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       # taz.de -- Staatsökonomie in Kenia: China-Boom zeigt Schattenseiten
       
       > Kredite aus China steigern Kenias Auslandsschulden. Nun erhöht Kenias
       > Regierung die Steuern. Die Preise steigen, die Einkommen sinken.
       
   IMG Bild: Kenias Präsident Uhuru Kenyatta spricht auf einer Messe in China
       
       Nairobi taz | In einem Supermarkt in Kenias Hauptstadt klagen ein Mann und
       Frau über die Preise. „Ich muss Öl kaufen und möchte gerne mal Reis essen.
       Aber zusammen wird das zu viel für uns diese Woche“, sagt der Mann. Die
       Frau nickt und schimpft: „Alles ist so teuer geworden. Es ist die Schuld
       der Chinesen.“
       
       Viele Kenianer klagen über die Lebensunterhaltskosten. Der Benzinpreis hat
       sich erhöht, dadurch werden öffentliche Verkehrsmittel und alle
       Lebensmittelwaren , die transportiert werden müssen, teurer. Wer sich nicht
       bewegt und lieber telefoniert, muss auch mehr zahlen als früher, weil die
       Regierung die Steuern stark erhöht hat.
       
       Kenia hat eine Auslandsschuldenlast von rund 25 Milliarden Euro – davon
       knapp 10 Milliarden an China. In Afrika haben nur Angola und Äthiopien
       höhere China-Schulden. Afrika insgesamt ist in China momentan mit rund 140
       Milliarden Euro verschuldet.
       
       „Kenias finanzielle Lage ist nicht nur eine Sache der Schulden an China“,
       sagt aber die in Kenia lebende deutsche Risikoanalystin Andrea Bohnstedt.
       „Die Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta hat seit ihrem Antritt in 2013
       ein massives Haushaltsdefizit aufgebaut. Sie hat viel mehr ausgegeben als
       eingenommen und es wird geschätzt, dass mindestens 30 Prozent des
       Staatshaushalts durch Korruption gestohlen wird.“
       
       Trotzdem wird China in Kenia oft als Bösewicht bezeichnet. Chinesen bauen
       Straßen, Häfen, Brücken, Großgebäude und [1][Eisenbahnlinien – auf Kredit].
       China ist Kenias größer Handelspartner, aber Kenias Handelsdefizit mit
       China wächst. Diese Woche forderte Präsident Kenyatta bei einem Besuch in
       Schanghai eine Öffnung chinesischer Märkte für afrikanische Exporteure und
       auch mehr chinesische Firmenniederlassungen, die in Kenia Arbeitsplätze
       schaffen könnten.
       
       ## Kenyattas Lieblingsprojekt
       
       Ein Drittel der kenianischen Schuldenlast an China kommt aus den 3,3
       Milliarden Euro für die 472 Kilometer lange neue Eisenbahn zwischen Nairobi
       und der Hafenstadt Mombasa, ein Lieblingsprojekt von Präsident Kenyatta.
       China hat die Bahnlinie zu 90 Prozent finanziert, sie auch gebaut und wird
       sie bis 2027 betreiben.
       
       Diese Eisenbahn – sie kostete fast das Dreifache des internationalen
       Standards und das Vierfache der ursprünglichen Schätzung – ist das
       sichtbare Symbol von Kenias Verschuldung. „Das Projekt wurde nicht
       ausgeschrieben, sondern direkt an den chinesischen Auftragnehmer vergeben“,
       erläutert Bohnstedt. „Von Anfang an bestanden Zweifel, ob diese massiven
       Investitionen sich je rentieren würden, und auch hier ist ein erheblicher
       Anteil der Vertragssumme durch Korruption verlorengegangen.“ Manche
       Kenianer glauben, dass China nur Geld verleiht, um für eigene Firmen
       Aufträge zu bekommen, und dass Einheimische wenig davon haben – auch wegen
       der großen Zahl der Chinesen, die an den Projekten arbeiten.
       
       Doch man könne nicht China an allem Schuld geben, meint die kenianische
       Ökonomin Anzetse Were. „Die Erzählung von einer chinesischen Schuldenfalle
       infantilisiert afrikanische Regierungen, als seien sie wenig mehr als
       verwilderte Kinder, die ständig von anderen Mächten beaufsichtigt werden
       müssen“, schreibt sie auf ihrer Website. Sie warnt vor „Chinaphobie“ und
       deutet auf Recherchen der Jubilee Debt Campaign, eine britische
       NGO-Lobbykoalition für einen Schuldenerlass für arme Länder. Demnach sind
       nicht Chinesen, sondern private Geldgeber die für Afrika ungünstigsten
       Gläubiger. Private Kredite machen ein knappes Drittel der Auslandsschulden
       afrikanischer Regierungen aus, aber 55 Prozent der Zinszahlungen. China
       macht etwa 20 Prozent der externen Staatsschulden Afrikas aus und 17
       Prozent der Zinszahlungen.
       
       Von Kenias über 46 Millionen Einwohner sind offiziell etwas mehr als 11
       Prozent arbeitslos, aber Millionen weitere haben keinen festen Job oder
       werden sehr schlecht bezahlt. Sie sehen, wie Chinesen Arbeitsgenehmigungen
       für Jobs erhalten, die sie selbst gerne hätten, und wie ihr Land dafür
       Kredite abzahlen darf. „Sie sind es, die die Schulden zurückzahlen müssen“,
       warnt Were. „Die Sorgen der Menschen über die Verantwortung ihrer
       Regierungen sollte im Mittelpunkt der Diskussion über die Schuldenlast
       stehen.“
       
       9 Nov 2018
       
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