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       # taz.de -- Die Wahrheit: Invasion der Schleimbatzen
       
       > Myxomyceten sind hirnlos, aber gerissen: Ein einziger Schleimpilz bedeckt
       > wie ein rutschender Teppich bis zu zehn ganze Quadratmeter …
       
   IMG Bild: Lieber als fiesen Schleim erforscht der Mykologe lecker, lecker Trüffel.
       
       Pilze mag der Mensch, aber Schleimpilze? Die sind uns eher suspekt; ihre
       äußere Erscheinungsform befremdet. Und diese ist durchaus wechselhaft: Aus
       den Sporen entwickeln sich Amöben, die zu einer Zygote verschmelzen, aus
       der sich ein klumpiger Schleimbatz entwickelt. Im Grunde eine Entwicklung
       wie bei uns.
       
       Wenn die Schleimklumpen nur nicht überall herumkriechen würden. Dazu
       bedeckt ein einziger Schleimpilz wie ein rutschender Teppich bis zu zehn
       Quadratmeter! Kein Wunder, dass 1973 die Einwohner von Dallas panisch
       reagierten, als sie die Schleimpilzinvasion der Gelben Lohblüte in
       Vorgärten und an Laternenmasten entdeckten. Auch in Baden-Württemberg
       reagierte man 1994 unsouverän auf die Lohblüte und warf den gelben Schleim
       auf die Sondermülldeponie.
       
       Dabei sind Schleimpilze völlig harmlos und sogar nützlich, doch schon im
       Mittelalter wurden sie als „Drachendreck“ und „Hexenbutter“ verunglimpft.
       Heute wissen wir, dass der Schleimpilz gar kein Pilz ist, sondern ein
       kriechender Einzeller. So etwas mag der gärtnernde Mensch natürlich nicht.
       „Schleimpilz bekämpfen, was hilft bei Pilzen auf Rindenmulch, Rasen und
       Co?“, fragt gartendialog.de im Pilznetz. Die Antwort ist beruhigend: Der
       Schleimpilz ist unschädlich, frisst Bakterien und bewegt sich kriechend
       wieder fort. Man kann den unheimlichen Schleimbatz mit Haferflocken aus dem
       eigenen Garten locken und womöglich dem Nachbarn so eine Freude machen.
       
       ## Von höchst schleimiger Intelligenz
       
       Man kann den Schleimpilz auch im Wald aussetzen. Doch das wäre herzlos und
       womöglich würde der Halunke bald wieder im Garten auftauchen, denn unser
       Pilz ist ein „Superorganismus von schleimiger Intelligenz“ (Welt), der sich
       sogar in Labyrinthen wahnsinniger Wissenschaftler zurechtfindet. Physarum
       polycephalum, der Vielköpfige Schleimpilz, fand im Labyrinth-Versuch zügig
       den Weg zum Haferflocken-Köder. Wie er das ohne Gehirn hinbekommt, weiß
       niemand.
       
       Unser kleiner, hirnloser Schleimhaufen riecht zwar „ein bisschen nach
       eingeschlafenen Füßen“ (Welt), ist aber ein ausgeschlafener Geselle, der
       selbst Speisepilze aufspürt und sie anschließend verzehrt. Wenn ein
       Schleimpilzklumpen eine Nahrungsquelle gefunden hat, setzt er ganz
       selbstlos Stoffe frei, die seine Artgenossen anlocken, berichtet eine
       französische Forscherin. Da wird sogar das hochgelobte Netzwerk der Bäume
       blass.
       
       Das Gespür des Schleimklumpens für leckere Pilze machen sich mittlerweile
       auch Bauexperten zunutze: „Regelrecht Spaß macht die Jagd auf
       Schadensbereiche unsichtbarer holzzerstörender Pilze, wenn man die
       Schleimpilze als Jagdgehilfen versteht“, freut sich ein Holzfreund auf
       holzfragen.de.
       
       Nur ein Schatten fällt auf den beliebten Jagdgefährten: Im Labor fraß ein
       amerikanischer Schleimpilz seine japanischen Brüder einfach auf. Dafür
       sollte der schändliche Pilz gegrillt und verzehrt werden. Genau das tun die
       Mexikaner schon lange. Sie nennen den gegrillten Schleimpilz „Caca de
       luna“, Mondkacke. Guten Appetit!
       
       26 Oct 2018
       
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