URI: 
       # taz.de -- FC St. Pauli-Fans im Polizeikessel: Ende einer Fanfahrt
       
       > FC St. Pauli-Fans landeten am Sonntag in einem Polizeikessel statt im
       > Stadion. Der Verein lässt das nun juristisch prüfen.
       
   IMG Bild: Im Bielefelder Stadion hängten die Pauli-Fans die Plakate verkehrt herum auf. So machten sie auf jene aufmerksam, die es nicht ins Stadion geschafft hatten
       
       Hamburg taz | Das Spielfeld gehört jetzt den Jurist*innen. Die
       Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und rund 250 Fans des FC St.
       Pauli während der Anfahrt zur Zweitliga-Auswärtspartie bei Arminia
       Bielefeld am vergangenen Sonntag werden ein rechtliches Nachspiel haben.
       
       Während die Bundespolizei gegen Pauli-Fans insgesamt 18 Strafverfahren
       wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung und Beleidigung eingeleitet hat,
       prüft der Verein „rechtliche Schritte gegen die verantwortliche
       Einsatzleitung der Polizei zu den Vorkommnissen am Bahnhof und dem
       Stadion“. Christiane Hollander, Mitglied des Club-Präsidiums kündigt
       gegenüber der taz an, der Verein werde voraussichtlich am 8. November eine
       Kanzlei aus St. Pauli beauftragen, um eine umfangreiche rechtliche Prüfung
       der Vorfälle vom vergangenen Sonntag vornehmen zu lassen“.
       
       Verein und Fanladen kritisieren vor allem einen gesundheitsgefährdenden
       „Einsatz von Pfefferspray in einem geschlossenen Zugwaggon durch die
       Polizei“ und die Tatsache, „dass am Bielefelder Hauptbahnhof 250 Fans
       stundenlang von der Polizei „eingekesselt“ und so davon abgehalten wurden,
       das Zweitligaspiel zu besuchen. Diese und andere Polizeimaßnahmen seien
       zumindest „unverhältnismäßig“, vermutlich aber rechtswidrig gewesen, so der
       Vorwurf.
       
       Die Auswärtsfahrt von Hamburg nach Bielefeld in einem Regionalzug war
       eskaliert, nachdem ein Fan sich im Zug eine Zigarette angezündet hatte und
       ein anderer sich bei der folgenden Kontrolle durch die mitreisende Polizei
       zunächst weigerte, seine Personalien preiszugeben. „Es kam dann zu verbalen
       Angriffen gegenüber der Polizei“, so ein Augenzeuge gegenüber der taz. „Und
       dann wurde wie aus dem Nichts Pfefferspray eingesetzt.“ Der Pressesprecher
       der Bundespolizei, Carsten Bente, hat da andere Erkenntnisse: „Die Beamten
       wurden mit Plastikfahnenstangen angegriffen und als Folge dessen wurde
       Pfefferspray eingesetzt.“
       
       Laut einer Mitteilung der Braun-Weißen Hilfe, einem Rechtshilfeprojekt des
       FC St. Pauli, wollten die Fans und weitere Reisende am Bahnhof Melle im
       Landkreis Osnabrück danach den Waggon verlassen. Sie litten unter Atemnot,
       tränenden Augen und starkem Brechreiz. Die Polizei habe das Aussteigen
       unterbunden – unter erneutem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken.
       „Die ganze Luft war voller Pfefferspray, da wollten wir natürlich raus“, so
       ein Fan, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Leute, die
       aus dem Zug gelangten, wurden noch mit Knüppeln geschlagen, teilweise sogar
       auf Kopfhöhe“, sagt er. Die Polizei hingegen spricht nur davon, dass es ihr
       in Melle durch starke Präsens gelungen sei, „die Situation zu beruhigen“.
       
       Am Bielefelder Hauptbahnhof angekommen, wurden die Anhänger*innen des FC
       St. Pauli sowie andere Reisende auf dem Bahnhofsvorplatz bis zu sechs
       Stunden lang zur Identitätsfeststellung eingekesselt – und damit wurde
       verhindert, dass sie die Zweitligapartie besuchen konnten. Laut
       Braun-Weißer Hilfe wurde allen Festgehaltenen der Gang zur Toilette
       verwehrt und die Versorgung mit Getränken oder Nahrung wurde erst nach fünf
       Stunden ermöglicht. Zudem hätten sich unter den Fans auch Minderjährige
       befunden, die „ohne die Miteinbeziehung der Erziehungsberechtigen
       rechtswidrig festgehalten und kontrolliert“ wurden, klagt die Braun-Weiße
       Hilfe.
       
       ## Stundenlange Einkesselung
       
       Einer der Betroffenen erklärte der taz: „Es wurde durchgegeben, dass jeder
       nur unter Abgabe der Personalien, einer kompletten Durchsuchung und der
       Zustimmung zu einer Bildaufnahme den Kessel verlassen könne.“ Die
       Pressestelle der Bundespolizei kontert: „Es wurde durch einen Lautsprecher
       durchgesagt, dass Frauen und Kinder aus dem Kessel heraus können.“
       
       Die Polizei begründet die stundenlange Einkesselung damit, man habe gezielt
       versucht, „Problemfans“ und Straftäter ausfindig zu machen. Der Verein und
       der Fanladen kritisieren, dass eine große Gruppe für das vermeintliche
       Fehlverhalten einzelner in Sippenhaft genommen worden sei. Zudem merken
       beide an, dass sich die festgesetzten FC-St.-Pauli-Fans kooperativ und
       gewaltfrei verhalten hätten.
       
       Anhand vorliegender Gedächtnisprotokolle wird zu prüfen sein, ob es zu
       rechtswidrigem Handeln der Polizei gekommen ist“, gibt Christiane Hollander
       den Kurs des Vereins vor. „Aufgrund der Vielzahl an Protokollen ist nicht
       abzusehen, wie viel Zeit die Prüfung in Anspruch nehmen wird.“
       
       8 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannah Maatallaoui
   DIR Marco Carini
       
       ## TAGS
       
   DIR FC St. Pauli
   DIR Polizei
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Fußballfans
   DIR Pfefferspray
   DIR Fangewalt
   DIR FC St. Pauli
   DIR FC St. Pauli
   DIR FC St. Pauli
   DIR FC St. Pauli
   DIR FC St. Pauli
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR FC St. Pauli
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Pfefferspray im Eisenbahnwaggon: St. Pauli zeigt Polizei an
       
       Bei einer Fahrt nach Bielefeld wurden Fans des FC St. Pauli am Bahnhof und
       im Stadion von der Polizei drangsaliert. Der Verein hat Strafanzeige
       gestellt.
       
   DIR Fan-Zerwürfnis beim FC St. Pauli: Der Stachel sitzt tief
       
       Nach dem Gebaren mancher Fans beim Derby gegen den Hamburger SV offenbart
       sich ein Konflikt innerhalb der Fanszene des FC St. Pauli.
       
   DIR Kapitän Nehrig will St. Pauli verlassen: Gala für den zukünftigen Ex-Club
       
       In seinem vielleicht letzten Spiel für den FC St. Pauli glänzt Abräumer
       Bernd Nehrig mit ungeahnten Qualitäten: als Torschütze, Elfmeter-Bringer
       und Vorlagengeber.
       
   DIR Hinrunden-Bilanz FC St. Pauli: Stärker als gedacht
       
       Nach dem 2:0-Sieg gegen Fürth steht der FC St. Pauli am Ende der
       Zweitliga-Hinrunde auf Platz vier. Dabei wäre dieser Kader in der letzten
       Saison fast abgestiegen.
       
   DIR Großes Polizeiaufgebot bei Fußballderby: Polizei macht auf dicke Hose
       
       Beim Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli droht Randale. Die Polizei
       ist mit einem Großaufgebot am Start und setzt auf G20-Methoden.
       
   DIR Kommentar über tödliches Pfefferspray: Die Mär vom milden Mittel
       
       Die Polizei sprüht wahllos und viel mit Pfefferspray. Die erneuten
       Todesopfer zeigen, dass es höchste Zeit ist, den häufigen Gebrauch
       einzustellen.
       
   DIR St.Pauli-Fans vermissen Neutralität: Fan-Polizist klatscht Rechten ab
       
       Ein Polizist, der St.-Pauli-Fans beobachtet, gibt mutmaßlichem Neonazi die
       Hand. St. Pauli will Antworten, die Polizei sagt, das sei so üblich.