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       # taz.de -- Aktivist über „Lieferando“: „Sechs Unfälle, drei Zwischenfälle“
       
       > Keno Böhme wurde als „Lieferando“-Mitarbeiter entlassen, weil er sich bei
       > „Liefern am Limit“ engagierte. Die E-Bikes sind zu unsicher, sagt er.
       
   IMG Bild: „Liefern am Limit“ engagiert sich für bessere Arbeitsbedingungen bei Lieferunternehmen
       
       Schon lange stehen Essenslieferdienste wie „Lieferando“, „Deliveroo“ und
       „Foodora“ [1][in der Kritik]: Ihre Arbeitsbedingungen sind unsicher,
       gewerkschaftliche Organisation wird kaum zugelassen. Die Initiative
       „Liefern am Limit“ engagiert sich deswegen für bessere und beständigere
       Arbeitsbedingungen und mehr Mitspracherecht der
       Lieferdienst-Mitarbeiter*innen. Im August wurde dem
       „Lieferando“-Mitarbeiter und gleichzeitig bei „Liefern am
       Limit“-Engagierten Keno Böhme gekündigt. Er warf dem Unternehmen vor, dies
       wegen seinem Engagement bei der Initiative getan zu haben. Gerade erst
       hatte er eine Beschwerde mehrerer Fahrrad-Kuriere wegen untauglicher
       E-Bikes an „Lieferando“ herangetragen. Im Interview berichtet er von seinem
       Fall und dem Kampf der Initiative gegen unbrauchbare E-Bikes.
       
       taz: Welche Rolle spielten Sie in der Initiative „Liefern am Limit“ und dem
       Unternehmen „Lieferando“ gegenüber? 
       
       Keno Böhme: Ich bin bei uns im Projekt für die Kontakte mit den Unternehmen
       zuständig. Das heißt, wenn es Probleme gab oder Nachfragen, habe ich von
       meiner Mail-Adresse, mit meinem Namen, aus den Kontakt aufgenommen.
       „Lieferando“ war auch das erste und einzige Unternehmen, welches mit
       „Liefern am Limit“ – also in dem Fall dann mit mir – telefonieren wollte
       und das geschah dann auch so.
       
       Sind solche Fälle wie Ihrer schon öfter vorgekommen und gab es Klagen gegen
       derartige Entlassungen – und planen Sie eine eigene Anklage? 
       
       In meinem Fall ist keine Klage geplant. Die NGG (Gewerkschaft
       Nahrung-Genuss-Gaststätten) hat dies in Betracht gezogen. Aber aufgrund der
       Tatsache, dass ich zum 1. Oktober, spätestens jedoch zum 1. November, als
       Projektsekretär eingestellt werde und „Liefern am Limit“ damit offizielles
       NGG-Projekt wird, wurde das wieder verworfen. Ich hätte also ohnehin
       demnächst gekündigt. „Lieferando“ hätte sich die Hände gar nicht schmutzig
       machen müssen, und das war auch ein offenes Geheimnis.
       
       Wie funktioniert die Zusammenarbeit von „Liefern am Limit“ mit Lieferando
       und ähnlichen Lieferunternehmen? Gibt es nach der Entlassung nun
       Veränderungen? 
       
       Um von einer nachhaltigen Veränderung sprechen zu können, ist noch nicht
       ausreichend Zeit vergangen. Ich persönlich empfinde das Verhältnis derzeit
       als kühl, kühler als zuvor. Mark Deumer, ein Manager, wollte mich noch
       einmal telefonisch erreichen. Da wir aber zu der Zeit auf der ILO
       (International Labour Organization) waren, musste ich ihn auf eine E-Mail
       vertrösten. Auf die warte ich bis heute. Das ist nun gut zweieinhalb Wochen
       her.
       
       Sie kritisieren unbrauchbare E-Bikes. Welche Zustände sind es konkret, die
       „Liefern am Limit“ kritisiert und verändert sehen will? 
       
       In 90 Tagen – Dürreperiode mit eingeschlossen – sind uns neun Ereignisse
       bekannt. Sechs Unfälle, drei „Zwischenfälle“. Unfälle sind in diesem Fall
       Stürze, Zwischenfälle sind ausgebrochene Räder, Rutschen oder Ähnliches,
       ohne, dass es zu Stürzen kam. Außerdem machen sich die E-Bikes aus bisher
       unvorhersehbaren Gründen gerne selbstständig. Mir persönlich ist ein E-Bike
       in diesem Zustand beinahe in eine Passantin gefahren. Wir stehen dafür ein,
       dass „Lieferando“ von seinem unausgesprochenen Standpunkt abrückt, wir
       Fahrer wären zu blöd zum Fahren. Das Unternehmen muss ernsthaft über ein
       Fahrsicherheitstraining für unsere Kolleg*innen nachdenken oder auf nicht
       mehr motorisierte Fahrräder setzen.
       
       Gibt es eine reale Chancen auf Verbesserung der Zustände? 
       
       Ob es reale Chancen auf Veränderung gibt, vermögen wir an dieser Stelle
       nicht zu prognostizieren. Das war bei „Deliveroo“ genauso schwierig und die
       mussten sich aus zehn Städten zurückziehen. Wir können nur sagen, dass wir
       an der Sache dran bleiben werden – vor allem angesichts des Winters. Und ob
       das bedeutet, dass Lieferando sich früher oder später ebenfalls
       zurückziehen muss, hängt ganz davon ab, ob das Unternehmen einlenkt oder
       nicht.
       
       14 Sep 2018
       
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