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       # taz.de -- Red Bulls „Music Academy“: Weißwaschung durch hippe Musik
       
       > Der Getränkehersteller fördert die Electronikmusikszene mit einer
       > „Music-Academy“. Über die rechten Äußerungen vom Chef spricht da niemand.
       
   IMG Bild: Die Förderung für elektronische Musik stimmt
       
       Wenn Unternehmen früher langweilig waren, haben sie Sportler gesponsert,
       heute machen sie branded content: Sie schaffen vom Produkt unabhängige
       Inhalte und binden damit auf subtile Weise Zielgruppen an sich. Manchmal
       gründen Großkonzerne auch eigene Medien und Akademien und erzeugen damit
       Öffentlichkeit, die dann längst keine echte mehr ist, weil sie nur Kunden
       und Nichtkunden kennt.
       
       So wie die Red Bull Music Academy, die heute ein Förderer von
       elektronischer Nischenmusik ist. Der „kulturelle Arm“ des österreichischen
       Getränkekonzerns Red Bull wurde 1998 gegründet. Jedes Jahr lädt er seither
       Newcomer aus aller Welt in eine Stadt, um sie an hippen Locations mit
       Workshops und Studiozeit zu präsentieren. Momentan gastiert die RB-Music
       Academy in Berlin im Funkhaus Nalepastraße. Zur Einstimmung gab es eine
       Warm-up-Party, an der exklusive Gäste eine Choreografie des Staunens
       darüber darbieten sollen, was Geld alles kann.
       
       Es kann Menschen dazu bringen, in angestrengter Cocktailpartylaune Mangold
       auf Bambusschalen zu verspeisen, dabei mit den Köpfen zu belanglos
       herumholzender Musik zu nicken und auch die intelligentesten unter ihnen
       vergessen machen, dass sie im Dienst einer Getränke-Dose feiern. Deren
       Inhalt [1][ist eine Säure aus der Ochsengalle], die mehr Zucker enthält als
       Coca-Cola. Aber: Wenn der Staat lieber Start-ups fördert statt musikalische
       Talente, warum sollten dann nicht Unternehmen einschreiten, solange sie
       sich einer Ethik verpflichten. Also alles kein Problem?
       
       Im Fall von Red Bull ist es jedoch eines, spätestens seitdem der
       unternehmenseigene Sender Servus TV regelmäßig Rechtspopulisten zu
       Diskussionen einlädt und der CEO Dietrich Mateschitz in einem Interview mit
       der Kleinen Zeitung in Graz mit rechtspopulistischen Aussagen über die
       Flüchtlingspolitik in Erscheinung getreten ist.
       
       ## Eine klare Haltung
       
       Die meisten Flüchtlinge, die in den letzten Jahren nach Europa gekommen
       seien, hätten den Namen nicht verdient – und alle, die „Wir schaffen das“
       gerufen hätten, seien scheinheilig und hätten nie ihre Gästezimmer
       hergegeben, sagte er damals. Seit einem Jahr geistern seine Aussagen durch
       alle Medien. Doch bei RBMA wird geschwiegen – dasselbe gilt für die
       beteiligten KünstlerInnen. Fast alle der von der taz für ein Interview
       Angefragten wollten sich nicht äußern. Nach dem Motto: Ich beiße doch nicht
       die Hand, die mich füttert.
       
       Immerhin, der Berliner DJ und Labelmacher Daniel Haaksmann hat eine klare
       Haltung. „Viele trauen sich nicht, den Mund aufzumachen, weil so viele
       Bereiche von Red Bull tangiert werden.“ Seine Künstlerkollegen hätten
       Sorge, bei Meinungsäußerungen ihren Ruf und die Jobs von RB-Mitarbeitern zu
       riskieren. Bis heute vermisse er ein Statement zu den ausländerfeindlichen
       Aussagen – gerade jetzt, wo eine Positionierung angesichts eines massiven
       Rechtsrucks unabdingbar sei.
       
       Auf taz-Anfrage hat die Red Bull Music Academy ein Statement geschickt.
       „Ich kann nicht für den Gründer sprechen, aber über das, was wir tun: Red
       Bull unterstützt mit seinem Musikprogramm seit 20 Jahren KünstlerInnen
       jeglicher Herkunft, Identität, Religion und Kultur. […]. Das, was Red Bull
       im Bereich Musik macht, und die Werte, die vertreten werden, sprechen für
       sich“, sagt Gründer Many Ameri, der zuvor eine Kommunikationsagentur
       geleitet hat.
       
       PR-Kompetenz ist hier nicht nötig, um zu verstehen, dass die Academy nicht
       rechts ist und ihnen ihre Arbeit unbenommen bleibt. Zudem publiziert ihr
       Magazin und ihr Radio Corporate-Publishing-Beiträge, die den
       musikjournalistischen Diskurs mitgeprägt haben. Die Berliner
       Multimediakünstlerin und Musikerin Danielle de Picciotto bereut es dennoch,
       dem Radio 2017 ein Interview gegeben zu haben. Zu dem Zeitpunkt wusste sie
       noch nichts von den ausländerfeindlichen Bemerkungen von Mateschitz.
       
       ## Mehr als Rechtspopulismus
       
       Mulmig war ihr dennoch zumute. „Es ärgert mich, dass eine Firma mit rechtem
       Hintergrund versucht, sich mit meiner Geschichte Integrität zu erkaufen.“
       Dass so viele KollegInnen mitmachen würden, als AutorInnen und
       PerfomerInnen, liege an der guten Bezahlung.“ Ich kenne einige, die mit Red
       Bull kollaborieren, weil es für wenig Aufwand viel Geld gibt.
       
       Perfide findet de Picciotto, dass „Firmen wie Red Bull die prekären
       Lebensbedingungen unter MusikerInnen ausnützten.“ Eine Wahl habe man aber
       immer. Darin sind sich Haaksmann wie de Picciotto einig. Sich nicht
       durchfüttern zu lassen, verlange aber auch eine „Radikalität“. Die
       politische Haltung würde aber „ignoriert, solange es möglich ist“.
       
       Und die Haltung geht ja über Rechtspopulismus hinaus. So bedient Mateschitz
       im besagten Interview nicht nur den Lügenpresse-Diskurs: Niemand traue sich
       mehr, „die Wahrheit zu sagen“. Eine „Meinungsdiktatur“ mache aus
       Österreichern „unmündige und verängstigte Staatsbürger“. Nein, er zeigt
       sich auch als eiserner Neoliberaler, dem der sozialdarwinistische
       Individualismus heilig ist. Denn durch jene mediale „Entmündigung“ werde
       ihnen das „ureigenste aller Menschenrechte abgesprochen, das auf
       Eigenverantwortung“.
       
       Man muss nur einen Blick in die Empfangshalle des Funkhauses Nalepastraße
       werfen, dort prangt ein Marmorschild mit dem Slogan „Actions, Positivity,
       Opportunity, Self-Awareness“. Kennworte einer Kultur, in der
       Mitarbeitersolidarität durch Ich-Unternehmertum ersetzt ist. Und ein
       Beispiel, wie im Musikbusiness lieber Einzelne statt Communitys gefördert
       werden.
       
       Die Abschöpfung von kulturellem Kapital führt nicht zu Vielfalt, sondern
       zur EinzelkämpferInnen-Mentalität in einer Kultur, die kollektiv sein
       müsste. So viele Talente RB auch fördert, schafft es auch Partisanen einer
       Welt, die den Blick auf den eigenen Kontext verlieren. So funktioniert
       Gentrifizierung. Was nun? Ein Boykott wäre fast scheinheilig, sind wir im
       Zeitalter des kapitalistischen Feedbackloops ja selbst Teil diverser Übel.
       Eine offene Diskussion wäre ein Anfang.
       
       5 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
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