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       # taz.de -- Bedrohtes Vorkaufsrecht: Stück für Stück am Bezirk vorbei
       
       > Spekulanten wollen sich in Neukölln um das Vorkaufsrecht des Bezirks
       > mogeln. Der versucht, diesen Präzedenzfall zu verhindern.
       
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       Berlin taz | Gelingt es Immobilieninvestoren in Neukölln, per Trick das
       bezirkliche Vorkaufsrecht auszuhebeln? Diese Befürchtung haben die Bewohner
       eines Wohnhauses an der Schillerpromenade Ecke Allerstraße. Weil die
       Eigentümerin lediglich 25 Prozent des Hauses verkauft hat, tut sich der
       Bezirk schwer, einen Käufer zu finden, der anstelle der Spekulanten
       einspringt. Die Übernahme eines Viertels der Hausanteile ohne
       entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung ist wenig attraktiv.
       
       Dabei ist das Eckhaus mit 40 Mietparteien, einer Sprachschule und einer
       Polsterei wie gemacht dafür, vor dem Verkauf an Geschäftemacher geschützt
       zu werden: Noch ist die Mieterschaft gemischt, von der Rentnerin, die ihr
       Leben hier verbrachte bis zum jungen Studenten. Die Gentrifizierung des
       Schillerkiezes ist hier noch nicht durch alle Wände gedrungen. Marc
       Multhaupt, Sprecher der Hausgemeinschaft, spricht von der „Struktur, die
       erhalten bleiben muss“.
       
       Über viele Jahre ist die Eigentümerin „sehr sozial“ mit den Mietern
       umgegangen, wie Multhaupt sagt. „Wir hätten uns erhofft, dass sie vor einem
       Verkauf Kontakt mit uns aufgenommen hätte.“ Doch seit einiger Zeit sei nur
       noch ihr Anwalt in Erscheinung getreten. Im Sommer wechselte die
       Hausverwaltung, kurz danach wurden viele Mieten „im maximalen Rahmen
       erhöht“, teilweise sei versucht worden, „darüber hinauszugehen“. Die
       schlechten Nachrichten vom Hausverkauf überbrachte vor einigen Wochen der
       Bezirk.
       
       Über den Tisch von Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) wandern alle
       Verkäufe von Wohnhäusern in Milieuschutzgebieten. Ebenso wie sein
       Kreuzberger Amts- und Parteikollege Florian Schmidt ist er bemüht, den
       Käufern zuvorzukommen. Sechsmal hat Neukölln das Vorkaufsrecht ausgeübt, in
       20 Fällen wendeten die Käufer dies ab, indem sie einen Vertrag mit
       Sozialklauseln unterzeichneten.
       
       ## Vorkauf ist möglich
       
       Anwendbar ist das Vorkaufsrecht auch bei einem Teilverkauf. Die
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilt auf Anfrage mit: „Ein
       Vorkaufsfall tritt auch dann ein, wenn nicht das gesamte Grundstück,
       sondern nur ein Miteigentumsanteil an einen Dritten verkauft wird.“ Macht
       der Bezirk von seinem Recht keinen Gebrauch, ist er im weiteren Verlauf
       machtlos. Ein Verkauf der restlichen Anteile im Anschluss ist rechtlich
       „kein Verkauf an Dritte“.
       
       Biedermann ist fest entschlossen, den Teilverkauf nicht durchgehen zu
       lassen: „Wir prüfen die Ausübung des Vorkaufsrechts und sind auch auf die
       Ausübung vorbereitet“, sagt er. Doch eine Zusage, etwa einer
       Wohnungsbaugesellschaft, gibt es nicht. Biedermann hofft daher auf ein
       Signal vom Senat. „Ich gehe davon aus, dass es das Land Berlin nicht
       zulassen wird, dass man sich mit Tricks um die Einhaltung der
       Milieuschutzziele herummogeln kann.“
       
       Aus der zuständigen Senatsverwaltung von Senatorin Katrin Lompscher (Linke)
       heißt es, sie befürworte „auch beim Verkauf von Bruchteilseigentum die
       Ausübung eines Vorkaufsrechts“. Dies wäre ein Zeichen, dass Land und
       Bezirke „auch bei nicht ganz einfach gelagerten Sachverhalten nicht vor der
       Ausübung zurückschrecken, um auf diesem Weg die jeweilige Zusammensetzung
       der Wohnbevölkerung noch wirkungsvoller zu schützen“.
       
       Einen Kauf muss eine Wohnungsbaugesellschaft aus eigenen Mitteln stemmen,
       so eine Sprecherin der Finanzsenatsverwaltung. Zudem können die
       Gesellschaften Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden
       Stadt beantragen. Ein direkter Eingriff, um in diesem besonderen Fall, eine
       Wohnungsbaugesellschaft zum Kauf zu motivieren, sei aber nicht möglich.
       
       Bis zum 11.November muss ein neuer Käufer gefunden sein. Ansonsten
       übernehmen mehrere Anwälte zunächst die Minderheitenanteile am Haus. Zu
       ihnen gehört der Münchner Unternehmensberater Matthias Rumpelhardt. Der taz
       wollte er keine Fragen beantworten. Dass er einer der Käufer ist,
       dementierte er nicht.
       
       29 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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