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       # taz.de -- 5 Thesen zur Wählerwanderung in Bayern: Blaue Augen und graue Haare
       
       > Hat die CSU denn nun gewonnen oder verloren? Setzt mit den Grünen endlich
       > der Kulturwandel ein? Fünf Thesen zum Wahlausgang.
       
   IMG Bild: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
       
       These 1: Die CSU ist mit einem blauen Auge davongekommen – muss aber
       aufpassen, dass ihr nicht zu viele graue Haare wachsen 
       
       Mit 37 Prozent führt an der [1][CSU in Bayern] kein Weg vorbei. Nicht nur
       im deutschen, sondern auch im europäischen Kontext gehört sie zu den
       verbliebenen Volksparteien. Die PiS in Warschau etwa führt Polen mit einem
       Stimmenanteil von ebenfalls 37 Prozent auf den Weg in die autoritäre
       Demokratie.
       
       Die CSU hat gut 10 Prozent verloren, insbesondere Stimmen an Freie Wähler.
       47 Prozent der über 60-Jährigen wählten die CSU, der beste Wert in dieser
       Altersklasse. Doch seit der letzten Landtagswahl sind ihr 240.000
       WählerInnen weggestorben. Die CSU konnte aber als Besitzstandswahrungs- und
       Ämterversorgungspartei immerhin 200.000 NichtwählerInnen mobilisieren. Das
       hielt die Verluste in Grenzen, was Ministerpräsident Söders Überleben
       vorerst sichert.
       
       CSU-Chef Seehofer wird wohl für sich in Anspruch nehmen, [2][die AfD mit
       10,2 Prozent] relativ klein gehalten zu haben: Bei der Bundestagswahl vor
       einem Jahr holte die Partei noch 12,4 Prozent. Die CSU kann also munter
       damit weitermachen, sich selbst zu zerschießen.
       
       These 2: Die Grünen sind die neue Opposition in Bayern – dürfen aber nicht
       zu staatstragend werden 
       
       [3][Die Grünen gewinnen] insbesondere von der SPD, etwas weniger von der
       CSU sowie bei den NichtwählerInnen. Es handelt sich also vor allem um
       Verschiebungen innerhalb des „linken“ Lagers. Die Gewinne bei der CSU,
       insbesondere die sechs grünen Direktmandate – fünf in München, eines in
       Würzburg – sind aber starke Zeichen für einen Kulturwandel.
       
       Bei WählerInnen unter 30 liegen die Grünen mit 24 Prozent nur noch 2
       Prozentpunkte hinter der CSU. Da liegt Potenzial, wenn die Partei
       rebellisch (wie beim Nein zu Olympia 2013) und jung bleibt, also nicht
       zuletzt Karrierechancen bietet.
       
       These 3: Freie Wähler (FW), AfD und FDP kämpfen um die enttäuschte bis
       radikalisierte Mitte 
       
       Bei fast identischem Wahlergebnis ähneln sich FW und AfD auch bei der recht
       ausgeglichenen Attraktivität für alle Altersklassen sowie bei der
       Verteilung nach Bildungsgrad. Allerdings wählen mehr Frauen die FW als die
       AfD, und die FW-WählerInnen sind zufriedener mit der Arbeit der bisherigen
       CSU-Alleinregierung.
       
       Interessant: Die FW gewannen von der CSU, deutlich weniger von SPD und
       NichtwählerInnen, sind aber gleichzeitig 60.000 WählerInnen an die AfD
       losgeworden – und wurden trotz dieses Verlustes an Protestpotenzial
       drittstärkste Kraft. Sie haben sich also [4][in der Mitte stabilisiert].
       
       Die FDP hat von der Krise der Volksparteien profitiert und ersetzt in
       höchstpreisigen, gebildeten Milieus wie in München-Schwabing die FW und die
       AfD, die hier unterdurchschnittlich abschneiden.
       
       These 4: SPD und CSU sind sich ähnlicher, als man denkt 
       
       Bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2017 gewann die SPD 36,9 Prozent,
       2016 in Rheinland-Pfalz 36,2 Prozent. Die WählerInnen trauen der SPD also
       grundsätzlich zu, ein Flächenland zu regieren. In Bayern hat die SPD aber
       nur wenige Posten und Einfluss zu verteilen, sie hat den Anschluss an die
       Jungen und die großstädtischen Milieus verloren. Noch am besten schneidet
       sie bei den über 60-jährigen ab.
       
       Der Zulauf zur AfD speist sich allerdings weniger aus ehemals
       sozialdemokratischen WählerInnen (6 Prozent), im Vergleich zu 27 Prozent
       von der CSU, 28 Prozent von den NichtwählerInnen und immerhin 33 Prozent
       von anderen Parteien. Die SPD ähnelt in ihren Verlusten bemerkenswert der
       CSU – mit dem Unterschied, dass sie nicht die CSU ist. Das alte Problem der
       „königlich bayerischen“ Sozialdemokratie.
       
       These 5: Die Linke ist die SPD (und ein bisschen die CSU) in klein 
       
       Bei der Bundestagswahl 2017 holte die Linke in Bayern noch 6,1 Prozent, nun
       [5][scheitert sie deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde]. Die Linkspartei wird
       überdurchschnittlich von Jüngeren in Städten angekreuzt sowie regional in
       einstigen SPD-Hochburgen. Sie profitiert davon aber nicht ausreichend und
       wirkt im Vergleich zu den Grünen langweilig.
       
       Ähnlich wie bei der SPD scheint sich der gut bezahlte Apparat selbst genug
       zu sein. Dazu kam das Theater um Aufstehen oder Sitzenbleiben – die
       Flohzirkusvariante des Kasperletheaters zwischen Seehofer und Söder.
       
       15 Oct 2018
       
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