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       # taz.de -- Die Wahrheit: Um Lordes willen
       
       > Neues aus Neuseeland: Ein offener Brief an eine Sängerin aus Down Under
       > kann vor einem israelischen Gericht kostspielige Folgen haben.
       
       Dass wir in Aotearoa international eigentlich ganz vorne stehen, betone ich
       immer wieder gerne. Das bringt der Komplex mit sich, in einem kleinen Land
       am untersten Rand der Landkartenwelt zu leben, das gerne vergessen oder
       verniedlicht wird. Wir haben nicht nur als erste das Wahlrecht für Frauen
       eingeführt und Jacinda Ardern als weltjüngste Premierministerin samt Baby.
       Seit letzter Woche sind wir auch die führenden Popkonzert-Verhinderer der
       Welt. Oder Verbrecher, laut Israel.
       
       Der Fall, der gerade Schlagzeilen von der Jerusalem Post bis zum Guardian
       machte, aber in Deutschland bisher nur Musikfans beschäftigte, begann im
       letzten Jahr. Popstar Lorde – so etwas wie die Madonna von Down Under für
       Leute, die seit den 80ern keine Charts mehr verfolgt haben – sollte am 5.
       Juni dieses Jahres groß in Tel Aviv auftreten. Ihr Song „Royals“ ist ein
       Welthit.
       
       Wie andere Stars wurde die Grammy-Gewinnerin dafür von der aggressiven
       propalästinensischen Lobbygruppe BDS angegangen, die den Boykott von
       Künstlern in und aus Israel fordert, oft mit antisemitischem Unterton.
       Kiwi-Girl Lorde, die eigentlich Ella Yelich-O’Connor heißt, knickte
       schließlich ein, als auf der Medienseite The Spinoff ein offener Brief an
       die Sängerin von zwei Neuseeländerinnen erschien – die eine jüdisch, die
       andere palästinensisch. Sie appellierten an Lorde, nicht in Israel
       aufzutreten.
       
       Das wirkte. Sie sagte schließlich ab. Israelische Fans waren enttäuscht.
       Der israelische Botschafter in Neuseeland lud Lorde daraufhin zum klärenden
       Gespräch ein. „Musik sollte vereinigen, nicht trennen“, sagte er. Die
       22-Jährige blieb bei ihrem Boykott. Roger Waters von Pink Floyd, selber
       BDS-Aktivist, lobte sie dafür bei seinem Konzert in Auckland. Howard Stern,
       der amerikanische Radiomoderator, nannte sie dagegen „shithead“.
       
       Ein Jahr später hat die politische Haltung plötzlich ein juristisches
       Nachspiel. Nicht für Lorde, sondern für Justine Sachs und Nadia Abu-Shanab,
       die den offenen Brief an das Onlinemagazin geschrieben hatten. Ein Gericht
       in Israel entschied letzte Woche, erstmals ein umstrittenes Gesetz von 2011
       anzuwenden, das solche Boykottaufrufe unter Strafe stellt, und die beiden
       Briefeschreiberinnen zur Kasse zu bitten – weil angeblich drei israelischen
       Teenagern, die Karten für Lordes Konzert gekauft hätten, Schaden entstanden
       sei. Der wurde auf rund 10.000 Euro beziffert.
       
       Sachs erfuhr erst durch Medienanfragen davon, dass der israelische Staat an
       ihr Konto will. „Ich glaube, sie werden geschockt sein, was sie da finden“,
       sagt sie. „Ich bin Studentin.“
       
       Es wird wohl nur bei der Drohung bleiben. Nach neuseeländischem Recht ist
       den Protestlerinnen nichts vorzuwerfen. Selbst BDS-Gegner David Cumin vom
       Israel-Institut Neuseelands und Dozent an der Universität Auckland ist
       gegen die Strafe: „Hate-Speech-Gesetze funktionieren nicht und verstoßen
       gegen das Recht auf freie Rede.“ Lorde schweigt noch. Oder singt.
       
       18 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anke Richter
       
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