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       # taz.de -- Turn-Weltmeisterschaft in Katar: Bisher eine Turn-Wüste
       
       > Zum ersten Mal findet eine Turn-WM in der Golfregion statt. Dabei
       > interessiert sich in Katar kaum jemand dafür. Die Zuschauerränge bleiben
       > leer.
       
   IMG Bild: Die deutsche Turnerin Leah Grießer in Doha in Aktion – vor leeren Rängen
       
       Doha taz | In der größten Indoor-Sporthalle der Welt, dem Aspire Dome in
       Doha, streiten momentan die besten Turnerinnen und Turner um Titel und
       Plätze für die Qualifikation für [1][Olympia 2020]. Zugesehen haben ihnen
       bei der ersten Weltmeisterschaft im Nahen Osten bislang vor allem
       Mitstreiter, die gerade selbst keinen Wettkampf hatten. Katarer waren an
       den Qualifikationstagen nicht zu sehen, dafür aber etwas typisch
       Katarisches: ein stoisch wirkender Falke, der vom zugehörigen Falkner auf
       jeden willigen Unterarm gestellt wurde.
       
       Turnen hat in Katar keine Tradition. Eigentlich kein Wunder: Der katarische
       Turnverband wurde im Jahr 2000 gegründet, 2002 in den Weltverband (FIG)
       aufgenommen. Seit 2008 organisiert man in Doha einen Weltcup und der
       katarische Verbandspräsident Ali Al Hitmi ist seit zwei Jahren Mitglied der
       FIG-Exekutive.
       
       Für das Turnen selbst holte man vor zehn Jahren Trainer aus Rumänien. „Ich
       mag es hier, das Leben ist gut in Katar“, sagt Razvan Selariu, olympischer
       Bronzemedaillengewinner von 2004. Für die Titelkämpfe 2018 gab es [2][mit
       dem Wüstenstaat nur einen Bewerber]. Es ist, zwei Jahre vor den nächsten
       Olympischen Spielen, mit über 550 Teilnehmern die größte und somit auch die
       teuerste WM im olympische Zyklus.
       
       Katarische Teilnehmer gab es auch, drei an der Zahl. Für sie ist die WM
       allerdings nach der Qualifikationsrunde bereits beendet: Ahmed Al Dyani
       wurde 90., Ahmed Mosa 113. und damit Drittletzter im Mehrkampf. „Sie haben
       mir gesagt, dass sie ihre Emotionen nicht kontrollieren konnten“, sagt
       Selariu über seine Turner und auch, dass es beim nächsten Wettkampf besser
       werden soll.
       
       Fünf Turner habe er momentan, und zwar in der am besten ausgestatteten
       Halle, die er je in der Welt gesehen habe: „Die Bedingungen sind sehr
       perfekt“. Außerdem gebe es noch andere Vereine, der tolle Verband
       organisiere Veranstaltungen in Shoppingmalls, um Nachwuchs zu begeistern.
       „Manche kommen dann in die Halle und beginnen zu verstehen, was Turnen und
       Sport ist.“
       
       Selariu, der sich nach seinem kurzen Auftritt als Nationaltrainer jetzt um
       die Organisation der Trainingshallen für die Teams im Dome kümmert,
       versucht den Eltern zu erklären, was für ein tolles Gefühl es sei, bei
       Olympischen Spielen teilzunehmen. „Geld ist kein Problem, das ist ein
       reiches Land, das weiß jeder“, sagt er noch.
       
       Katar gilt als das reichste Land der Erde, wobei sich der Reichtum bei den
       rund zehn Prozent Katarern sammelt, nicht bei den 90 Prozent der Bewohner,
       die als gut bezahlte, meist westliche Expats oder arme Arbeitsmigranten
       hier leben. Im Trainingszentrum sei die Quote zwischen Expats und Katarern
       50:50, sagt Razvan. Ob der Verband die Staatsbürgerschaft für gute Turner
       aus anderen Nationen vergebe, darauf darf er nicht antworten.
       
       ## Beliebt als Sport ist Falkenjagd
       
       Im Fall von Jana Elkeky hat er es getan. Sie war die einzige Starterin für
       Katar bei dieser WM, allerdings nur an drei Geräten. Am Boden wurde sie
       191., also Letzte, an den anderen Geräten lief es ein wenig besser. „Ich
       habe das Meiste nicht gezeigt, weil ich verletzt bin“, sagt die 17-Jährige.
       „Ich bin aus Ägypten“, lacht sie verlegen auf die Frage nach ihrer
       Herkunft. Dort hat sie mit dem Turnen begonnen. Als ihre Eltern der Arbeit
       wegen nach Katar gezogen sind, blieb sie ihrem Sport treu. Auf die Frage,
       wie viele Mädchen denn zusammen mit ihr in der Halle trainieren, sekundiert
       die hinter ihr stehende Trainerin: „30“, sagt sie.
       
       Camelia Mindricel-Selariu ist die Frau von Razvan und für das Frauenturnen
       in Katar verantwortlich. „Katars Fortschritte im Turnen sind sehr
       beeindruckend“, sagt sie. Auf die Frage, ob es schwer sein, in einem streng
       muslimischen Land weiblichen Nachwuchs zu finden, weicht sie ein wenig aus:
       Es brauche mehr Motivation und Antrieb, bei Eltern und Lehrern, und die
       Regierung könnte auch aktiver sein. „Aber es bewegt sich sehr viel!“ Katar
       könne eine Topnation werden, im Turnen und auch in anderen Sportarten, die
       Bedingungen seien schließlich perfekt. Woran es offenbar fehlt, rutscht ihr
       in einem Nebensatz raus: „Die Menschen hier müssen verstehen, was Sport
       ist.“
       
       Sport ist hier eher die Falkenjagd. Am Wochenende nach der
       Weltmeisterschaft zum Beispiel gibt es den Al-Habbal-Wettbewerb, an dem in
       diesem Jahr Katarer und Expats teilnehmen dürfen, die zwischen 10 und 15
       Jahre alt sind. Deren Falken jagen laut Qatar Tribune gerade ankommende
       Zugvögel. Es gibt zehn Teams, der Sieger gewinnt 20.000 Katar-Riyal, rund
       5.000 Euro – und es werden viele Zuschauer erwartet.
       
       30 Oct 2018
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sandra Schmidt
       
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