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       # taz.de -- Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite: Die Finanzkrise hat eine Hautfarbe
       
       > Afroamerikaner wurden häufiger Opfer fauler Darlehen als Weiße. Die
       > Diskriminierung bei der Kreditvergabe wird nun wieder einfacher.
       
   IMG Bild: Überdurchschnittlich viele Afroamerikaner verloren während der Krise ihre Häuser
       
       Einen der wichtigsten Erfolge der Bürgerrechtsbewegung konnte Martin Luther
       King nicht mehr miterleben. Genau eine Woche nach seiner Ermordung
       unterzeichnete US-Präsident Lyndon B. Johnson den Fair Housing Act, der
       eine der weitreichendsten Benachteiligungen für Afroamerikaner in der
       US-Gesellschaft bekämpfen sollte – die Diskriminierung auf dem
       Wohnungsmarkt. King selbst hatte sich 1965 eine heruntergekommene Wohnung
       in einem Chicagoer Schwarzenviertel gemietet, zog dort mit seinen Anhängern
       durch die Straßen und forderte bessere Wohnverhältnisse für Schwarze.
       
       Der Fair Housing Act verbot jegliche Diskriminierung bei der Vermietung und
       dem Verkauf von Häusern und Wohnungen aufgrund von Hautfarbe, Religion und
       Herkunft. Zuvor konnten Vermieter und Immobilienhändler Angehörigen von
       Minderheiten einfach herauswerfen – eine Ursache der bis heute andauernden
       ethnischen Trennung in den USA.
       
       Dabei zeigte das Gesetz durchaus Wirkung. In den folgenden Jahrzehnten
       stieg die Zahl der Hausbesitzer unter den Afroamerikanern langsam von 41,6
       auf 46,6 Prozent im Jahr 2006 an. Dann kam die Finanzkrise – und löschte 50
       Jahre Antidiskriminierungspolitik auf dem Wohnungsmarkt praktisch aus.
       
       Im zweiten Quartal 2018 besaßen wieder 41,6 Prozent der Afroamerikaner ein
       Eigenheim, 5 Prozentpunkte weniger als vor der Krise. Gleichzeitig hatten
       72,9 Prozent der weißen US-Bürger eine Immobilie. Das waren 2 Prozentpunkte
       weniger als 2006. Damit haben heute nicht mehr schwarze US-Bürger ein
       eigenes Haus, als zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung. Die Krise hat eine
       Hautfarbe.
       
       Dass vor allem Schwarze ihre Häuser verloren, lag vor allem an der
       diskriminierenden Kreditvergabe. Wer dunkelhäutig ist, bekommt von Banken –
       damals wie heute – fast durchgehend eine schlechtere Bonität bescheinigt.
       In den Jahren vor der Krise mussten Afroamerikaner daher häufig auf
       sogenannte Subprime-Kredite zurückgreifen, die schlechte Konditionen für
       Schuldner mit hohem Ausfallrisiko vorsahen. Das Onlinemagazin City Lab
       schreibt unter Berufung auf eine Studie der New York University: „Im Jahr
       2006 war es für schwarze und Latino-Familien mit 200.000 Dollar
       Jahreseinkommen wahrscheinlicher, mit einem Subprime-Kredit abgespeist zu
       werden, als für eine weiße Familie mit weniger als 30.000 Dollar
       Jahreseinkommen.“ Schwarzen wurde 2,5-mal so oft ein schlechter Kredit
       vermittelt als Weißen.
       
       ## Kongress weicht Schutzbestimmungen auf
       
       Es waren ebendiese Kredite, die die Finanzkrise auslösten. Die hohen Zinsen
       und flexiblen Zinssätze sorgten bei vielen Kreditnehmern für eine
       Vervielfachung der Ratenhöhe innerhalb weniger Monate. Die Folge waren
       Hunderttausende Zwangsversteigerungen. Deren Opfer wurden jene, denen keine
       weitere Finanzierungsquelle zur Verfügung stand.
       
       Und das waren vor allem Minderheiten. Für Schwarze war das Risiko, das
       eigene Haus zu verlieren in den Krisenjahren 2008 bis 2013 mehr als doppelt
       so hoch wie für Weiße. Da der Immobilienbesitz aufgrund des tendenziell
       niedrigeren Einkommens bei Schwarzen einen größeren Teil des Besitzes (92
       Prozent) ausmacht, waren sie auch stärker von Vermögensverlusten durch
       sinkende Häuserpreise betroffen als Weiße, deren Vermögen nur zu 58 Prozent
       aus Immobilienbesitz besteht.
       
       Mit dem Dodd-Frank-Act von 2010 versuchte der US-Kongress, die
       Benachteiligung von Minderheiten bei der Kreditvergabe einzudämmen. Er
       verpflichtete Banken dazu, detaillierte Daten über Einkommen, Wohnort und
       Ethnie über Schuldner an die Bundesbehörden weiterzuleiten. Damit sollte
       sichergestellt werden, dass Banken Angehörigen von Minderheiten keine
       schlechteren Konditionen anbieten.
       
       Eben dieses Gesetz hat der Kongress im Frühjahr aufgeweicht. Institute mit
       weniger als 500 Kreditvergaben pro Jahr müssen keine Nachweise mehr
       erbringen, das sind vier von fünf US-Banken. Damit steigt die
       Wahrscheinlichkeit, als nicht weißer Bürger, Opfer von Diskriminierung auf
       dem Immobilienmarkt zu werden.
       
       15 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jörg Wimalasena
       
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