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       # taz.de -- Gutachten zur Wohnungsfirma Vonovia: Profiteur der Privatisierungswelle
       
       > Die Linkspartei lässt die größte deutsche Wohnungsfirma untersuchen.
       > Hauptvorwurf: Sie treibe die Mieten hoch und spare an Hausmeistern.
       
   IMG Bild: „Maroden und gesundheitsgefährdenden“: Die Firmenzentrale der Vonovia in Bochum
       
       BERLIN taz | Eigentlich, so hatte es Vonovia-Chef Rolf Buch am Samstag im
       Spiegel-Interview beteuert, sei seine Firma „gar kein
       Immobilienunternehmen, sondern ein abonnementgetriebenes
       Endkundengeschäft“. Die Miete sei nur „eine Art Abo-Gebühr“. Und ohne
       „zufriedene Mieter“ sei man „am Kapitalmarkt nichts wert“.
       
       Die Vonovia mit Sitz in Bochum ist Deutschlands größtes
       Immobilienunternehmen, 350.000 Wohnungen gehören ihr bundesweit. Am Montag
       legte die Fraktion der Linken im Bundestag ein Gutachten mit einem anderen
       Tenor vor: Die Vonovia sei kein „Wohnungsunternehmen im klassischen Sinne“,
       sondern ein „Finanzinvestor mit angeschlossener Immobilienwirtschaft“. Die
       Firma sei „in einigen Regionen ein Haupttreiber des Mietenwahnsinns“, für
       das Unternehmen stünden kurzfristige Renditen im Mittelpunkt.
       
       Bereits 2017 hatte die Linksfraktion ein Gutachten zur Deutschen Wohnen
       erstellt, dem zweitgrößten Player auf dem deutschen Wohnungsmarkt und in
       Mieterkreisen ähnlich schlecht beleumundet. Die Vorwürfe gegen beide
       Unternehmen: Sie würden gezielt auf die Miete anrechenbare
       Modernisierungsmaßnahmen ergreifen, um die Rendite zu steigern, während
       gewöhnliche Instandhaltungsarbeiten unterblieben, weil sie nicht auf die
       Miete aufgeschlagen werden können.
       
       Beide Unternehmen profitierten von der großen Privatisierungswelle
       öffentlicher Wohnungsunternehmen in den 90er und Nuller Jahren. So erwarb
       das Vorläuferunternehmen der Vonovia, die Deutsche Annington, 2001 rund
       65.000 Eisenbahnerwohnungen. 2003 kamen 10.000 Wohnungen der Kieler Heimbau
       AG dazu, 2004 4.500 Werkswohnungen von RWE. 2005 schließlich folgten
       152.000 Wohnungen der Viterra AG, der Immobilientochter des
       Energieunternehmens Eon.
       
       Eigentümer der Vonovia sind heute unter anderem der US-amerikanische
       Investmentfonds Blackrock (8,3 Prozent), der britische Investmentfirma
       Lansdowne Partners (5,2 Prozent). 72,5 Prozent der Aktiengesellschaft
       befinden sich im Streubesitz.
       
       Das Linksfraktion-Gutachten, erstellt von Heinz Bontrup (Westfälische
       Hochschule), zählt noch einmal die gängigen Vorwürfe gegen Vonovia auf: Die
       Firma würde den Mieterhöhungsspielraum voll ausschöpfen. Sie klage zudem
       gegen Mietspiegel und würde dabei „drei Vergleichsmieten aus dem eigenen
       Immobilienbestand auswählen,die jeweils deutlich über der ortsüblichen
       Vergleichsmiete“ gelegen hätte. Statt Hausmeistern und Immobilienkaufleuten
       arbeiteten heute Objektbetreuer und Call-Center-Beschäftigte, um Geld zu
       sparen.
       
       Für gezielte Modernisierungsmaßnahmen, um die Mieten nach oben zu treiben
       führt Bontrup ein Beispiel aus Konstanz an. Dort kritisierten die Mieter
       die Modernisierung ihrer Häuser als überflüssig. Gleichzeitig würde die
       Sanierung der „maroden und gesundheitsgefährdenden Wasserversorgung in den
       Häusern“ durch Vonovia vernachlässigt, weil sie nur Geld koste.
       
       Bontrup sieht auch die Wachstumsstrategie von Vonovia kritisch. Er
       beschreibt eine Art Schneeballsystem: Vonovia nutze eine von der Politik
       geschaffene Möglichkeit zur marktbezogenen Höherbewertung der
       Immobilienbestände in den Bilanzen, die zu „extremen Buchgewinnen“ geführt
       habe. Bei der Ausschüttung der Buchgewinne an die Shareholder habe Vonovia
       aber von 2012 bis 2017 550 Millionen Euro Verlust gemacht. Um dies
       refinanzieren zu können, seien nicht nur die Mietpreissteigerungen
       unumgänglich, sondern auch das Wachstum über den Zukauf von immer neuen
       Immobilien. Vonovia hat erst kürzlich Bestände in Schweden erworben.
       
       Caren Lay von der Linksfraktion nutze das Gutachten, um noch einmal die
       vollständige Abschaffung der Modernisierungsumlage zu fordern – das
       Geschäftsmodell von Vonovia würde so beendet. Die Bundesregierung hat sich
       dagegen gerade nur auf eine Absenkung von elf auf acht Prozent festgelegt.
       
       Noch strittiger dürfte die Forderung der Linkspartei nach einer „Einführung
       eines Rekommunalisierungsfonds aus Haushaltsmitteln des Bundes“ sein, mit
       denen Kommunen der Erwerb von privaten Immobilien erworben werden soll.
       Eine Rückabwicklung der Wohnungsprivatisierungen der 90er Jahren würde so
       erleichtert. Beim Wohnungsgipfel der Bundesregierung am Freitag dürfte
       diese Forderung keine Rolle spielen.
       
       18 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
       
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