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       # taz.de -- Wieder Besetzung in Berlin: Besuch beim Immobilienhai
       
       > Am Ende der Demo für die Liebig34 wird eine Wohnung besetzt – sie gehört
       > dem Eigentümer des Friedrichshainer Hausprojekts.
       
   IMG Bild: Polizisten Samstagnacht vor dem Haus, in dem eine Wohnung besetzt wurde
       
       Als die erste Besetzerin gegen 1 Uhr nachts von der Polizei aus dem Haus im
       Weidenweg 63 geführt wird, bricht spontaner Jubel aus. „Ihr seid Klasse!“,
       rufen die rund 80 Unterstützer*innen, die zur späten Stunde noch vor dem
       Haus in der Kälte ausharren. Fünf Stunden zuvor hatten die Aktivist*innen
       im Anschluss an die Demo „Liebig 34 verteidigen“, die am Samstagabend durch
       Friedrichshain zog, das leer stehende Haus besetzt. Die Besetzer*innen
       fordern den Erhalt des räumungsbedrohten, queer-feministischen Hausprojekts
       „Liebig34“.
       
       Das Wohnprojekt in der Liebigstraße ist Schutzraum für Frauen, Lesben,
       Trans- und Interpersonen sowie zentraler Bezugspunkt der linken Szene. Da
       der Pachtvertrag des Gebäudes zum Ende des Jahres ausläuft und der
       Hauseigentümer, die Unternehmensgruppe Padovicz, keine Verhandlungsanfragen
       beantwortet, ist mit einer Räumung zu rechnen.
       
       Um ein Zeichen für den Erhalt linker Freiräume zu setzen, versammeln sich
       am Samstagabend laut Veranstalter*innen rund 2.500 Menschen auf dem
       Wismarer Platz. Die Polizei spricht von 1.000 Teilnehmenden. Die
       überwiegend in Schwarz gekleideten Demo-Teilnehmer*innen ziehen durch
       Friedrichshain und skandieren „Die Häuser denen, die drin wohnen“.
       
       Auf den Dächern wird immer wieder Pyrotechnik gezündet, ab und an
       explodiert ein Böller. Die Stimmung ist kämpferisch, aber es bleibt
       weitgehend friedlich, auch die Polizei hält sich zurück. Am Bersarinplatz
       beenden die Veranstalter*innen die Demo vorzeitig, damit Demonstrant*innen
       zum nahe gelegenen Weidenweg 63 können.
       
       Rund 80 Aktivist*innen bilden vor dem Eingang des besetzten Hauses eine
       Sitzblockade, mehrere hundert weitere nehmen an einer Kundgebung vor dem
       Haus teil. Eine Polizeikette trennt die beiden Gruppen. Rund 20
       Besetzer*innen haben sich in einer Wohnung verbarrikadiert, sie sind
       bereits am Morgen in das Haus eingedrungen. An der Fassade haben sie
       Transparente aufgehängt: „Feministisch #Besetzen“.
       
       Genau wie die Liebig34 gehört das Haus dem Unternehmer Padovicz. Die
       Besetzer*innen fordern den Eigentümer auf, das Haus der Liebig34 den
       Bewohner*innen zu überlassen. „Es kann nicht sein, dass hier mit Leerstand
       spekuliert wird“, erklärt die queer-feministische Aktivistin Maxi Anders,
       „während wenige hundert Meter weiter ein Haus räumungsbedroht ist.“ Gerade
       queere Personen seien bei der Wohnungssuche benachteiligt.
       
       Obwohl der Eigentümer stundenlang nicht erreichbar ist, um Strafantrag zu
       stellen, dringt die Polizei über einen Hinterhof in das Treppenhaus ein. In
       die Wohnung gelangen sie zunächst nicht, die Tür ist solide
       verbarrikadiert. Unterdessen beginnt die Polizei mit der Räumung der
       Sitzblockade, setzt Schläge und Schmerzgriffe ein, um die Aktivist*innen
       vom Hauseingang zu entfernen.
       
       Die Besetzer*innen spielen derweil Musik, und werfen Ballons und Konfetti
       von den Balkonen. „Ihr kommt hier niemals rein, haut ab!“, rufen sie den
       Beamten zu. Die Kundgebung vor dem Haus wird zunehmend kleiner,
       mittlerweile ist es klirrend kalt. Unterstützer*innen bringen Essen und
       heißen Tee, eine Aktivistin spielt Akkordeon.
       
       Gegen halb 1 Uhr durchbricht die Polizei die Wohnungstür. Mittlerweile
       wurde auch der Eigentümer kontaktiert, er hat Strafanzeige wegen
       Hausfriedensbruch erstattet. Von außen ist nicht zu erkennen, was in der
       Wohnung passiert, aber die Besetzer*innen berichten später, dass bei den
       Festnahmen mehreren Aktivist*innen Arme und Schultern verrenkt wurden. Am
       Ende bilanziert die Polizei 87 Festnahmen. Nach Aufnahme der Personalien
       wurden alle Aktivist*innen wieder freigelassen.
       
       30 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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