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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Unbesiegbare Kriegsversehrte
       
       > Bei den Invictus Games treten versehrte Soldaten im Sport gegeneinander
       > an. Das ist nichts anderes als Kriegs-Fortsetzung mit anderen Mitteln.
       
   IMG Bild: Es wird viel Wind um die Invictus Games gemacht, unter anderem mit Meghan, Herzogin von Sussex
       
       Wofür die Invictus Games stehen? Lassen wir es doch die Bundeswehr selbst
       sagen: „Wille, Mut, Glaube, Stärke.“ „Invictus“ ist schließlich das
       lateinische Wort für „unbesiegt“. Und für wen gibt es das Spektakel, das
       gerade in Sydney stattfindet? „For our wounded warriors.“ Das klingt
       verdammt nach Ernst Jünger 2.0.
       
       Damit sich die Weltöffentlichkeit plötzlich für die Tapferkeit und die
       Fähigkeiten von im Krieg versehrten Soldaten interessiert, wird alles an PR
       aufgeboten, was dieses unwichtige Sportfest zum Megaevent macht: Welches
       Kleid trägt Herzogin Meghan? War dieser Heiratsantrag bei der Siegerehrung
       nicht herzergreifend? Und natürlich: [1][„Verteidigungsministerin Ursula
       von der Leyen (60) kuschelt bei den Invictus Games herzhaft mit
       Maskottchen ‚Cobber‘“ (Bild)].
       
       All das gibt’s bei den Paralympics nicht. Seit 2014 finden die Invictus
       Games statt. Doch derart zum Event hochgeblasen wie aktuell wurden sie noch
       nie. Grund genug für die FDP, sich ganz nationalliberal dieser Sache
       anzunehmen: Um „diesen Soldatinnen und Soldaten bestmöglich zu helfen“,
       [2][heißt es in einem Antrag, soll Deutschland demnächst die Spiele
       ausrichten].
       
       Die Frage, warum Kriegsversehrtenwettkämpfe „bestmögliche“ Hilfe für
       Menschen sind, die bei Kriegseinsätzen physisch oder psychisch zu Schaden
       kamen, stellt interessanterweise niemand. [3][Die Zeit zitiert einen
       Bundeswehrsporttherapeuten,] der sagt, man wolle „die Patienten zurück ins
       normale Leben führen“. Back to Kundus? Oder wo ist das normale Leben von
       Kriegssoldaten?
       
       Im Zivilleben jedenfalls nicht, denn auf die Idee, dass Kriegsversehrte,
       die ja jetzt auch gerne „Veteranen“ genannt werden, bei paralympischen
       Wettkämpfen im allgemeinen Behindertensport antreten sollten, kommt
       keiner.
       
       ## „Heldenmut der Unbesiegten“
       
       Es geht schließlich um die Mission. Wo die zuständige Ministerin von der
       Leyen nur „bewegend, motivierend, inspirierend“ flötet, drückt sich ein
       erfahrener Kriegsherr wie der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko
       etwas deutlicher aus: „Der ganzen Welt den Heldenmut der unbesiegten
       Ukrainer zu zeigen“, das sei der Sinn der Spiele.
       
       Daher treffen dort auch nicht versehrte Soldaten auf ihre Opfer, auf
       Zivilisten, die etwa Ziel eines Bombardements wurden. Was üblicherweise als
       Sinn des Sports verkauft wird, dass dabei sein alles sei, ist in kürzerer
       Zeit in Vergessenheit geraten, als ein Sprinter mit Prothesen über 100
       Meter braucht.
       
       Daher sind auch nur Sportler aus Nato- und mit diesem Militärpakt
       kooperierende Staaten vertreten und keine Athleten aus, wie man wohl sagt,
       feindlichen Ländern. Wo „invictus“, unbesiegt, draufsteht, geht es doch
       nicht um Opfer.
       
       Und an Menschen, die im Straßenverkehr verletzt wurden oder bei einem
       terroristischen Anschlag, wird selbstverständlich nicht gedacht. Ach, und
       an Menschen, die seit Geburt oder durch Krankheit körperliche
       Einschränkungen haben, schon gar nicht. Zivilistenpack, pah.
       
       Das Propagandagetöse, das Bild und Bundeswehr um ihre Versehrtenspiele
       machen, sagt viel über den aktuellen Zustand der Welt aus. Neu ist das
       nicht, der gesamte Behindertensport ist ohne den Ersten Weltkrieg nicht
       denkbar. Erst danach wurden massenhaft Krücken und Prothesen produziert,
       mit denen man auch Sport treiben konnte. Exakt einhundert Jahre nach dem
       Ende des Ersten Weltkriegs wird wieder das Weiterleben nach Stahlgewittern
       verklärt. Diesmal kommt die Fortsetzung des Krieges sehr neoliberal daher,
       als Challenge unserer Warriors.
       
       28 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/invictus-games-in-australien-von-der-leyen-kuschelt-auf-dem-sportplatz-58028248.bild.html
   DIR [2] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/045/1904535.pdf
   DIR [3] https://www.zeit.de/sport/2018-10/invictus-games-deutschland-antrag/komplettansicht
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Krauss
       
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