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       # taz.de -- Pussy-Riot-Mitglied in der Berliner Charité: Angehörige vermuten Mordversuch
       
       > Der Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow ist nach Angaben seiner Ärzte in
       > Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet worden. Doch sei er außer
       > Lebensgefahr.
       
   IMG Bild: Die Pussy Riot Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa und Pjotr Wersilow (links), 2014
       
       Berlin dpa | Die Berliner Charité hält eine Vergiftung des Mitglieds der
       russischen Polit-Punkgruppe Pussy Riot, Pjotr Wersilow, für wahrscheinlich.
       Dafür gebe es eine hohe Plausibilität, sagte der Vorstandsvorsitzende des
       Universitätsklinikums, Karl Marx Einhäupl, am Dienstag auf einer
       Pressekonferenz in Berlin. Anders sei die Entwicklung der Symptome
       innerhalb des kurzen Zeitraums nicht zu erklären. [1][Auch die Ärzte in
       Moskau] seien offensichtlich von einer Vergiftung ausgegangen, erklärte
       Einhäupl. Wersilow ist außer Lebensgefahr.
       
       Er sei zwar immer noch verwirrt, aber insgesamt auf dem Weg der Besserung:
       „Er braucht keine maschinelle Unterstützung der Organfunktionen und konnte
       das Bett schon verlassen. Wir sind zuversichtlich, dass eine
       Komplettheilung stattfinden wird“, sagte der zuständige Arzt Kai-Uwe
       Eckardt. „Wir können mit ihm kommunizieren, eine differenzierte
       Auseinandersetzung mit seiner Vorgeschichte war aber noch nicht möglich.“
       
       Am Samstagabend war Wersilow mit einem Ambulanz-Flugzeug aus Moskau nach
       Berlin gekommen. Die Hilfsaktion war von der privaten sozialen Initiative
       Cinema for Peace unterstützt worden. Wersilow war [2][beim Finalspiel der
       Fußball-WM Mitte Juli] mit drei anderen Pussy-Riot-Mitgliedern in Uniformen
       auf das Feld gerannt, um unter anderem gegen Polizeigewalt zu
       demonstrieren. Die „Flitzer“ wurden daraufhin zu wochenlangen Arreststrafen
       verurteilt. Pussy Riot ist mit spektakulären Aktionen gegen Justizwillkür
       und Korruption weltweit bekannt geworden.
       
       Laut zuständigem Arzt Eckhardt ist nicht klar, mit welcher Substanz
       Wersilow vergiftet wurde. Die Ärzte hätten lediglich Hinweise auf die
       Substanzklasse. Die Chancen, sechs Tage nach einer möglichen Vergiftung
       noch etwas nachzuweisen, seien nicht sehr hoch, so Eckardt. Bei seiner
       vorherigen Behandlung in Moskau hätten die Ärzte den Magen Wersilows
       geleert und eine Blutwäsche durchgeführt, da sie bereits eine Vergiftung
       vermuteten.
       
       ## Hohe Dosis vermutet
       
       „Wir haben keine Hinweise, dass es sich um ein Drogenproblem handelt“, so
       Einhäupl weiter. Welche Substanz Wersilow verabreicht wurde, konnten die
       Mediziner der Charité zunächst nicht sagen. Sie müsse aber in einer hohen
       Dosis verabreicht worden sein.
       
       Das Gift habe für eine Störung des vegetativen Nervensystems gesorgt und
       bei Wersilow ein so genanntes anticholinerges Syndrom ausgelöst. Das
       vegetative Nervensystem ist für die Steuerung lebenswichtiger Funktionen
       wie Herzschlag oder Atmung zuständig. Ist es gestört, können Verwirrtheit,
       Schläfrigkeit, Fieber oder auch weite Pupille auftreten. All diese Symptome
       waren den Ärzten nach auch bei Wersilow zu beobachten.
       
       „Es gibt eine unglaubliche Vielzahl von Substanzen, die dazu führen können,
       etwa Medikamente oder auch Pflanzen“, sagte Eckardt mit Blick auf das
       Syndrom. Die Vergiftung war demnach dank schnell eingeleiteter Hilfe zu
       keinem Zeitpunkt schwerst lebensbedrohlich. Ohne Maßnahmen – etwa wenn
       Wersilow allein gewesen wäre – hätte sie es aber sein können.
       
       Wersilows Angehörige waren von einer Warnung oder einem Mordanschlag
       ausgegangen, sagte der Gründer der Initiative Cinema for Peace, Jaka
       Bizilj, am Sonntag der dpa. Das Pussy-Riot-Mitglied habe kaum noch sehen,
       sprechen oder sich bewegen können, nachdem er in einem Gericht in Moskau
       etwas gegessen habe.
       
       ## Erinnerungen an Fall Skripal
       
       Wersilow hat laut Bizilj eine russische und eine kanadische
       Staatsbürgerschaft, seine Angehörigen haben Visa für den Schengen-Raum.
       „Deshalb war ein Ausfliegen so schnell möglich.“ Laut Charité hat Wersilow
       eine kanadische Krankenversicherung. Die Charité hoffe, dass die
       Versicherung die Kosten übernehme, so Einhäupl.
       
       Der Fall erinnert an die [3][Affäre Skripal]: Der russische Ex-Spion Sergej
       Skripal und seine Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in
       der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Auf sie war ein
       Attentat mit einem chemischen Kampfstoff verübt worden. Beide überlebten
       nur knapp und leben heute an einem geheimen Ort. Der Fall löste eine
       [4][schwere diplomatische Krise aus].
       
       18 Sep 2018
       
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