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       # taz.de -- Experte über Tagung der Weltbank: „Falsches Entwicklungsmodell“
       
       > Die Weltbank tagt und schreibt Fatales über die Zukunft der Arbeit,
       > kritisiert Knud Vöcking von Urgewald. Immerhin: Sie steigt aus
       > Kohleinvestments aus.
       
   IMG Bild: Hohes Sicherheitsaufgebot für die Jahrestagung von Weltbank und IWF im indonesischen Bali
       
       taz: Herr Vöcking, was steht bei der Weltbank-Tagung ab Freitag auf dem
       Programm? 
       
       Knud Vöcking: Die Vereinbarung der 189 Mitglieder zur Kapitalerhöhung der
       Weltbank wird unterzeichnet. Damit steigen etwa die Mittel, die die
       Weltbank pro Jahr an Projektpartner aus dem öffentlichen Sektor vergeben
       kann, von 60 Milliarden auf 100 Milliarden Dollar. Das potenziert Probleme
       und hat negative Auswirkungen.
       
       Wäre es besser, die Weltbank würde weniger tun? 
       
       Die Weltbank sollte nicht weniger tun, sondern das, was sie macht,
       vernünftig machen. Die Menschen brauchen keine Infrastrukturprojekte wie
       Staudämme oder makroökonomische Interventionen wie eine Reform des Steuer-
       oder Sozialsystems, um fremde Investoren anzulocken – das aber unterstützt
       die Weltbank. Ihr Entwicklungsmodell ist auf falschen Voraussetzungen
       aufgebaut. Es folgt der Idee, Länder zu immer mehr Exporten zu bringen,
       statt Industrien aufzubauen, die für den eigenen Markt produzieren.
       
       Was muss sich ändern? 
       
       Die Weltbank muss ihr Modell ändern, hin zu kooperativen, kleinteiligen
       Entwicklungsprogrammen. Außerdem müssen die Kontrollen und
       Rechenschaftsmechanismen schärfer werden, damit die Manager der Weltbank
       Fehler auch korrigieren. Und vor allem muss die Weltbank Menschen- und
       Umweltrechte stärker beachten.
       
       Die [1][Weltbank will grüner werden]. Wie? 
       
       Neben dem Bereich für öffentliche Projekte hat die Weltbank mit der
       International Finance Corporation (IFC) eine eigene Institution für private
       Investitionen. Ein Drittel der gesamten Mittel der Weltbank Gruppe werden
       derzeit an private Investoren vergeben. Nichtregierungsorganisationen
       fordern seit langem, dass sich die Weltbank aus Investitionen im
       Kohlebereich zurückzieht. Jetzt wird sich die Weltbank im Bereich der
       privaten Finanzierung aus diesen Investments zurückziehen. Das ist ein
       Erfolg, auch wenn dieser erste Schritt nicht reicht und der grundsätzliche
       Ausstieg aus Kohleprojekten nötig ist. Man kann zwar noch keine Zahlen
       nennen oder sagen, wie lange es dauern wird. Aber die Weichen sind richtig
       gestellt. Das ist ein Türöffner.
       
       Wieso? 
       
       Die Gesamtstrategie der Weltbank geht dahin, für Entwicklungsprojekte
       private Gelder anzuwerben. Zu jedem Dollar von der Weltbank kommen drei bis
       zehn Dollar an privater Finanzierung.
       
       Verändert die Weltbank ihre Strategie, auf Privatisierung, Deregulierung
       und Abbau von Sozialprogrammen zu setzen? 
       
       Nein. Der neue Weltentwicklungsbericht der Weltbank für 2019 befasst sich
       mit der Zukunft der Arbeit. Dieser Bericht ist eine Art Handbuch der
       Deregulierung, ein Rezeptbuch dafür, wie man ein Land investorenfreundlich
       macht. Die Logik: Wenn es Arbeitsplätze geben soll, dann ohne
       Gewerkschaften und ohne Rechte für Beschäftigte. Gleichzeitig sollen
       Plattformen wie Uber stark gemacht werden. Das ist als Anregung für
       Entwicklungsländer gedacht, richtet sich aber an alle. Der Report wird auch
       Auswirkungen auf das deutsche und das europäische Arbeitsrechtsklima haben.
       Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich deshalb in einem Schreiben an die
       Weltbank und das deutsche Entwicklungshilfeministerium darüber beschwert.
       
       Zu der Tagung von Weltbank und IWF sind hunderte von
       Nichtregierungsorganisationen (NGO) akkreditiert. Welche Rolle haben sie? 
       
       Das kommt auf die jeweilige NGO an. Es gibt auch NGOs, die von der Weltbank
       Geld bekommen, um Projekte durchzuführen. Diese NGOs haben eine andere
       Rolle als die, die sich als Kritiker verstehen. Sie versuchen, in den
       Dialog mit Regierungsvertretern und Managern zu kommen. In den öffentlichen
       Foren stellen wir unsere Untersuchungsergebnisse und Forderungen vor.
       
       Sind die NGOs ein Feigenblatt? 
       
       Klar, die Teilnahme kritischer NGOs hat auch einen beruhigenden Charakter.
       Ob sie ein Feigenblatt sind, hängt davon ab, ob sich ihre Vertreter durch
       freundliche Worte und gemeinsames Kaffee trinken einlullen lassen oder
       freundlich im Ton, aber hart in der Sache bleiben. Proteste sind wichtig,
       aber Dialog ist auch wichtig.
       
       Gibt es in Bali Proteste? 
       
       Es gibt einen Alternativgipfel, den indonesische und NGOs aus der Region
       organisieren. Die Polizei wollte die Veranstaltung aus Brandschutzgründen
       verbieten. Nachdem sich auch Vertreter der Weltbank für den Gipfel
       eingesetzt haben, sieht es so aus, als könnte er stattfinden. Es gibt auch
       Proteste, aber die dringen nicht bis an den Tagungsort durch. Dazu ist das
       Netz an Sicherheitskräften zu eng.
       
       China macht zwar bei der Weltbank mit, hat [2][aber mit der AIIB eine
       weitere Entwicklungsbank] und damit Konkurrenz auf den Weg gebracht. Haben
       Umwelt- und Sozialstandards dort mehr Gewicht? 
       
       Nein. Die AIIB ist ein Instrument, das China dazu dient, eine bessere
       internationale Position zu bekommen. Sie hat schlechte Umwelt- und
       Sozialstandards, betreibt keine vernünftige Informationspolitik, es gibt
       kein Verfahren für Beschwerden. Das ist keine Gegengewicht.
       
       Angesichts der [3][Politik von US-Präsident Donald Trump]: Haben sich die
       Institutionen Weltbank und die Schwesterorganisation IWF bewährt, auch wenn
       Reformen nötig sind? 
       
       Sie sind schon Gegengewicht zu denen, die den eigenen Kirchturm für den
       Nabel der Welt halten. Hier wird zur Kooperation gezwungen. Das hat auch
       Nachteile, denn man muss mit repressiven Regimen wie Saudi Arabien, China
       oder Indonesien zusammenarbeiten. Deshalb sind die Fortschritte langsam.
       Aber wie der SPD-Politiker Egon Bahr sagte: Wer redet, der schießt nicht.
       Das ist ganz wichtig.
       
       11 Oct 2018
       
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