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       # taz.de -- Kommentar deutsch-israelische Beziehung: Machtkampf unter Freunden
       
       > Netanjahu und Merkel haben viele Streitpunkte. Doch sie kennen sich zu
       > lange, um zu glauben, dass sie sich gegenseitig umstimmen könnten.
       
   IMG Bild: Ein bisschen Symbolik für die Freundschaft: Merkel kriegt die Ehrendoktorwürde der Uni Haifa
       
       Angela Merkel und Benjamin Netanjahu sind keine engen Freunde. „Wir sind
       uns einig, dass wir uns nicht einig sind“, resümierte einst die Kanzlerin
       Konsultationen der beiden Regierungen. Sehr viel anders dürfte die
       Quintessenz der Gespräche vom Donnerstag nicht aussehen.
       
       Deutschland liegt an guten Beziehungen, man kooperiert eng, vor allem in
       den Bereichen Wirtschaft und Wissenschaft, und Israel ist eben der
       Judenstaat. Mit dem will Merkel es sich nicht verderben. Israel und
       Deutschland sind „Partner und Freunde“, hielt sie im Vorfeld ihrer Reise
       deshalb noch einmal fest.
       
       Auch umgekehrt liegt Israel viel an guten Beziehungen zum starken Staat in
       Europa. Und zu der mächtigen Frau an seiner Spitze. Solange Merkel im Amt
       bleibt, wird Berlin keinen Staat Palästina anerkennen und sich auch auf
       internationaler Bühne mit allzu scharfer Kritik gegen die Siedlungspolitik
       oder Menschenrechtsverletzungen zurückhalten.
       
       Solange Merkel Kanzlerin bleibt, wird aber auch die Botschaft nicht nach
       Jerusalem umziehen. Und solange Netanjahu im Amt ist, wird sich die
       Siedlungspolitik nicht ändern. Die beiden alten Politikhasen kennen sich
       viel zu lange, um Illusionen zu hegen, dass der eine oder die andere doch
       noch umzustimmen ist in der Iranfrage oder der Zweistaatenlösung. Auf
       staatlicher Ebene müssen sie ganz kleine Schritte gehen, wie beim letzten
       Mal, als man sich über die gegenseitige Anerkennung der Fahrerlaubnisse
       einigte.
       
       Ein kleines Dorf, kaum zehn Kilometer östlich von Jerusalem, bedroht
       aktuell die so angestrengt freundlichen Beziehungen. 30 Familien leben in
       Khan al-Ahmar in provisorischen Behausungen mit ihren Schafen, Ziegen und
       Kamelen. Israel will die Beduinen umsiedeln in die Kleinstadt Abu Dis, um
       Platz zu schaffen für Siedler. Bei der Räumung von Khan al-Ahmar geht es
       nicht nur um das Schicksal der Menschen, für die die Zwangsumsiedlung
       wirtschaftliche und soziale Not bedeutet. Das Dorf liegt an einem
       strategisch wichtigen Punkt. Neue Siedlungen an der Hauptverbindungsstraße
       nach Jerusalem würde den Süden des palästinensischen Gebietes abschneiden
       und damit eine Zweistaatenlösung endgültig zur Utopie werden lassen.
       
       Der internationale Druck auf Netanjahu, das Dorf nicht zu räumen, ist so
       groß wie der Druck auf Merkel, Einfluss auf Netanjahu zu nehmen. Seit sechs
       Jahren hält der Protest der westlichen Regierungen Israel davon ab, eine
       neue Siedlung in dem umstrittenen Gebiet zu bauen. An der Zukunft von Khan
       al-Ahmar wird sich zeigen, wie schwer das Wort der Kanzlerin in Jerusalem
       wiegt, und wer der zwei „Freunde“ den Machtkampf gewinnt.
       
       4 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
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