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       # taz.de -- Bauhaus lädt Feine Sahne Fischfilet aus: Zutiefst geschichtsvergessen
       
       > Einst schickten die Nazis die Bauhaus-Gründer ins Exil oder ins KZ. Wenn
       > die Stiftung dem Druck der Rechten nachgibt, verleugnet sie ihr Erbe.
       
   IMG Bild: Als Lagerinsasse im KZ Buchenwald musste Bauhaus-Mitarbeiter Franz Ehrlich die Aufschrift „Jedem das Seine“ gestalten
       
       Im kommenden Jahr steht die Jubelstunde an. Das Bauhaus wurde 1919
       gegründet, vor dann also genau hundert Jahren. „Das große Jubiläum wird
       2019 in bester Bauhaus-Tradition gefeiert: experimentell, vielgestaltig,
       transnational und radikal zeitgemäß“, heißt es dazu in der offiziellen
       Ankündigung. Beinahe jede einschlägige kulturpolitische Institution in
       Deutschland mischt mit, von der Kulturstiftung des Bundes bis hin zur
       Stiftung Bauhaus Dessau, die das unmittelbare Erbe des Bauhauses verwaltet.
       
       Die Frage ist nun aber schon, welche Tradition da jetzt so groß gefeiert
       werden soll.
       
       Die durch Angst vor rechtsradikalen Aufmärschen begründete [1][Absage des
       Konzerts der Band Feine Sahne Fischfilet], die in der weltberühmten Aula
       des Bauhaus-Gebäudes in Dessau auftreten sollte, ist ein Politikum. Ähnlich
       wie im Fall des Obelisken in Kassel, bei dem nach AfD-Protesten
       („entstellende Kunst“) bereits die Bagger angerückt waren, bevor er nun
       doch wieder aufgebaut wird, geht es um prinzipielle kulturpolitische Fragen
       in Zeiten, in denen durch die Neue Rechte und die AfD das Feld der Kultur
       genutzt wird, um Aufmerksamkeit zu generieren, nach Anerkennung zu streben
       und um gesellschaftliche Hegemonie zu kämpfen.
       
       Indem sie einknickt, macht sich die Stiftung Bauhaus Dessau – ob sie will
       oder nicht – zur Partei in diesen kulturellen Kämpfen. Und sie unterschätzt
       die symbolische Strahlkraft des Falls. In ihrem Statement zur Konzertabsage
       zitiert sie eine Presseerklärung des Bauhauses aus dem Jahr 1920: „Zu den
       wiederholten Beschuldigungen einer radikal-politischen Parteinahme im
       Bauhaus haben die Leitung und der Meisterrat schon mehrfach mit der
       Erklärung Stellung genommen, dass jede politische Tätigkeit im Bauhaus von
       jeher untersagt war.“
       
       Vornehm formuliert: Sie behaupten, mit der Absage in bester
       Bauhaus-Tradition zu stehen. Direkter gesagt: Sie wähnen sich auf einem
       angeblich neutralen Feld von Kunst und Kultur, wollen sich aus allem
       raushalten – und schmeißen deshalb bei rechtem Druck lieber gleich die
       Linken raus.
       
       Jenseits der Frage, wie viel politischer Einfluss seitens der
       sächsisch-anhaltinischen Landesregierung da im Hintergrund wirksam war, ist
       diese Verwendung dieses Zitats zutiefst geschichtsvergessen. Nach 1920 ist
       beim Bauhaus schließlich einiges passiert. Erst wurde es aus Weimar nach
       Dessau vertrieben, dann wurde die Bauhaus-Schule dort von den Nazis
       zugemacht. Die Vertreter des Bauhauses wurden ins Exil getrieben oder kamen
       ins KZ.
       
       Nun muss man nicht gleich die „Machtergreifung“ an die Wand malen. Die
       gegenwärtigen Zeiten sind nicht die 30er Jahre des vergangenen
       Jahrhunderts. Aber die richtigen Schlüsse aus der Vergangenheit ziehen
       sollte man schon. Dass man gegenüber rechten Gruppierungen, die sich im
       Besitz einer einheitlichen deutsch-nationalen Kultur wähnen und alles, was
       ihnen nicht in den Kram passt, als „degeneriert“ oder „entartet“
       diskreditieren, Haltung zeigen muss, gehört zu diesen Schlüssen.
       
       Aber es geht nicht nur um Geschichtsvergessenheit. In Dessau zeigt sich
       auch, was für ein kulturpolitisches Desaster es anrichtet, rechts und links
       als Extreme gleichzusetzen und eine Mitte zu behaupten, die sich in
       Äquidistanz zu beidem befindet. Stichwort: Hufeisen. Aber die Kultur der
       Neuen Rechten basiert im Kern auf Ausgrenzung. Ihr entgegenzutreten ist
       nicht (nur) eine Sache von Linkssein, sondern auch von kulturellem
       Liberalismus, schließlich steht die Kunstfreiheit auf dem Spiel und mit ihr
       alle weltoffenen, emanzipativen Lebensentwürfe.
       
       Und es wäre übrigens auch eine Aufgabe des wohlverstandenen Konservatismus
       als Bewahrung der guten deutschen Traditionen, die es schließlich auch gibt
       und zu denen die Aufklärung und die kulturelle Öffnung für internationale
       Einflüsse gehören. In diesen Rahmen ist auch das Bauhaus gestellt. Wer
       dessen Erbe so verwaltet, wie es jetzt ausgerechnet die Stiftung Bauhaus
       Dessau getan hat, spricht ihm Hohn.
       
       20 Oct 2018
       
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