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       # taz.de -- 40 Jahre taz: Konflikte entschärfen: Yoga kann politisch sein
       
       > Yoga fängt mit simpler Gelenkgymnastik an. Doch wenn wir loslassen
       > können, hilft das auch bei der Lösung von Konflikten – nicht nur im
       > Privaten.
       
   IMG Bild: Was ist daran jetzt politisch? Der Schlüssel liegt in der Philosophie der eigenen Wahrnehmung
       
       Yoga als Gelenkgymnastik ist Einstieg in ein weiter gespanntes Universum.
       Wir fangen mit simplen Körperübungen an. Die fördern Beweglichkeit und
       entspannen. Zuerst fühlen wir die steifen Muskeln, lernen sie zu lockern.
       Nach einiger Zeit kommen Atemübungen hinzu, dann Meditation.
       
       Wir beginnen, Körperteile bewusst wahrzunehmen: Füße, Unterschenkel, Knie –
       bis zur Verspannung am Hinterkopf. Möglichst viele gleichzeitig. Lernen die
       Empfindungen, die mit Körperhaltungen und Bewegungen verbunden sind. Dann
       nehmen wir die Wahrnehmung des Atems hinzu. Später erfahren wir den
       Einfluss unserer Gedanken, schließlich der Emotionen auf Körper und Atem:
       Wer wütend wird, atmet schneller und spannt Muskeln an. Da wir auf unsere
       Wut konzentriert sind, entgehen uns im Alltag jenseits der Matte
       körperliche Veränderungen. Emotionen entstehen, wenn wir unsere
       Wahrnehmungen deuten. Geprägt von Geschichte und sozialem Umfeld bewerten
       wir uns und alles, was um uns herum geschieht, sind erfreut, verärgert,
       ängstlich. All dies ist körperlich zu spüren.
       
       Was ist daran politisch? Der Schlüssel liegt in der Philosophie der
       Wahrnehmung: „Ich nehme mich wahr.“ Wir bemerken, dass ein Großteil der
       „Wirklichkeit“, nach der wir uns richten, aus emotional geprägten Deutungen
       besteht. Das fängt beim Selbstbild an, wie wir uns darstellen, an was wir
       uns messen. Wir nennen das „Identität“, klammern uns daran. Gesicht wahren
       ist eine Umschreibung dieser Behauptung.
       
       ## Kein Wettbewerb mehr um Distinktionsgewinne
       
       Ob als Deutsche oder Italiener, als Lesben, Schwule, Heteros, als Frauen
       oder Männer, als Journalisten oder Bundeskanzlerin – im Yoga gelten
       „Identitäten“ als Imaginationen des Egos, die mit der Substanz des Selbst
       nichts zu tun haben. Diese liegt in der Wahrnehmung. In der
       Yoga-Perspektive gehören Identitäten zum Wahrgenommenen. Wenn wir loslassen
       könnten, lebten wir in einer anderen Welt. Wir würden Konflikte nicht
       verschärfen, sondern entspannt nach Lösungen suchen – im Privaten wie im
       Gesellschaftlichen. Das schließt andere Ansichten nicht aus, die gehören
       unausweichlich zum Leben. Wie wir von Aladin El-Mafaalani erfahren, ist
       Multikulti konfliktreich, damit konstruktiv umzugehen, müssen alle lernen.
       
       Angesichts des Klimawandels sind wir zu Verhaltensänderungen aufgefordert.
       Yoga fördert die Achtsamkeit und hilft dabei, eine andere Auffassung vom
       Sinn unseres Lebens zu entwickeln. Nicht mehr im Wettbewerb um
       Distinktionsgewinne kämpfen, sondern die Bewahrung der Umwelt und
       friedliche Konfliktlösung als natürliche und selbstverständliche
       Lebenspraxis verkörpern. Insofern ist die private Übungspraxis des Yoga
       überaus politisch.
       
       28 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Grafe
       
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