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       # taz.de -- Streit um Krankenhaus-Personal: Hamburg bremst Pflegeinitiative
       
       > Der Hamburger Senat zerrt die Volksinitiative für mehr Pflegekräfte vor
       > das Verfassungsgericht, weil sie gegen Bundesrecht verstoße. Deren
       > Juristen sehen das anders.
       
   IMG Bild: „Handeln statt Klagen“: Protestaktion der Aktivist*innen des Pflegebündnisses
       
       Hamburg taz | | Ob Kita, Schule oder Inklusion, wenn in Hamburg
       Volksinitiativen für bessere Standards starteten, endeten sie bisher meist
       mit einem Happy End. Doch die in diesem März gestartete Volksinitiative
       gegen „Pflegenotstand im Krankenhaus“ läuft wohl kaum auf eine Einigung
       hinaus. Sie beißt bei der Stadt auf Granit – wird jetzt sogar verklagt. Um
       ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, reichte die rot-grüne Stadtregierung
       vorige Woche Klage vor dem Verfassungsgericht ein.
       
       Am heutigen Montagnachmittag soll deshalb eine Protestkundgebung auf dem
       Rathaus stattfinden. „Die Klage ist ein Angriff auf Hamburgs Pflegekräfte,
       Hebammen und Reinigungskräfte“ sagt Kirsten Rautenstrauch, selbst
       Krankenschwester und eine Sprecherin des Bündnisses. „Und es ist ein Schlag
       ins Gesicht der 30.000 Bürger, die für unser Gesetz unterschrieben haben.“
       
       „Wir werden ein großes Banner ausrollen und die Leute werden in
       Dienstkleidung erscheinen“, erläutert Co-Sprecher Axel Hopfmann. Von den
       Kollegen, die protestieren wollen, aber auf Schicht sind, wolle man Fotos
       hochhalten.
       
       Der Vorgang wird in anderen Bundesländern mit Interesse verfolgt. Denn in
       Bremen, Berlin und Bayern gibt es Geschwister-Initiativen mit ähnlichen
       Forderungen. Sie wollen, dass der tatsächliche Bedarf an Pflegekräften im
       Krankenhaus regelmäßig erhoben wird und dass dieses Personal dann auch
       wirklich bereitgestellt wird. Eine solche Regelung gab es Anfang der 90er
       Jahre.
       
       Der Hamburger Senat hält dagegen, dass diese Regelung in die Kompetenz des
       Bundes falle. Die grüne Gesundheitspolitikerin Christiane Blömeke warnte
       vor einer „Insellösung für Hamburg“, die angesichts der bundesweit von
       CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn geplanten „Personaluntergrenzen“
       verfassungsrechtlich „sehr wackelig“ sei.
       
       Den meist aus Beschäftigten bestehenden Volksinitiativen wird oft mit dem
       Verweis auf Spahns Pläne entgegnet. Der Gesundheitsminister verfügte jetzt
       per Rechtsverordnung, dass ab 1. Januar 2019 in allen deutschen
       Krankenhäusern in den vier Bereichen Kardiologie, Unfallchirurgie,
       Geriatrie und Intensivstation Mindestgrenzen für das Personal gelten, die
       nicht unterschritten werden dürfen.
       
       Axel Hopfmann kritisiert, dass sich diese Untergrenze einfach am
       Ist-Zustand orientiert, und nicht am Bedarf: „Das schlechteste Viertel der
       Kliniken bildet eine Untergrenze, dort zieht man eine Linie.“ Die übrigen
       Dreiviertel seien demnach erlaubt. Doch bei dieser Betrachtung, die
       perspektivisch per Gesetz für alle Bereiche gelten soll, werde sich eben
       nicht am Bedarf, sondern am Schlechtesten orientiert. Das könnte sogar zu
       einem Stellenabbau führen, sagt der Pflegeaktivist. „Man kann das auch als
       Bedrohung sehen.“
       
       Die Hamburger Initiative hat sich juristisch von der bayerischen
       Rechtsanwältin Adelheid Rupp beraten lassen. Und die sieht im Bundesgesetz
       keine Hürde. Der Bund stellt Regeln auf, sagt die Juristin. „Diese dürfen
       von den Ländern nicht unterlaufen werden. Jedoch erlaubt der Paragraf 6,
       Absatz 1a, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes den Ländern Spielraum bei
       den Qualitätsanforderungen.“
       
       Bayern habe in seinem Landesgesetz diesen „Spielraum ausdrücklich
       ausgeschlossen“, sagt die Anwältin. Hamburg habe in seinem
       Landeskrankenhausgesetz keine entsprechende Einschränkung formuliert. Eben
       dieser unterschiedliche Umgang der Länder zeige, „dass hier eine
       Gesetzgebungskompetenz besteht“.
       
       ## Streit um Gesprächs-Abbruch
       
       In Bayern sammelte just auch eine Volksinitiative über 100.000 Stimmen, mit
       dem Ziel, in dem Landesgesetz durch klare Personalbemessungsregeln die
       Pflege zu verbessern. In Berlin, wo eine Volksinitiative über 50.000
       Unterschriften sammelt, sitzen Senat und Bürger darüber noch in Gesprächen.
       Ob geklagt wird oder nicht, ist auch eine politische Frage.
       
       In Hamburg trafen sich Initiative und Regierungs-Fraktionen nur ein Mal am
       20. September zum Gespräch. Seit die Initiative Anfang Oktober mit dem
       „Volksbegehren“ formal die nächste Stufe des dreistufigen
       Volksgesetzgebungsverfahren anmeldete, herrscht Eiszeit.
       Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks verkündete über die Presse, das Bündnis
       habe die Gespräche abgebrochen. Dieses reagierte empört und sprach von
       einer „Lüge“. „Wir sind nach wie vor zu Gesprächen bereit“, betont
       Hopfmann.
       
       Doch nun heißt es abwarten. Hamburg Landeswahlleiter Oliver Rudolf erklärt,
       der Senat sei 2012 gesetzlich verpflichtet, das Verfassungsgericht
       anzurufen, wenn er Zweifel habe. Wie lange das dauert, ist offen. Der
       Terminplan der Initiative dürfte jetzt Makulatur sein. Denn eigentlich
       wollte sie im Winter 2019/2020 parallel zur nächsten Hamburg-Wahl abstimmen
       lassen. Auch wenn die Initiative vor Gericht gewinnt, wird sie das kaum
       noch schaffen.
       
       Deniz Celik, Gesundheitpolitiker der Linken, nennt die Klage ein
       „durchsichtiges Mannöver“, und fordert den Senat auf, die Gespräche wieder
       aufzunehmen. „Was mich wundert“, sagt er, „in Bayern wird die
       Volksinitiative von Grünen und SPD unterstützt“.
       
       4 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kaija Kutter
       
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