# taz.de -- Bayer verkauft Glyphosat und Krebsmittel: Pestizid und Krebsmittel aus einer Hand
> Mit der Monsanto-Übernahme verkauft Bayer ein Pestizid, das wohl Krebs
> verursacht – und ein Medikament, das den Krebs stoppen soll.
IMG Bild: Dewayne Johnson ist am Non-Hodkin-Lymphom erkrankt, er hat regelmäßig mit Glyphosat gearbeitet
Der Chemiekonzern Bayer verdient an einem Pestizid, [1][das wahrscheinlich
Krebs verursacht] – und er verkauft ein teures Medikament, um diesen Krebs
zu heilen. Das Leverkusener Unternehmen macht also wohl erst Menschen krank
und heilt sie dann wieder – natürlich gegen Bezahlung.
Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Pestizid – und vor allem
umstritten, weil 2015 von der Krebsforschungsagentur der
Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft
worden ist. Da die zuständigen Fachbehörden der Europäischen Union das
Mittel jedoch für unbedenklich halten, haben die EU-Staaten Glyphosat Ende
2017 für weitere 5 Jahre zugelassen. Dennoch wird zum Beispiel in
Deutschland darüber diskutiert, dieses Unkrautvernichtungsmittel zu
verbieten. In den USA muss sich Bayer gegen rund [2][8700 Klagen] wegen
mutmaßlich durch Glyphosat verursachte Krebserkrankungen verteidigen.
Viele Kläger berufen sich auf das Gutachten der Krebsforschungsagentur,
wonach Glyphosat in mehreren Tierversuchen zu Krebs führte. Drei
Vergleichsstudien zwischen Personen mit und ohne Kontakt zu der Chemikalie
in Kanada, Schweden und den USA zeigen den Wissenschaftlern zufolge erhöhte
Risiken für das Non-Hodgkin-Lymphom, einem bösartigem Tumor im Lymphgewebe.
Daran ist auch der Kalifornier Dewayne Johnson erkrankt; Ärzte
prognostizieren, dass der 46-Jährige nur noch kurz leben wird. [3][Zu
Johnsons Erkrankung habe Glyphosat erheblich beigetragen], stellte im
August ein Gericht in San Francisco fest. Denn Johnson hatte als Platzwart
bis zu 30 Mal pro Jahr Pestizide mit dem Wirkstoff auf dem Gelände von
Schulen ausgebracht. Das Gericht verurteilte Bayers US-Tochter Monsanto
dazu, dem Mann Schadenersatz in Millionenhöhe zu zahlen. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig, da Bayer [4][Widerspruch eingelegt] hat.
## Gift und Gegengift
Johnsons Fall ist der erste Schadenersatzprozess in den USA wegen einer
mutmaßlich von Glyphosat verursachten Krebserkrankung. Aber er ist
keinesfalls der letzte. Tausende andere Kläger machen das Pestizid für ihr
Non-Hodgkin-Lymphom verantwortlich.
Vielleicht kann einigen ein Medikament aus dem Hause Bayer helfen: der
Wirkstoff Copanlisib, den die US-Gesundheitsbehörde FDA im September 2017
zugelassen hat. Das Präparat heißt im Handel „Aliqopa“. Es darf
[5][Patienten mit dem follikulären Lymphom] gegeben werden, das trotz
zweier anderer Therapien zurückgekehrt ist.
„Das follikuläre Lymphom ist ein Untertyp des Non-Hodgkin-Lymphoms, und die
Verbindung in der Literatur geht zum Non-Hodgkin-Lymphom“, schreibt der
Wissenschaftler Christopher Portier der taz, der die Krebsforschungsagentur
bei der Begutachtung von Glyphosat beraten hat. Auch einer der Autoren des
Gutachtens, der Mediziner Francesco Forastiere, bestätigte der taz: „Ja, es
ist die gleiche Krebsart.“ Ähnlich äußerte sich Professor Martin Dreyling,
Onkologe am Klinikum der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Dreyling
war nicht an dem Gutachten beteiligt.
Aliqopa lässt sich Bayer fürstlich bezahlen. Eine 60 Milligramm-Dosis wird
in den USA [6][für rund 4800 Dollar] angeboten. Diese Menge wird in der
Regel mehrmals im Monat verabreicht. Mit Glyphosat verdient Bayer
Millionen, aber genaue Zahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht.
## Monsanto entpuppt sich als schwere Bürde
„Auch ohne ein abseitiges Geschäftsmodell zu unterstellen, kommt hier das
ganze Dilemma des erweiterten Bayer-Konzerns zum Ausdruck: Der neue
Gemischtwarenladen verkauft ein potenziell krankmachendes Pestizid und
gleichzeitig ein Medikament gegen diese Krankheit“, sagte der
Glyphosat-Experte Harald Ebner, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion für
Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der taz. „Das verpasst dem Bayer-Image
weitere Kratzer. Die Monsanto-Übernahme entpuppt sich immer mehr als
schwere Bürde für die Glaubwürdigkeit des Aspirin-Herstellers und einstigen
Gesundheitskonzerns.“
Bayer erklärte auf taz-Anfrage, der Konzern stelle Produkte her, „die
einerseits dazu beitragen, eine hochwertige Ernährung von Millionen
Menschen auf nachhaltige Weise zu sichern, und andererseits schwere
Krankheiten zu behandeln.“ Die Glyphosat-Einstufung der Internationalen
Krebsforschungsagentur stehe im Widerspruch zu 40 Jahren wissenschaftlicher
Forschung. Aufsichtsbehörden „auf der ganzen Welt“ hätten festgestellt,
dass Glyphosat nicht krebserregend sei.
23 Oct 2018
## LINKS
DIR [1] /Bayer-in-Bedraengnis/!5527663
DIR [2] http://www.quartalsbericht-2018-q2.bayer.de/serviceseiten/suche.php?q=8.700&pageID=37549
DIR [3] https://www.baumhedlundlaw.com/pdf/monsanto-documents/johnson-trial/Johnson-vs-Monsanto-Verdict-Form.pdf
DIR [4] /Gericht-reduziert-Schadenersatz/!5545343
DIR [5] https://www.prnewswire.com/news-releases/bayer-receives-fda-approval-for-aliqopa-copanlisib-60-mg-vial-for-injection-in-adults-with-relapsed-follicular-lymphoma-after-two-prior-systemic-therapies-300520109.html
DIR [6] https://www.drugs.com/price-guide/aliqopa
## AUTOREN
DIR Jost Maurin
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