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       # taz.de -- Starke Frauen gegen das Patriarchat: Der Kontext entscheidet, wer verliert
       
       > Brett Kavanaugh in den USA, Sigi Maurer in Österreich – verkrustete
       > Strukturen gibt es immer noch, trotz einem Jahr #MeToo-Debatte.
       
   IMG Bild: Still, aber stark. Proteste nach der Bennenung Kavanaughs
       
       Donald Trump fand deutliche Worte: „Im Namen unserer Nation möchte ich mich
       bei Brett und der Familie Kavanaugh für den schlimmen Schmerz und das Leid
       entschuldigen, das ihr durchmachen musstet.“ Mit diesen Worten hat der
       US-Präsident am Montagabend [1][Brett Kavanaugh als Richter am US-Supreme
       Court vereidigt]. Jenen Mann, dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe
       vorgeworfen hatten und der dennoch am vergangenen Wochenende mit knapper
       Mehrheit als Richter bestätigt worden war.
       
       Über den Schmerz und das Leid, das Christin Blasey Ford durchgemacht hat,
       verlor Donald Trump kein Wort. Dafür wiederholte er noch einmal, die
       Anschuldigungen gegen Kavanaugh seien eine erlogene politisch motivierte
       Kampagne gewesen. Die Psychologie-Professorin Blasey Ford hatte ihre
       [2][Vorwürfe gegen Kavanaugh öffentlich] gemacht und wurde wie er im Senat
       angehört. Viele glaubten ihr. Trotzdem ist Kavanaugh jetzt Richter am
       Obersten Gerichtshof und Blasey Ford gebrandmarkt. Sie erhält so viele
       Morddrohungen, dass sie untertauchen musste und nicht nach Hause
       zurückkehren kann.
       
       Gleichzeitig in Österreich. Sigi Maurer, eine ehemalige grüne Politikerin,
       war angeklagt wegen übler Nachrede und Kreditschädigung. Ihr Vergehen: Sie
       hatte herabwürdigende und anzügliche Nachrichten veröffentlicht, die ihr
       vom Facebook-Konto eines Bierladenbesitzers geschickt worden waren. „Hallo,
       du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast auf meinen
       Schwanz geguckt, als wolltest du ihn essen“, heißt es darin. Der Wirt sagte
       aus, er wisse nicht, wer die Nachrichten von seinem Computer verschickt
       habe. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung laut österreichischer
       Medien, er sei überzeugt, dass der Kläger lüge. Trotzdem wurde Maurer
       verurteilt. 3.000 Euro Strafe und 4.000 Euro Entschädigung an den Wirt.
       
       Das Schema ist in beiden Fällen einfach: Männer kehren das
       Täter-Opfer-Verhältnis um. Trump, ein Meister dieses Fachs, der sich bei
       Kavanaugh „für das Leid“ entschuldigt. Der Wirt, der Maurer der üblen
       Nachrede bezichtigt. Maurer und Blasey Ford sind zwei selbstbewusste
       Frauen, die ihre Positionen glaubhaft vertreten und dadurch viele von ihrer
       Version der Geschichte überzeugt haben. Und trotzdem stehen sie am Ende als
       Verliererinnen da.
       
       ## Weiter kämpfen ist die einzige Möglichkeit
       
       Die Sensibilisierung für sexuelle Belästigung die #MeToo ausgelöst hat,
       scheint bei keinem der Männer angekommen zu sein. Oder – noch schlimmer –
       die neuen Regeln scheinen für sie nicht zu gelten. Kavanaugh kann oberster
       Richter werden, weil über ihm Männer stehen, denen die #MeToo-Debatte egal
       ist. Denn obwohl Blasey Ford von vielen Seiten für ihren gefassten Auftritt
       gelobt wurde: Am Ende war es egal, wer recht hat. Ihre Vorwürfe wurden
       angesehen, aber für nicht wichtig genug befunden. Sie können wahr sein oder
       nicht – für seine Karriere spielt das keine Rolle.
       
       Sigi Maurers Verurteilung zeigt ebenfalls, woran es [3][ein Jahr nach dem
       Beginn der #MeToo-Debatte] noch fehlt: an juristischen Möglichkeiten, gegen
       sexuelle Belästigung vorzugehen. Die Nachrichten, die sie erhielt, waren
       nicht justiziabel. Um ein Urteil gegen den Ladenbesitzer zu erwirken, hätte
       Maurer beweisen müssen, dass die abwertenden Nachrichten wirklich von ihm
       stammen. Das konnte sie nicht bis ins letzte Detail. Am Ende des Prozesses
       stand deshalb sie als Täterin.
       
       Maurer hat Berufung gegen das Urteil angekündigt. Auf Twitter schrieb sie:
       „Bis nach Straßburg, wenn es sein muss.“
       
       Diesen Kampfesgeist braucht es auch, trotz einem Jahr hitziger
       #MeToo-Debatte. Denn das Schlimmste, was der Bewegung passieren kann, ist,
       dass alle den Frauen zuhören, verständnisvoll nicken und dann weitermachen
       wie zuvor.
       
       10 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Spelsberg
       
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