# taz.de -- Kolumne Nachbarn: Mit blutbeschmierten Händen
> Wenn in Syrien nicht mehr gemordet wird, dann wird die Zeit des „Siegers“
> anbrechen. Und die Zeit der Verlierer, die ihren Ideen verraten werden.
IMG Bild: Verbrecher oben auf, im Palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk in Damaskus
Morgen wird der Krieg in Syrien vorbei sein; und wenn nicht morgen, dann
eben irgendwann, in naher oder ferner Zukunft. Denn noch kein Krieg hat
ewig gedauert. Wenn es soweit sein wird, wird der „Sieger“ seine toten
Soldaten und seine Kriegsbeute einsammeln und seinen Triumph feiern. Aber
welchen Triumph? Es wird in diesem Krieg keinen Sieger geben. Und wer sich
als solchen bezeichnet, ist nichts anderes als der große Mörder. Na dann
mal Glückwunsch zu den auf alle Ewigkeit blutbeschmierten Händen.
Der vermeintliche Sieger wird die Geschichte seiner Triumphe aufschreiben,
ein Museum für seine Heldentaten errichten und die Namen seiner Gefallenen
womöglich nicht einmal erwähnen. Er wird mit seinen Getreuen das Siegerepos
auf Gedenktafeln eingravieren lassen und sich vor dem Siegerdenkmal
ablichten lassen. Seine Stimme wird aus Lautsprechern im ganzen Land tönen,
auch inmitten der Trümmer, während er mit geballter Siegerfaust schreien
wird: „Ich bin der Sieger! Soldaten, marschiert in den Tod; oh du mein
Volk, opfere dich für mich.“ Und das versammelte Volk wird vor, während und
nach der Lobeshymne Beifall klatschen.
Die Mütter werden auf den Friedhöfen ihre Toten beweinen und die Kinder in
den Flüchtlingslagern weiter erfrieren. Die Fische im Mittelmeer und die
Wölfe in den Bergen und Wäldern werden weiter die Leichname der Ertrunkenen
und Geflüchteten fressen.
## Der Diktator als Vorbild
Morgen werden die Verlierer ihr Gedächtnis auslöschen und weiter Lügen
erzählen, bis sie sie selbst glauben, sie werden die Siegesdenkmäler ihres
alten und neuen Herrn besuchen, sich vor den Triumphstätten ablichten
lassen und sich von ihren früheren, gegen ihren Herrn gerichteten
Meinungen, Erklärungen und vermeintlichen Heldentaten gebührend
distanzieren. Sie werden ihren neuen Standpunkt ausführlich begründen. Denn
der Diktator ist ihr Vorbild, der die Bilder des Volkswiderstands einst als
Fake News abtat und auf allen Kanälen Gefangene zeigte, die erklären
mussten, sie seien niemals gefoltert worden.
Morgen wird die internationale Presse Bilder des Diktators inmitten von
Staatsmännern anderer Länder zeigen. Die Staatsoberhäupter dieser Welt
werden ihm zum Sieg gratulieren, ihn für seine Kämpfe und Siege gegen den
Terror loben und ihn wieder in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Sie werden
schamlos genug sein, sich um Verträge für den Wiederaufbau zu bemühen.
Vielleicht werden sie sogar anbieten, ein Museum für all die Waffen, die
sie für den Krieg geliefert haben, zu errichten.
Die Presse wird unentwegt debattieren und Journalisten werden versuchen,
die Gültigkeit ihrer vorausschauenden Analysen noch einmal zu beweisen und
ihre richtigen Standpunkte zu erläutern.
Der Krieg wird zu Ende gehen, und der Morgen wird kommen.
9 Oct 2018
## AUTOREN
DIR Kefah Deeb
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