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       # taz.de -- Demo gegen Ostkreuz-Bebauungsplan: Rummel um die Bucht
       
       > Mit einer großen Demo wird am Donnerstag gegen den Bebauungsplan Ostkreuz
       > protestiert. Anwohner fürchten steigende Mieten und Verdrängung.
       
   IMG Bild: Ein Rest Idylle an der Rummelsburger Bucht
       
       Menschen sitzen in der Abendsonne am Wasser, trinken Bier und reden, im
       Hintergrund ertönt Livemusik aus dem Biergarten. Selbst gebaute Hausflöße
       schunkeln auf dem Wasser – Szenen wie diese sind am Paul-und-Paula-Ufer an
       der Rummelsburger Bucht auch im sommerlichen Herbst zu beobachten.
       
       Auf der über 30.000 Quadratmeter großen noch unentwickelten Fläche nahe dem
       Ostkreuz hat sich viel von dem rauen, alternativen Charme Berlins bewahrt.
       
       Doch statt Wagenplatz, Kanuverleih und Kulturstätte sollen hier bald ein
       Aquarium, ein Hotel und hochpreisige Luxuswohnungen stehen. So sieht es
       zumindest der „Bebauungsplan Ostkreuz“ vor, den die
       Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg am Donnerstag beschließen
       soll.
       
       Kurz vor dem endgültigen Beschluss durch die BVV formiert sich jedoch
       Widerstand gegen den Bebauungsplan. Anwohner*innen und Vertreter*innen der
       Alternativ- und Subkultur kritisieren, die Neugestaltung des Geländes würde
       vor allem die Interessen der Investor*innen berücksichtigen, nicht die der
       Bürger*innen. Mit einer Demonstration am heutigen Donnerstag wollen sie
       Druck auf die Politik aufbauen, um den Plan noch zu kippen.
       
       ## Jährlich eine Million Besucher
       
       Mit dem Aquarium „Coral World“ soll ein Touristenmagnet entstehen, der
       jährlich eine halbe Million Besucher*innen anlocken soll. Ein Großteil der
       Fläche geht an private Investoren, die vor allem luxuriöse
       Eigentumswohnungen und Büroflächen planen. Geschätzt werden 500 neue
       Wohnungen entstehen, von denen aber nur 170 durch die landeseigene
       Wohnungsbaugesellschaft Howoge gebaut werden.
       
       Beteiligt ist dafür unter anderem der für seine rabiaten
       Entmietungspraktiken bekannte Berliner Immobilienunternehmer Gijora
       Padovicz, dem bereits die drei bestehenden Wohnhäuser in der Hauptstraße
       1G–I gehören. Im Zuge der Neugestaltung sind auch der Abriss dieser Gebäude
       und Neubau an deren Stelle geplant, die Mieter sollen umgesiedelt werden.
       
       Florian Hackenberger, Mitorganisator der Demo, kritisiert: „Hier wird
       bestehender Wohnraum vernichtet und hochpreisiger geschaffen.“ Pikant ist,
       dass es sich bei dem 32.000 Quadratmeter großen Gelände um ein
       landeseigenes Grundstück handelt, das in einer der letzten
       Haushaltssitzungen des damals noch schwarz-roten Senats an die Investoren
       für einen Kaufpreis von insgesamt 20 Millionen Euro verkauft worden ist.
       „Ein lächerlicher Preis, gemessen an dem, was heute für Bauland ausgegeben
       wird“, so Hackenberger. Er ist selbst Anwohner und sieht die Entwicklung
       mit Sorge. Denn die Fläche sei einer der letzten naturnahen Räume, die an
       der Rummelsburger Bucht verblieben seien: „Hier gibt es sonst kaum noch
       Freiräume.“
       
       ## Auch Alternativkultur bedroht
       
       In den vergangenen Jahren sind rund um das Gewässer vor allem höherpreisige
       Eigentums- und Mietwohnungen entstanden. Die geplante Bebauung würde einen
       „Lückenschluss“ darstellen, der eine weitere Aufwertung der umliegenden
       Wohnquartiere nach sich ziehen würde.
       
       „Ein Eventtempel wie die Coral World setzt in der Gegend ein fatales
       Zeichen“, meint auch der stadtpolitische Kulturwissenschaftler Iver Ohm. Er
       fürchtet nicht nur die Schließung des Biergartens „Rummelsbucht“, einer
       beliebten Kulturstätte, sondern sieht mittelfristig auch Clubs wie die
       „Wilde Renate“ oder das „About Blank“ bedroht. „Wenn das so umgesetzt
       wird“, fürchtet Ohm, „ist der Drops für alles drum herum in den nächsten
       fünf bis zehn Jahren gelutscht.“
       
       Bedroht fühlen sich auch die Hausbootbesitzer*innen, die auf der
       Rummelsbucht einen Freiraum für alternative Lebensformen gefunden haben,
       darunter die schwimmende Wagenburg „Lummerland“ und die Kulturflöße
       „Panther Ray“ und „Anarche“. „Eine der letzten Oasen für alternatives Leben
       auf dem Wasser geht hier verloren“, fürchtet Gustav Schneider von der
       stadtpolitischen Initiative Spreepublik. Schon jetzt seien Liegeplätze kaum
       bezahlbar, zudem werde durch die Privatisierung der Uferflächen der Zugang
       zum Wasser weiter erschwert.
       
       ## Schulplätze fehlen
       
       Doch Kritik kommt nicht nur aus der alternativen Szene. Claudia Engelmann,
       Vorsitzende des Bezirkselternausschusses der Schulen in Lichtenberg,
       beklagt, dass der Bebauungsplan keinen Schulneubau vorsieht, obwohl dem
       Bezirk derzeit 3.263 Schulplätze fehlen. Die örtliche Schule an der
       Victoriastadt sei derzeit schon voll ausgelastet, für die kommenden Jahre
       sei mit einer Überbelegung von bis zu 70 Prozent zu rechnen. „Es ist ein
       Trauerspiel, wie mit der Zukunft unserer Kinder umgegangen wird“, so
       Engelmann, Mutter zweier Kinder.
       
       Bei den Entwicklungen rund um die Rummelsburger Bucht seien in der
       Vergangenheit nicht genügend Schul- und Kitaplätze geschaffen worden, um
       der wachsenden Einwohnerzahl gerecht zu werden. Die BVV hat sich mit der
       Bezirksverwaltung geeinigt, dem Bebauungsplan erst zuzustimmen, wenn ein
       Konzept für die Schulplatzfrage vorliegt.
       
       Geprüft wird derzeit unter anderem der Neubau einer Schule und einer Kita
       in der Hauptstraße 8/9, fraglich ist, ob das ausreichen wird. „Auch nach
       der Vollendung der in den nächsten fünf Jahren geplanten Baumaßnahmen
       werden voraussichtlich immer noch mehr als 2.000 Schulplätze fehlen“, so
       Engelmann, die auch für die Linksfraktion in der BVV sitzt.
       
       Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) begrüßt die Kritik und das Interesse
       der Bürger*innen am Bebauungsplan Ostkreuz. Doch müsse man „bestimmte
       Punkte dann diskutieren, wenn sie an der Tagesordnung sind“. Nach über 16
       Jahren sei die Planungsphase beinahe abgeschlossen und entspreche den
       Vorgaben, die der Senat Anfang der 90er Jahre für die Entwicklung des
       Gebietes festgelegt hat.
       
       Würde die BVV nicht zustimmen, „müssten alle Beteiligungsstufen wieder von
       vorne verlaufen“, so Monteiro. Das hätte wieder jahrelangen Stillstand zur
       Folge. „Viele Anwohnerinnen sind mit der derzeitigen Situation unzufrieden
       und wollen, dass da endlich was passiert.“
       
       17 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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