URI: 
       # taz.de -- Angela Merkel besucht Polen: Vorwürfe vom Nachbarn
       
       > Am Freitag kommt Angela Merkel nach Warschau. Zuvor machen Polens
       > Präsident Duda und Premier Morawiecki Stimmung gegen Regierung und
       > Medien.
       
   IMG Bild: Hier schien die Stimmung noch besser: Andrzej Duda zu Gast in Berlin im Oktober 2018
       
       Warschau taz | Der deutsch-polnische Handel verzeichnet neue
       Rekordergebnisse, in Sicherheitsfragen gibt es weitgehende Einigkeit, die
       deutsch-polnischen Kulturkontakte florieren. Und doch geben sich Polens
       Präsident Andrzej Duda und Premierminister Mateusz Morawiecki von der
       Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Vorfeld der
       deutsch-polnischen Regierungskonsultationen alle Mühe, das Treffen am
       Freitag als eines von Gegnern oder gar Feinden erscheinen zu lassen.
       
       Im Zentrum: der alte Streit um Reparationen. Beinahe täglich gibt es
       [1][Attacken auf „die Deutschen“] durch Polens Staatssender TVP und
       regierungsnahe Medien. In einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärte
       Duda jüngst, diese seien „kein erledigtes Thema“. Im polnischen Parlament
       sei nun eine Expertengruppe damit befasst. Schon der verstorbene
       Altpräsident Lech Kaczyński sei im Besitz von Gutachten gewesen, denen
       zufolge „die angerichteten Kriegsschäden in Polen nie ausgeglichen wurden“.
       
       Nach dem blutig niedergeschlagenen Warschauer Aufstand 1944 hatte Hitler
       befohlen, Polens Hauptstadt dem Erdboden gleichzumachen. SS-Männer und
       Wehrmachtssoldaten sprengten drei Monate lang Straße um Straße, Haus um
       Haus. Am Ende waren 80 Prozent der Innenstadt zerstört. Die Gutachten, die
       Lech Kaczyński als Stadtpräsident Warschaus in Auftrag gegeben hatte,
       machen das Ausmaß der Zerstörungen deutlich.
       
       Kaczyński selbst leitete daraus aber keine Forderungen nach erneuten
       Reparationsleistungen ab. Es ist sein Zwillingsbruder Jarosław Kaczyński,
       Gründer und Vorsitzender der PiS, der die „Kriegsreparationen“ immer wieder
       zum Thema macht; wohl wissend, dass Polen nach der Sowjetunion die höchsten
       Reparationsleistungen erhalten hat.
       
       Im Vorfeld des Polenbesuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte die
       Unionsfraktion im Deutschen Bundestag die neuerlichen Forderungen ab.
       Rechtlich gesehen ist das Thema abgeschlossen. Das ist nicht nur der
       Standpunkt der Bunderegierung; auch polnische Politiker versicherten dies
       seit 1953 immer wieder.
       
       2004 erklärte der damalige Premier Marek Belka in Berlin, die Frage der
       gegenseitigen deutsch-polnischen Ansprüche sei „endgültig abgeschlossen“.
       Die erneuten Forderungen von PiS-Politikern sollen der polnischen
       Bevölkerung suggerieren, die deutsch-polnische Versöhnung sei jahrelanger
       Betrug und widerliche Heuchelei gewesen. Erst die PiS weise den Deutschen
       als ehemaligen Kriegsverbrechern den ihnen gebührenden Platz am moralischen
       Pranger zu.
       
       Kurz nach Dudas Interview behauptete Premier Morawiecki im rechtsradikalen
       Privatsender Republika, polnische Medien „in deutscher Hand“ hätten sich
       ungebührlich stark in die polnischen Kommunalwahlen eingemischt und die
       Regierung angegriffen. Die Deutschen selbst würden sich so etwas nicht
       bieten lassen. Auch in Frankreich, Spanien und Irland sei es unvorstellbar,
       dass sich „fremde Staaten durch (ihre) Medien in einer so scharfen und
       eindeutigen Form in den Wahlkampf einmischen und die aktuelle Regierung
       attackieren“.
       
       Tatsächlich hatte das Internetportal Onet, das dem deutsch-schweizerischen
       Ringier-Verlag gehört, Gespräche publiziert, die Morawiecki in seiner Zeit
       als Bankdirektor und Berater des damaligen Premiers Donald Tusk geführt
       hatte. Damals hatte sich der Multimillionär über die „dummen“ polnischen
       Bankkunden lustig gemacht, die eine Chuck-Norris-Bankwerbung im
       Western-Stil gut fanden.
       
       Es dürfte am Freitag auch um die [2][Gaspipeline Nord Stream 2] gehen, die
       ab Ende 2019 russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland
       transportieren soll. Polen ist ein entschiedener Gegner des Projekts.
       Obwohl ein europäisches Firmenkonsortium die Pipeline baut, behaupten
       PiS-Politiker immer wieder, es handle sich um ein Regierungsprojekt
       Deutschlands und Russlands.
       
       2 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Antideutsche-Kampagne-in-Polen/!5448243
   DIR [2] /Pipeline-von-Russland-nach-Deutschland/!5518081
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
       ## TAGS
       
   DIR Polen
   DIR Deutschland
   DIR Andrzej Duda
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Mateusz Morawiecki
   DIR Polen
   DIR Polen
   DIR Polen
   DIR Polen
   DIR Polen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Steinmeier besucht Polen: Retten, was noch zu retten ist
       
       Der Bundespräsident kommt nach Warschau. Anlass ist der Vertrag über gute
       Nachbarschaft. Doch politisch kriselt es, nicht nur wegen Nord Stream 2.
       
   DIR Angela Merkels Besuch in Polen: Pragmatische Annäherung
       
       Bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen stehen Gemeinsamkeiten
       im Zentrum. Streitthemen werden nur kurz gestreift – bis auf eins.
       
   DIR Bundespräsident Steinmeier in Polen: Tacheles gegen Demokratieabbau
       
       In Polen droht der EU nach dem Austritt der Briten die nächste große
       Katastrophe. Bundespräsident Steinmeier fand beim Besuch klare Worte.
       
   DIR Antideutsche Kampagne in Polen: Fakten sind nebensächlich
       
       Rechte Medien springen auf eine antideutsche Kampagne der Regierung an und
       fordern Reparationen. Sie zielen auch auf die polnische Opposition.
       
   DIR Essay Politische Kultur in Polen: Im Labor des Populismus
       
       Nicht nur in Polen leben populistische Regierungen von der Schwäche
       liberaler Demokraten. Sie sind die Folge einer Demokratie-Krise.