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       # taz.de -- Oberbürgermeisterwahl in Sachsen: AfD und CDU proben Bündnis
       
       > Um Frank Richter als Oberbürgermeister zu verhindern, unterstützt die AfD
       > den CDU-Kandidaten Olaf Raschke. Der wehrt sich nicht dagegen.
       
   IMG Bild: Support von Rechtspopulisten? Für Olaf Raschke kein Grund zur Distanzierung
       
       Dresden taz | Der zweite Wahlgang der Oberbürgermeisterwahl im sächsischen
       Meißen wird zum Testfall für ein [1][CDU-AfD-Bündnis nach den
       Landtagswahlen 2019 in Sachsen]. Nach dem Rückzug ihres Kandidaten und
       stellvertretendem Landesvorsitzenden Joachim Keiler, der im ersten Wahlgang
       nur 13,7 Prozent der Wählerstimmen erhalten hatte, ruft die AfD zur Wahl
       des von der CDU unterstützten Amtsinhabers Olaf Raschke auf.
       
       Der distanzierte sich auch beim Wählerforum am Donnerstagabend nicht von
       diesem Aufruf. Vor dem Wahlgang am bevorstehenden Sonntag hat die AfD
       außerdem eine Diffamierungskampagne gegen überraschenden [2][Sieger des
       ersten Wahlgangs, den Theologen Frank Richter] gestartet. Richter hatte im
       ersten Wahldurchgang mit 36,7 Prozent den von der CDU favorisierten
       Amtsinhaber Olaf Raschke um vier Punkte hinter sich gelassen.
       
       Meißen ist historisch gesehen die gefühlte sächsische Ur-Hauptstadt und
       leidet mit heute noch 28.000 Einwohnern unterschwellig an seinem
       Bedeutungsverlust. Milieus in der überalterten Stadt tendieren noch stärker
       nach rechts als im 25 Kilometer entfernten Dresden. Der „Heimatschutz“
       agierte hier relativ unbehelligt, die CDU franste mehrfach nach ultrarechts
       aus, Pegida-Vizeeinheizer Siegfried Däbritz kommt von hier.
       
       Dennoch suchte nach Jahren der Stagnation eine bildungsbürgerlich
       dominierte Initiative „Bürger für Meißen“ eine Alternative bei der Wahl des
       Oberbürgermeisters. Der in Meißen geborene ehemalige Direktor der
       Landeszentrale für Politische Bildung und besonders [3][als Moderator und
       „Pegida-Versteher“ bekannt gewordene 57-jährige Frank Richter] wird von ihr
       unterstützt.
       
       ## Verleumdungen gegen Richter
       
       Doch dessen von Linken und Grünen oft kritisierte allzu große
       Gesprächsbereitschaft mit Angst- und Wutbürgern wird nun keinesfalls
       honoriert. Der abgehängte AfD-Kandidat Keiler schürt Panik vor „illegaler
       Massenmigration in der Domstadt“ und jungen Arabern, die „beschäftigungslos
       das Elbufer belagern“, weil sich Richter einmal zur Zuwanderung nach
       Deutschlang bekannt hat.
       
       In Flyern wird der Kandidat als „Nachwendehalstrojaner“ bezeichnet und
       dessen maßgebliche Beteiligung an den Weichenstellungen für einen
       friedlichen Verlauf der DDR-Umwälzungen im Oktober 1989 geleugnet. An den
       Verleumdungen Richters beteiligt sich auch Angelika Barbe, die von
       neurechten Nationalapokalyptikern und Pegida-Kreisen gern als
       Vorzeige-Bürgerrechtlerin der DDR eingeladen wird. Mehrere Jahre bis zu
       ihrer Pensionierung musste sich Richter mit ihr als Angestellte der
       Landeszentrale herumschlagen. Nun sieht sie offenbar die Gelegenheit
       gekommen, sich an ihrem ehemaligen Chef zu rächen.
       
       Während am Donnerstagabend im Rathaus das Bürgergespräch der drei
       verbliebenen OB-Kandidaten lief, stellte sich Barbe vor etwa 50 Anhängern
       als Bürgerrechtlerin erster Klasse dar, während Richter als damaliger
       katholischer Kaplan „von der Kirche geschützt“ gewesen sei. Der „Untertan,
       stromlinienförmige Karrierist und Ideologe“ sei „eine Beleidigung und
       Verhöhnung des ostdeutschen Widerstandes“, ätzte Barbe.
       
       ## Der „Verstehensnotoriker“
       
       Auch während des Bürgerforums wurde der vor 12 Jahren zur Evangelischen
       Kirche gewechselte und verheiratete Frank Richter als Spion einer
       katholischen Geheimorganisation und als „Richelieu von Meißen“ denunziert.
       Wiederholt musste der Kandidat den Block der Raschke-Anhänger an
       Grundgesetzprinzipien wie die Religionsfreiheit und demokratische
       Grundregeln erinnern.
       
       Richter, der Meißen ausdrücklich nicht spalten und keinen Wahlkampf gegen
       Personen, sondern für Ziele führen wollte, fühlt sich nach eigenen Worten
       nicht von Undank getroffen. Er bezeichnet sich als „Verstehensnotoriker“
       auch gegenüber jenen, denen er geduldig zuhören wollte und die ihn jetzt
       beleidigen.
       
       Er reagierte aber mit der Vorführung eines Dokumentarfilmes über die
       Oktobertage 1989 im vollbesetzten Meißner Kino. Dazu reiste aus Berlin
       sogar sein damaliger Kontrahent und Partner, der Dresdner
       SED-Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer an, der ihn gegen die
       Unterstellungen in Schutz nahm.
       
       ## Ein Bürgermeister von AfD-Gnaden
       
       Eine solche Distanzierung hätte sich Richter auch von seinem im ersten
       Wahlgang unterlegenen Kontrahenten und Amtsinhaber Raschke gewünscht. Der
       aber vermied klare Worte gegenüber seinen AfD-Unterstützern und zog sich
       auf Allgemeinplätze zurück. Er werde in der Stadt „wegen der erfolgreichen
       Arbeit der letzten Jahre“ gewählt, und Fremdenfeindlichkeit werde es mit
       ihm nicht geben.
       
       Sollte er am Sonntag mit dem zusätzlichen Potenzial von etwa 15 Prozent
       ultrakonservativer Wählerstimmen noch an Richter vorbeiziehen können, wird
       er aber ein CDU-Oberbürgermeister von AfD-Gnaden werden. Die Führung der
       Sächsischen Union hat das bislang nicht interessiert.
       
       Trotz der auch beim Bürgerforum spürbaren Polarisierung sprach Richter aber
       von einem „guten Wahlkampf“, weil lange brachliegende Probleme endlich
       angesprochen worden seien. Dem stimmte sogar Amtsinhaber Olaf Raschke zu,
       der einen „Lernprozess für alle“ konstatierte.
       
       21 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
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       Union.