URI: 
       # taz.de -- Nach Polizeieinsatz im Hambacher Forst: Viele offene Fragen
       
       > Sechzehn Tage dauerte die Räumung im bedrohten Wald. Einige Fragen
       > bleiben: War die Palettenräumung etwa überhaupt gerechtfertigt?
       
   IMG Bild: Worauf basierte die Räumung der Baumhäuser?
       
       Hambacher Forst taz | Trotz der Proteste bereitet RWE weiterhin die Rodung
       des Hambacher Forstes vor. Am Dienstag endete der Großeinsatz unter Leitung
       der Polizei Aachen. 16 Tage hatte die Räumung von Baumhäusern in dem Wald
       in Nordrhein-Westfalen (NRW) gedauert. Nun ist es vorbei. Doch einiges, das
       währenddessen passierte, ist immer noch ungeklärt.
       
       War die Palettenräumung gerechtfertigt? 
       
       Räumung und Großeinsatz erfolgten aufgrund eines Erlasses des CDU-geführten
       NRW-Bauministeriums. Die Baumhäuser hielten Brandschutzbestimmungen nicht
       ein, also müsse man sie räumen. Am 2. Oktober räumte die Polizei im Auftrag
       der Stadt Kerpen aber auch besetzte Paletten und Plattformen mit Zelten.
       Diese zählen laut einem Sprecher des Kreises Düren nicht als „bauliche
       Strukturen“: Brandschutzbestimmungen treffen auf sie also nicht zu. Die
       Pressesprecherin der Stadt Kerpen teilte mit, man habe das nicht beauftragt
       – die Polizei handle im Auftrag von RWE. Doch laut Polizei, AugenzeugInnen
       und Videomaterial hatte Kerpen vor jeder Maßnahme Räumungsverfügungen
       verlesen lassen. Kerpen war also Auftraggeber.
       
       Eine Polizeisprecherin erklärte, ohne den Kerpener Auftrag wäre es Sache
       von RWE gewesen, Paletten und Plattformen zu entfernen. Der
       Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne), als parlamentarischer
       Beobachter vor Ort, sagte, Kerpen habe „ein inniges Verhältnis“ zu RWE. Die
       rechtliche Grundlage für die beauftragten Maßnahmen hat Kerpen der taz
       bislang nicht mitgeteilt.
       
       Was haben die Aktivisten skandiert, nachdem ein Journalist im Wald tödlich
       verunglückt war? 
       
       Am Mittwoch, den 19. September, stürzte der Journalist Steffen Meyn aus 15
       bis 20 Metern Höhe zu Tode. Innenminister Herbert Reul (CDU) behauptet
       seitdem, BesetzerInnen “in der Nähe des Unfallortes“ hätten “Scheiß drauf“
       skandiert, während Sanitäter versuchten, Meyn zu reanimieren. Reul war
       nicht vor Ort, sondern beruft sich auf die angeblichen Aussagen einer
       einstelligen Anzahl von PolizistInnen. Demgegenüber stehen AugenzeugInnen
       wie die Linken-Politikerin Kathrin Vogler, zahlreiche JournalistInnen sowie
       eine zwei- bis dreistellige Anzahl BürgerInnen und AktivistInnen. Sie
       widersprechen Reul und schildern, dass BesetzerInnen herbeigerannt seien,
       “Mörder“ und “Blut an euren Händen“ gerufen hätten – gefolgt von langer
       Stille, Weinen und Gebeten. Gegenüber der WDR-Sendung Westpol hat sich die
       Pressestelle der Polizei geweigert, Reuls Aussage zu bestätigen.
       
       Warum waren während der Räumung keine CDU-Politiker vor Ort? 
       
       Parlamentarische Beobachtung geschieht durch Abgeordnete, die über
       polizeiliche Einsätze wachen sowie in Konflikten vermitteln. Die Grünen
       entsandten während des Großeinsatzes fast täglich BeobachterInnen. Auch die
       Linke war häufig vor Ort. Doch die Partei, deren Mitglieder den Großeinsatz
       veranlasst hatten, traf man nicht. Ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion
       sagte der taz: “Die CDU-Landtagsfraktion hatte niemanden in den Hambacher
       Forst zu einer Beobachtung entsandt.“ Die Bundestagsfraktion antwortete auf
       mehrfache Anfrage nicht. Ob CDU-Abgeordnete den Großeinsatz überwacht
       haben, ist bislang nicht bekannt.
       
       ## Hat die Polizei den BesetzerInnen Wasser verweigert?
       
       Am Abend des 1. Oktobers meldeten BesetzerInnen, die Polizei lasse kein
       Wasser zu ihnen durch, sondern kippe es vor ihren Augen aus und fordere sie
       auf, die Besetzung aufzugeben, sollten sie trinken wollen. Auf Anfrage
       teilte eine Polizeisprecher am selben Abend mit: Aufgrund eines kürzlich
       vollzogenen Schichtwechsels könne man das aktuell nicht verfolgen. Man
       werde aber Fotos und Videos auswerten, auch die der BesetzerInnen. Am 3.
       Oktober sagte eine Sprecherin, die Auswertung laufe noch. Das Ergebnis ist
       offen.
       
       ## Warum wurde ein angrenzendes Grundstück durchsucht?
       
       Am 1. Oktober durchsuchte die Polizei das an den Hambacher Forst
       angrenzende Privatgrundstück von Kurt Claßen sowie die darauf befindlichen
       Häuser von AktivistInnen – ohne Durchsuchungsbeschluss. Dabei berief man
       sich auf das Polizeigesetz: Das erlaube dieses Vorgehen bei akut drohender
       Gefahr, wie beispielsweise der Vorbereitung von Straftaten. Inwiefern durch
       die Beschlagnahmung von Wasser, Möbeln und Rädern einer solchen Gefahr
       begegnet worden ist, ist noch offen. Ebenso die Frage, warum gleichzeitig
       auch Personal im Dienst von RWE Zutritt zum Privatgrundstück bekam.
       
       3 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anett Selle
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Hambacher Forst
   DIR Räumung
   DIR Polizei
   DIR RWE
   DIR Nordrhein-Westfalen
   DIR Schwerpunkt Hambacher Forst
   DIR RWE
   DIR RWE
   DIR RWE
   DIR 40 Jahre taz
   DIR Schwerpunkt Hambacher Forst
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Tod Steffen Meyns im Hambacher Forst: Familie greift NRW-Regierung an
       
       Hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul den Tod eines
       Doku-Filmers instrumentalisiert? Das sagt seine Familie.
       
   DIR „Ende Gelände“ und Hambacher Forst: Polizei räumt Protestcamp
       
       Das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ hatte in der Nähe des Hambacher Forsts
       Protestzelte aufgebaut. Die Polizei hat hunderte Braunkohlegegner über
       Nacht geräumt.
       
   DIR Urteil zum Verbot des Umweltprotests: Demo am Hambacher Forst erlaubt
       
       Die Polizei hatte die Demo am Hambacher Forst wegen Sicherheitsbedenken
       verboten. Nun kippte ein Gericht das Verbot.
       
   DIR Kohleabbau durch RWE: Gericht stoppt Rodung in Hambach
       
       In einem Eilverfahren hat das Oberverwaltungsgericht in Münster die Rodung
       des Hambacher Forstes vorerst gestoppt. Es geht um den Schutz von
       Tierarten.
       
   DIR Geplanter Protest im Hambacher Forst: Polizei Aachen untersagt Großdemo
       
       Die Polizei hat eine Demo gegen die Rodung des Hambacher Forstes wegen
       Sicherheitsbedenken verboten. Die Anmelder wollen das nicht hinnehmen.
       
   DIR Was fehlt …: … bald der Wald im Hambacher Forst
       
   DIR 40 Jahre taz: Hambacher Forst: Partisanenkrieg in der Baumkrone
       
       Die BaumschützerInnen aus dem Hambacher Forst entwickeln immer neue
       subversive Strategien – im Boden, in der Luft und im Virtuellen.
       
   DIR Debatte Hambacher Forst: Diktatur der Konzerne
       
       Wie sich die Politik von RWE am Hambacher Forst vorführen lässt, stellt die
       Demokratie in Frage. Eine Warnung aus ostdeutscher Perspektive.