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       # taz.de -- Jair Bolsonaro und die Deutsche Bank: Menschenrechte? Regenwald? Knete!
       
       > Brasiliens neuer Präsident strebt einen faschistischen Staat an. Zugleich
       > gilt er als Traummann der Märkte, weil die sich nur für Bilanzen
       > interessieren.
       
   IMG Bild: 13 Prozent von Brasilien ist als Land Indigener anerkannt. Deren Rechte will Bolsonaro beschneiden
       
       Angenommen, der neue Präsident Brasiliens wäre Jabba the Hutt. Also nicht
       [1][Jair Bolsonaro], jener rechtsextreme, Folter befürwortende und
       Faschisten bewundernde Ex-Militär, der sagt: „Ich bin homophob und sage das
       mit Stolz.“ Stattdessen hätte also ein froschähnliches Riesenreptil vom
       Planeten Tatooine die Stichwahl am Sonntag gewonnen.
       
       Was würden wohl die Märkte dazu sagen?
       
       Eigentlich ist das, was gerade in Brasilien passiert, zu tragisch für ein
       solch albernes Gedankenspiel. „Es wird eine in Brasilien niemals gesehene
       Säuberung geben“, kündigte Bolsonaro im Oktober an. Homosexuelle und
       Oppositionelle müssen um ihre Freiheit, vielleicht sogar um ihr Leben
       fürchten.
       
       Führen wir das Jabba-the-Hutt-Gedankenspiel trotzdem mal zu Ende.
       Schließlich gilt der rechtsradikale neue Präsident [2][als „Wunschkandidat
       der Märkte“, so schrieb zum Beispiel die Deutsche Bank.] Da stellt sich
       schon die Frage, ob man Märkte, die sich einen faschistischen Drecksack als
       Präsident wünschen, nicht mit einem Todesstern vom Orbit aus pulverisieren
       sollte.
       
       ## Wichtig ist die wirtschaftspolitische Agenda
       
       Einiges spricht dafür, dass the Hutt sowohl deutlich intelligenter als auch
       um einiges hässlicher als Bolsonaro ist. Aber Märkte orientieren sich nicht
       an derartigen Attributen. „Die Kapitalmärkte konzentrieren sich auf die
       wirtschaftspolitische Agenda seines Beraters Paulo Guedes“, erläutert die
       Deutsche Bank am Dienstag. Und weil sie zuvor für ihren
       Wunschkandidaten-Tweet auf Twitter gar sehr viel Anfeindungen einstecken
       musste, schiebt sie noch vorneweg, Bolsonaros „gesellschaftspolitischen
       Überzeugungen sind besorgniserregend“.
       
       Es ist davon auszugehen, dass Jabba the Hutt ebenso das Wohlwollen der
       Märkte erwecken würde, solange nur die wirtschaftspolitische Agenda seines
       Beraters stimmt. In dem Fall könnte auch eine sabbernde Kröte, ein
       sprechender Bernhardiner oder Jack the Ripper Präsident werden. Hauptsache,
       ein Typ wie Paulo Guedes kümmert sich um die fiskalische Bilanz.
       
       Guedes hat an der University of Chicago bei Milton Friedman studiert, einem
       der bekanntesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und Begründer des
       Monetarismus. Der besagt in Kürze, dass der Staat sich maximal aus der
       Wirtschaft herauszuhalten und lediglich für Preisstabilität zu sorgen habe.
       
       Nun ein kleiner Ausflug in die Ödnis ökonomischer Fakten:
       
       - Tatsächlich hat Brasilien große ökonomische Probleme. Die Wirtschaft ist
       ein korrupter Selbstbedienungsladen. Die Staatsschulden sind seit 2012 von
       62 auf 84 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen.
       
       - Die OECD meckert, das Land gebe sehr viel Geld für Renten und sein
       Sozialsystem aus. Die Banken sind überschuldet, und weil die US-Notenbank
       ihre Zinsen anhebt, kann man in den USA wieder mehr Rendite erwirtschaften,
       weshalb Investoren ihr Geld aus Ländern wie Brasilien eher abziehen.
       
       - 2015 und 2016 schrumpfte die Wirtschaft, in diesem Jahr wächst sie um 1
       Prozent, weniger als in Deutschland.
       
       - Der Internationale Währungsfonds – als Fackelträger der Idee, dass
       Märkten Menschenrechte und demokratische Grundwerte egal sein können –
       schrieb Anfang Oktober: „Im Falle von Brasilien: Jede Wahl bietet auch die
       Chance, ambitionierte Reformen anzugehen.“
       
       Darum geht es: 
       
       - Guedes will so viele Unternehmen wie möglich privatisieren, etwa in der
       öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasserversorger.
       
       - Außerdem verspricht er, die Ausgaben für Renten zusammenzustreichen.
       
       - Hinzu kommt, dass Bolsonaro die Rechte von Indigenen beschneiden will. 13
       Prozent des Staatsgebietes ist als Land Indigener anerkannt, meist
       Regenwald, der kaum abgeholzt wird. Dort sollen künftig Bergbaukonzerne ihr
       Unwesen treiben dürfen sowie Konzerne, die für den Export nach China und
       Europa mit Glyphosat gespritztes Gensoja anbauen. Dann wird bei uns das
       Tierfutter billiger und damit die Bratwurst der übernächsten Saison. Drum
       steigen gerade die Kurse von Bergbau- und Agrarunternehmen.
       
       In dieser eisigen Welt der Märkte ist es komplett egal, wer wie herrscht.
       Diese Erkenntnis ist beileibe nicht neu, schließlich ist die am schnellsten
       wachsende Volkswirtschaft der letzten Jahre China, eine
       Ein-Parteien-Diktatur. Märkte brauchen keine Demokratie, sie honorieren
       auch Faschisten. Es ist ein banales, mechanisches System.
       
       Die Kurse würden eben auch steigen, wenn ein neoliberaler Jabba the Hutt an
       die Macht käme. Einfach, weil alle wissen, wie die psychologischen Effekte
       der Märkte funktionieren: Wer gewisse Schlagworte in den Mund nimmt –
       Deregulierung, Rentenkürzung, garniert mit weniger Öko-Regulierung –,
       bekommt Vorschusslorbeeren. Ob ein Land langfristig ruiniert wird, wenn ein
       Präsident mit Unterdrückung droht, ist egal.
       
       ## Lässt sich das durchbrechen? Eigentlich schon.
       
       Ein Beispiel: Die EU ist ein großer Kunde brasilianischer Agrarprodukte.
       Egal, welcher Präsident dort herrscht: In Europas Ställen wird Gensoja und
       damit im Prinzip Regenwald verfüttert.
       
       Es wäre ein Leichtes, in der EU eine Pflicht einzuführen, dass auf jeder
       Wurstpackung stehen muss, woher das Futter kommt. „TIER GEFÜTTERT MIT
       GEN-SOJA AUS BRASILIEN“. Würden Sie in die Wurst beißen? Vermutlich nicht.
       Brasilien müsste ökologischer wirtschaften. Die Märkte würden negativ
       reagieren, wenn ein Präsident ökologische Standards senkt.
       
       Allerdings wird es solche Warnungen auf der Wurst nicht geben, wenn nicht
       Bilder entstehen, die auf das Problem aufmerksam machen.
       
       Vielleicht sollten Aktivist*innen als Nächstes nicht RWE blockieren,
       sondern sich am Hamburger Hafen an die Kräne ketten, wenn die genetisch
       veränderte Futtermittel ausladen.
       
       Kann sein, dass die Brasilianer solche Unterstützung nicht nur aus
       ökologischen Gründen brauchen. [3][„Ich fürchte um mein Leben“, sagte
       Dinamam Tuxá, Sprecherin der Vereinigung Brasiliens Indigener, in einem
       Interview mit Climate Home News im Hinblick auf die Wahl von Bolsonaro.]
       
       Die Märkte werden sie nicht schützen.
       
       30 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!t5504727/
   DIR [2] /!5543768/
   DIR [3] http://www.climatechangenews.com/2018/10/08/bolsonaro-made-grim-threats-amazon-people/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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