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       # taz.de -- Wohngeldstelle schließt in Bremerhaven: Hier werden Sie nicht geholfen
       
       > Wegen Aktenstau muss die Wohngeldstelle in Bremerhaven für mindestens
       > zwei Wochen schließen. Das sorgt für Streit in der Bürgerschaft.
       
   IMG Bild: Die Wohngeld-Anträge seit Anfang der Woche (Symbolfoto)
       
       Bremen taz | Wer in Bremen Wohngeld braucht, muss sich derzeit auf lange
       Wartezeiten einstellen. In Bremerhaven ist die Wohngeldstelle jetzt sogar
       für mindestens zwei Wochen geschlossen, um die Abarbeitung der angehäuften
       Akten zu ermöglichen. In der aktuellen Stunde debattierte die Bürgerschaft
       am Mittwoch auf Antrag der Linksfraktion die „Schließung der Wohngeldstelle
       in Bremerhaven“ und „anhaltende Überlastung in Bremen“.
       
       Diese „Katastrophe mit Ansage“ treffe mit den Bedürftigen genau die
       falschen, sagt Nelson Janßen (Linke). Es brauche mehr Personal in den
       Kommunen, um den Rechtsanspruch auf Wohngeld zu gewährleisten. In vielen
       anderen Bereichen müsste man mit Untätigkeitsklagen rechnen: „Man stelle
       sich vor, die KFZ-Meldestelle schließt für zwei Wochen – es gäbe Widerstand
       und Rücktrittsforderungen“, so Janßen. Menschen, die auf Wohngeld
       angewiesen sind, fehle es an einer solchen Lobby.
       
       Die lange Bearbeitungsdauer der Wohngeldstelle treibe Menschen in die
       Verschuldung, beklagte der Bremer Erwerbslosenverband Mitte September. Er
       prangerte zwei Fälle an, in denen Familien seit neun Monaten auf ihren
       Bescheid warten. Ein Sprecher des Bauressorts gab an, dass die
       Wohngeldstelle der Stadt Bremen in „Normalfällen“ allerdings innerhalb der
       gesetzlichen dreimonatigen Bearbeitungsfrist liege. Die Behörde in
       Bremerhaven reagierte nun mit der Schließung, um die liegen gebliebenen
       Anträge effektiver bearbeiten zu können.
       
       Für Jürgen Pohlmann (SPD) redet die Linke einen Skandal herbei. „Ein
       Engpass in Ämtern zur Katastrophe hoch zu stilisieren ist populistisch“,
       sagte er. Den Betroffenen werde damit nicht geholfen. Zudem sei es für
       seine Fraktion unverständlich, warum das Thema Wohngeld, dessen Umsetzung
       auf kommunaler Ebene erfolgt, im Landtag debattiert wird. Dennoch erkennt
       Pohlmann an, dass die Personalausstattung, vor allem seit der
       [1][Gesetzesnovellierung durch den Bund 2016 (die taz berichtete)], nicht
       ausreiche: „Aus sozialpolitischer Sicht ist es richtig, dass nun mehr
       Menschen anspruchsberechtigt sind.“ Die Situation sei aber sowohl in
       Bremerhaven als auch in Bremen unbefriedigend und bedürfe einer
       Verbesserung.
       
       ## Rechtsanspruch auf Wohngeld muss gewährleistet sein
       
       In Bremerhaven wurde inzwischen eine weitere Stelle bewilligt – dennoch
       sind vier von acht Stellen wegen Krankheitsausfällen derzeit unbesetzt,
       berichteten mehrere Abgeordnete in der Debatte. Sigrid Grönert (CDU)
       fordert, dass sowohl den Gründen dieses hohen Krankenstandes nachgegangen,
       als auch an der Wiedereingliederung der Betroffenen gearbeitet werden
       müsse. Für Janßen ist die Situation inakzeptabel: „Wenn wir den Mehraufwand
       in der Wohngeldstelle seit 2016 einberechnen, haben wir in Bremerhaven
       zurzeit eine Lücke von über fünf Stellen.“
       
       Dass die Anlaufstelle in Bremerhaven nun geschlossen wurde, um angestaute
       Anträge abarbeiten zu können, sei klug, findet Sybille Böschen (SPD).
       Danach müsse aber etwas passieren: „Wir brauchen mehr Personal in
       bürgernahen Bereichen der Verwaltung.“ Sülmez Dogan (Grüne) mahnte an, dass
       schlechte Verwaltung zu einem Verlust des Vertrauens in den Staat führe –
       und damit zu Politikverdrossenheit. Darin stimmt ihr Magnus Buhlert (FDP)
       zu. Er habe sogar Sorge, dass die Menschen beginnen, an der Demokratie zu
       zweifeln. „Bürger haben Rechte und der Staat muss funktionieren, um diese
       zu garantieren“, sagte er.
       
       In Bremen habe man bisher versucht, den hohen Wartezeiten mit verschiedenen
       Maßnahmen zu begegnen, berichtet Robert Bücking (Grüne). Stellen wurden
       aufgestockt, Mitarbeitende des Finanzressorts halfen zeitweise aus und die
       Arbeitsstruktur wurde verändert.
       
       Die Schließung der Wohngeldstelle in Bremerhaven ist im Rahmen der
       kommunalen Selbstverwaltung rechtens. Dort können zurzeit nur schriftlich
       Anträge auf Wohngeld gestellt werden. Auf etwaig fehlende Dokumente macht
       die Antragsteller*innen aber niemand aufmerksam. Das könne im Zweifel einen
       Verlust des Wohngeldes für den Monat September nach sich ziehen, beklagt
       Sülmez Dogan. Wann Ansprechpartner*innen wieder zur Verfügung stehen, ist
       unklar. Aktuell ist die Wiedereröffnung für Anfang Oktober geplant.
       
       26 Sep 2018
       
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