Fernsehansprache in London am Freitagnachmittag,
       man befinde sich in einer „Sackgasse“. Sie kündigte intensivere
       Vorbereitungen auf einen Brexit ohne Vereinbarung an.
       
       Grimmig sagte May, sie habe die EU bislang „ausschließlich mit Respekt
       behandelt: Das Vereinigte Königreich erwartet das Gleiche. Es sei „nicht
       akzeptabel“, in Verhandlungen Vorschläge zurückzuweisen, ohne Gründe zu
       nennen oder Gegenvorschläge zu machen. „Wir müssen von der EU hören, was
       ihre Alternativen sind. In der Zwischenzeit können wir keinen Fortschritt
       machen.“
       
       Britische Zeitungen hatten am Freitag einmütig den EU-Gipfel von Salzburg
       als „Erniedrigung“ für May bezeichnet. Die EU hatte dort den sogenannten
       Chequers Plan der Premierministerin endgültig zurückgewiesen, weil er auf
       einen Verbleib Großbritanniens im EU-Binnenmarkt allein im Warenverkehr
       hinauslaufe. Der Binnenmarkt sei „unteilbar“, heißt es immer wieder. Mays
       Plan war im Juli auf einer Kabinettsklausur erarbeitet worden; wegen ihm
       waren die Brexit-Hardliner Boris Johnson und David Davis [2][aus der
       Regierung zurückgetreten].
       
       Aus Mays Sicht ist ihr Plan aber die einzige Möglichkeit, dass
       Großbritannien den Binnenmarkt und die Zollunion der EU verlässt, ohne dass
       neue Grenzkontrollen an der zukünftigen EU-Außengrenze zwischen Nordirland
       und der Republik Irland eingeführt werden müssen. Der Vorschlag der EU,
       stattdessen Nordirland im EU-Binnenmarkt zu belassen und Grenzkontrollen
       zwischen Nordirland und Großbritannien einzuführen, ist wiederum für May
       als Spaltung des Vereinigten Königreiches inakzeptabel.
       
       „Keine Seite sollte von der anderen das Inakzeptable verlangen“, sagte May.
       Damit stellte sie die britische Ablehnung der Nordirland-Vorschläge der EU
       und die EU-Ablehnung der britischen Handelspläne auf eine Stufe, was die
       Möglichkeit andeutet, dass sie von ihrem „Chequers Plan“ – für den es
       ohnehin keine Mehrheit im britischen Parlament gäbe – wieder abrückt.
       
       Innerhalb der regierenden Konservativen gilt ein solcher Rückzieher als
       einzige Chance für May, den bevorstehenden Jahresparteitag übernächste
       Woche zu überstehen. In der Partei mehrten sich zuletzt die Aufrufe,
       gegenüber der EU härter aufzutreten. Die Ansprache vom Freitag trägt diesem
       Wunsch Rechnung. „Ich werde das Ergebnis des Referendums nicht rückgängig
       machen, und ich werde mein Land nicht aufspalten“, sagte sie zum Abschluss
       an die EU gerichtet: „Wir brauchen ernsthaftes Engagement. Wir stehen
       bereit.“
       
       Nach gültigem Zeitplan verlässt Großbritannien die EU am 29. März 2019,
       unabhängig davon, ob es eine Austrittsvereinbarung mit der EU gibt oder
       nicht. Ohne Vereinbarung sähe sich Großbritannien nicht mehr zur Erfüllung
       seiner mit der EU vereinbarten ausstehenden finanziellen Verpflichtungen in
       Höhe von rund 45 Milliarden Euro verpflichtet, und es gäbe auch keine
       Übergangszeit bis Ende 2020, in der bestehende Regeln weitergelten, während
       neue entstehen.
       
       Brexit-Hardliner, die einen schnellen, klaren Bruch wünschen, hoffen daher
       auf ein Scheitern der Gespräche. Ihr Wortführer, der konservative
       Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, lobte am Freitagnachmittag Mays
       „Entschlossenheit“. Labour-Oppositionführer Jeremy Corbyn hingegen lehnte
       einen Brexit ohne Vereinbarung ab und warf sowohl London als auch Brüssel
       „politische Spielchen“ vor. Die EU-freundlichen Liberalen verlangten eine
       Sondersitzung des Parlaments.
       
       21 Sep 2018
       
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