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       # taz.de -- Missbrauchsvorwürfe gegen Kavanaugh: „Ich bin sicher, dass er es war“
       
       > Die Republikaner heuerten für die Befragung von Blasey Ford eine
       > Staatsanwältin an. Die interessierte sich mehr für die Wahltaktik der
       > Demokraten.
       
   IMG Bild: Christine Blasey Ford beim Schwur vor dem US-Senat die Wahrheit zu sagen
       
       New York taz | Das Schlimmste, an das sich [1][Christine Blasey Ford] von
       jenem Abend im Sommer 1982 in einer wohlhabenden Washingtoner Vorstadt
       erinnert, ist das schallende Lachen der beiden jungen Männer, von denen
       einer versuchte, sie zu vergewaltigen, während der andere zuschaute:
       „Dieser Spaß, den sie auf meine Kosten hatten“. Die 51-Jährige zittert,
       spricht aber mit ruhiger Stimme. In dem kleinen Saal, in dem der
       Justizausschuss des US-Senats tagt, könnte man eine Stecknadel fallen
       hören. Über die Gesichter mehrerer Frauen im Publikum laufen Tränen.
       Millionen Menschen im Land sehen live im TV zu.
       
       Die Psychologieprofessorin aus Kalifornien ist widerstrebend nach
       Washington gekommen. Sie hat keine Erfahrung mit Politik oder mit Medien,
       aber sie ahnte, dass ihr eigenes Leben und das ihrer Familie, nie wieder so
       sein würde wie zuvor. Sie kam, weil es ihre „Bürgerpflicht“ sei. Blasey
       Ford wirft Brett Kavanaugh vor, dass er versucht habe, sie zu
       vergewaltigen, als sie 15 Jahre alt war. Es war das traumatischste Ereignis
       ihrer Jugend. „Ich bin 100 Prozent sicher, dass er es war,“ sagt sie. Sie
       ist eine von drei Frauen, die Kavanaugh sexuelle Übergriffe vorwerfen.
       Donald Trump will [2][Kavanaugh zum Obersten Richter machen.]
       
       Die Sitzung begann um 10 Uhr mit Blasey Ford und endete kurz vor 19 Uhr,
       nach einem mehrstündigen Auftritt von Kavanaugh, der alles bestritt. Es ist
       die neueste und bislang dramatischste Wende in dem aufsehenerregenden
       Verfahren zur Besetzung des freien Postens am Obersten Gericht. Das erste
       Mal in der Geschichte des Justizausschusses übertragen die gewählten
       Senatoren einer Partei ihre Arbeit jemand anderem. Anstatt die Zeugin
       selbst zu befragen, haben die elf weißen Männer von der Republikanischen
       Partei, die die Mehrheit des Justizausschuss stellen, Rachel Mitchell
       angeheuert.
       
       ## Blasey Ford gewinnt die Aufmerksamkeit
       
       Mitchell ist eine Staatsanwältin aus Arizona und auf Sexualverbrechen
       spezialisiert. Doch nur ein Teil ihrer Fragen zielt darauf ab, die
       mutmaßliche Tat zu rekonstruieren. Sie will herausfinden, warum Blasey Ford
       erst so spät an die Öffentlichkeit gegangen ist, wer ihr nahegelegt hat,
       sich einen Rechtsbeistand zu suchen, wer ihren Lügentest bezahlt hat, und
       wer sie davon überzeugt hat, nach Washington zu kommen. Dahinter steckt die
       Absicht, die DemokratInnen wegen ihrer Verzögerungstaktik bei der Besetzung
       des Richterpostens zu diffamieren.
       
       Der Wechsel zwischen demokratischen SenatorInnen, die ihre Fragen an Blasey
       Ford selbst stellen, und den republikanischen Senatoren, die ihre jeweils
       fünf Minuten an Mitchell abtreten, sorgt für ein absurdes Theater im Senat.
       Die DemokratInnen danken Blasey Ford, dass sie den Mut aufgebracht hat, zu
       kommen. Und nennen ihren Auftritt einen „öffentlichen Dienst für das Land“.
       
       Blasey Ford hat die volle Aufmerksamkeit im Saal. Sie zittert vor
       Aufregung, als sie ihr Eingangsstatement vorliest, und muss mehrfach
       innehalten. Seit sie vor zwei Wochen ihren Vorwurf in der Washington Post
       öffentlich gemacht hat, erhält sie Mordrohungen. Sie und ihre Familie
       mussten Sicherheitspersonal anheuern und sind bereits zwei Mal umgezogen.
       
       Einmal bitte sie um „Koffein“, ein andermal um eine Pause. Aber sie scheint
       die einzige Person im Raum zu sein, die ohne politische Absichten gekommen
       ist. Sie spricht über ihren posttraumatischen Stress, der ihr Studium und
       ihre Beziehungen zu Männern erschwert hat. Über die Ängste, die sie ihr
       Leben lang verfolgen. Die DemokratInnen würdigen ihre privaten und
       akademischen Erfolge und machen klar, dass diese Zeugin persönlich keinen
       Vorteil davon hat, dass sie nach Washington gekommen ist.
       
       ## Republikaner lehnen FBI-Untersuchung ab
       
       Selbst als Blasey Ford über ihre vielen Erinnerungslücken spricht und ihr
       vorgehalten wird, dass niemand ihre Tatbeschreibung bestätigt, wirkt sie
       authentisch. Sie weiß zum Beispiel nicht, wo sich das Haus befindet, in dem
       das mutmaßliche Verbrechen geschah, wie sie dahin und wieder zurück nach
       Hause kam. Mehrfach wiederholt sie vor dem Ausschuss, dass sie eine
       FBI-Ermittlung möchte. Bei der nicht nur sie und Kavanaugh, sondern auch
       Kavanaughs Freund Mark Judge, der mit im Raum gewesen sein soll, und andere
       Personen aussagen. Bislang hat Judge, der wohl ein Alkoholproblem hat, nur
       schriftlich mitgeteilt, dass er sich nicht an die Sache erinnern könne.
       
       Präsident Trump ist der einzige, der eine solche FBI-Untersuchung in
       Auftrag geben könnte. Und sowohl er, als auch die Republikaner im Ausschuss
       lehnen das vehement ab. Sie argumentieren, Kavanaugh sei in seiner
       Richterkarriere und zuletzt im Zuge der Nominierung bereits sechs Mal vom
       FBI überprüft worden.
       
       Kavanaugh kommt am frühen Nachmittag in den Saal – erst nachdem Blasey Ford
       gegangen ist. Er bebt vor Wut. Zu Beginn seiner Anhörung hält er eine
       45-minütige Rede, in der er jede Tatbeteiligung dementiert, jede weitere
       Untersuchung ablehnt und immer wieder die DemokratInnen angreift, weil sie
       die späte Veröffentlichung von Blasey Fords Vorwürfen benutzen, um seine
       Benennung zu verzögern.
       
       Seine Attacken sind durchsetzt von Wehklagen darüber, dass sein „komplettes
       Leben zerstört“ sei. Gemeint sind seine Reputation, seine Familie und seine
       Möglichkeit, in Zukunft an Universitäten zu lehren und Sportteams zu
       coachen. Stellenweise wird Kavanaugh laut, seine Nase zuckt nervös, er
       bläht mit der Zunge die Wange auf und schnieft immer wieder. Seine Frau
       Ashley sitzt hinter ihm und kämpft ihrerseits mit den Tränen.
       
       ## Ganz nach Trumps Geschmack
       
       Der Richter und seine Frau sind schon ein paar Tage zuvor im rechten
       Fernsehsender Fox-News gegen Blasey Ford und andere Frauen, die ihm
       sexuelle Übergriffe während des Jurastudiums an der Eliteuniversität Yale
       vorwerfen, aufgetreten. Auf Fox-News beschrieb Kavanaugh sich als einen
       Chorknaben: „Ich war der beste Schüler meiner Klasse, machte Sport, hatte
       Freunde und Freundinnen und ging in die Kirche.“ Er fügte hinzu, dass er
       während seiner Schulzeit und noch Jahre danach eine „Jungfrau“ geblieben
       sei. Als eine Journalistin seine Frau fragte, ob sie eine neue
       FBI-Ermittlung befürworte, fiel Kavanaugh ihr ins Worte und sagte: „Nein“.
       
       Bei der Anhörung am Donnerstag unterbricht Kavanaugh die DemokratInnen und
       beantwortet ihre Fragen nach seinem Alkoholkonsum mit wütenden Gegenfragen
       nach ihrem Alkoholkonsum. Dabei entsteht ein Bild von einem Mann, der
       zumindest als Jugendlicher viel gesoffen und gefeiert hat. Und seine
       Einträge ins Jahrbuch seines jesuitischen Gymnasiums zeigen, dass er mit
       seinem Alkoholkonsum und mit seinen angeblichen Frauengeschichten prahlte.
       
       Kavanaugh legt einen Auftritt ganz nach dem Geschmack des Präsidenten hin.
       [3][Wenige Minuten nach dem Ende der langen Sitzung tweetete Trump:] „Er
       hat Amerika genau gezeigt, warum ich ihn nominiert habe“. Ein paar Stunden
       später kündigte der Justizausschuss an, dass er schon am Freitagmorgen
       zusammenkommen will, um über Kavanaughs Bestätigung abzustimmen.
       
       28 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anhoerung-nach-Missbrauchsvorwuerfen/!5539070
   DIR [2] /Vorwuerfe-gegen-US-Richterkandidat/!5538867
   DIR [3] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/1045444544068812800
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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