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       # taz.de -- Straßburger Urteil zum Blutwerte-Streit: Pechstein erzielt Teilerfolg
       
       > Der EGMR hält die Sportgerichtsbarkeit nicht für unfair. Die
       > Eisschnelläuferin Claudia Pechstein bekommt nur in der Nebenfrage
       > Schadensersatz.
       
   IMG Bild: Claudia Pechsteins Chancen auf Schadensersatz in Millionenhöhe werden immer geringer
       
       Straßburg taz | Die deutsche Eisschnelläuferin [1][Claudia Pechstein] hat
       beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nur einen
       Teilerfolg erzielt. Sie erhält Schadensersatz, weil der Sportgerichtshof
       CAS über ihren Fall in nicht-öffentlicher Verhandlung entschied. Allerdings
       wies der EGMR ihren grundsätzlichen Einwand zurück, dass der CAS kein
       unabhängiges Gericht sei.
       
       Pechstein war 2009 vor der Weltmeisterschaft für zwei Jahre gesperrt
       worden. Grund waren ungewöhnliche Blutwerte, die für den
       Eisschnellauf-Verband ISU auf Doping hindeuteten. Pechstein bestritt,
       gedopt zu haben und legte Rechtsmittel ein. Doch der Sportgerichtshof CAS
       in Lausanne bestätigte die Sperre. Anschließend billigte das Schweizer
       Bundesgericht das CAS-Urteil. Einige Monate später legte Pechsein ein
       Gutachten vor, das die seltsamen Blutwerte mit einer von ihrem Vater
       ererbten Blutanomalie erklärte. Seitdem versucht Pechstein, die ISU wegen
       entgangener Sponsorenverträge auf Schadensersatz in Millionenhöhe zu
       verklagen.
       
       Beim EGMR in Straßburg hatte Pechstein gegen die Schweiz Beschwerde
       eingelegt, weil das dortige Bundesgericht das Urteil des
       Sportschiedsgerichts akzeptiert hatte. Pechstein wirft dem CAS vor, nicht
       unabhängig und unparteiisch zu sein, da die Sportverbände bei der Benennung
       der CAS-Schiedsrichter ein Übergewicht hätten.
       
       Diesen Vorwurf wies der EGMR nun zurück. Auf der Liste der
       CAS-Schiedsrichter stünden fast 300 Namen, aus denen sich Pechstein und der
       Verband je einen Schiedsrichter aussuchen konnten. Dieses System habe sich
       für Schiedsgerichte bewährt. Pechstein habe nur Bedenken gegen den später
       bestimmten Vorsitzenden des drei-köpfigen Schiedspanels erhoben. Diese
       seien aber „unsubstantiiert“, also zu vage, gewesen. Der EGMR konnte daher
       keinen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren erkennen.
       
       ## Pechsteins Chancen vor dem BVerfG verschlechtert
       
       Pechstein soll aber 8.000 Euro Schadensersatz bekommen, weil der CAS ihren
       Antrag, in einer öffentlichen Sitzung zu entscheiden, abgelehnt hatte. Die
       Doping-Vorwürfe gegen Pechstein hätten aber, so der EGMR, eine Verhandlung
       im Lichte der Öffentlichkeit erfordert.
       
       Die Entscheidung fiel mit fünf zu zwei Richterstimmen in einer
       siebenköpfigen Kammer des EGMR. Hiergegen können Pechstein und die Schweiz
       noch Rechtsmittel einlegen. Die 17-köpfige Große Kammer kann sich mit dem
       Fall beschäftigen, wenn sie ihm grundsätzliche Bedeutung zumisst.
       
       Auch in Deutschland führt Pechstein noch Prozesse. Bisher geht es
       allerdings noch um die Vorfrage, ob Pechstein ihre Schadensersatzklage
       gegen den Eisschnellauf-Verband überhaupt vor deutschen Gerichten erheben
       darf. Denn Pechstein hatte (wie alle Eisschnellläufer) eine
       Athletenvereinbarung unterzeichnet, nach der Streitigkeiten abschließend
       vor dem CAS zu klären sind. Das Oberlandesgericht München hatte darin 2015
       einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung des Verbands erkannt. Der
       Bundesgerichtshof hob die Münchener Entscheidung 2016 wieder auf. Die ISU
       habe ihr Monopol nicht missbraucht, die CAS-Schiedsgerichte seien
       „hinreichend neutral und unabhängig“.
       
       Hiergegen hat Pechstein Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt, über
       die aber voraussichtlich erst nächstes Jahr entschieden wird. Dass der EGMR
       das CAS-System nicht beanstandet hat, hat Pechsteins Chancen vor dem
       Bundesverfassungsgericht nun aber deutlich verschlechtert. Die Aussichten
       auf einen Erfolg ihrer Millionen-Klage gegen die ISU werden immer geringer.
       
       2 Oct 2018
       
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