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       # taz.de -- G20-Investitionsgipfel zu Afrika: Handelsparty mit Merkel
       
       > Deutsche Firmen sollen mehr in Afrika investieren, dabei will die
       > Bundesregierung nachhelfen. Ob das Geld armen Staaten zugute kommt, ist
       > fraglich.
       
   IMG Bild: Gute Geschäfte: Kanzlerin Merkel vermittelt zwischen Ruandas Präsident Paul Kagame und Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (r.)
       
       Berlin taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spielt an diesem Dienstag
       die Rolle der Mittlerin, der Übersetzerin. Sie will die Brücke schlagen
       zwischen Siemens, Man oder Leoni nach Marokko, Tunesien, Ägypten, Ghana,
       die Elfenbeinküste oder den Senegal. Etliche Staats- und Regierungschefs
       des afrikanischen Kontinents sind nach Berlin gekommen, um Geschäfte zu
       vereinbaren mit der deutschen Wirtschaft.
       
       Die Konferenz ist Teil der Initiative [1][“Compact with Africa“], die im
       Juni 2017 startete, als Deutschland die G20-Präsidentschaft innehatte. Elf
       afrikanische Partnerländer gibt es derzeit. Ziel der Kooperation ist die
       Armutsbekämpfung, die Wirtschaft vor Ort anzuschieben, damit sich die
       Menschen nicht auf den Weg nach Europa machen, weil sie dort ein besseres
       Leben ersehnen.
       
       Sogenannte [2][Reformpartnerschaften] hat die Bundesregierung bereits mit
       der Elfenbeinküste, mit Ghana und Tunesien abgeschlossen. Die Staaten
       bekommen günstige Kredite oder finanzielle Hilfen, wenn sie zeigen, dass
       sie Maßnahmen ergreifen im Kampf gegen Korruption, für mehr Menschenrechte
       und Stabilität im Wirtschafts – und Finanzsektor. Künftig sollen noch
       Äthiopien, Marokko und der Senegal hinzukommen.
       
       Damit mehr deutsche Firmen Geld in Afrika investieren, will Merkel vor
       allem Entwicklungsinvestitionen vorantreiben und legt dafür einen Fonds
       auf. „Wir wollen heute gemeinsam ein deutliches Signal setzen“, sagte
       Merkel zum Auftakt der Investoren-Konferenz. Europa habe Interesse an einer
       guten und gewinnbringenden Nachbarschaft.
       
       Die entscheidenden News schob die Kanzlerin erst nach, als sie sich kurz
       vor dem Mittagessen noch einmal bei dem Dutzend anwesenden afrikanischen
       Staatschefs bedankte: Mit einer Milliarde Euro stattet die Bundesregierung
       ihren neue „Entwicklungsinvestitionsfonds“ für Afrika aus. Unternehmen aus
       Deutschland, Europa und Afrika dürfen sich bewerben, bis zu 4 Millionen
       Euro können sie für Investments in Afrika bekommen, die Hälfte als
       Darlehen, die Hälfte als Zuschuss.
       
       ## „Heimat für einige der attraktivsten Marktpotenziale“
       
       Siemens-Chef Joe Kaeser etwa unterzeichnete den Vorvertrag für ein 65
       Megawatt Gaskraftwerk in Togos Hauptstadt Lome, im Beisein von Präsident
       Faure Gnassingbé. Dessen Familie beherrscht das kleine Land seit über 50
       Jahren, Gnassingbé sieht sich seit dem vergangenen Jahr mit wachsenden
       Protesten einer Demokratiebewegung konfrontiert. „Es gibt gute Gründe, in
       Afrika Geschäfte zu machen“, sagt Kaeser. Der Kontinent sei „Heimat für
       einige der attraktivsten Marktpotenziale.“
       
       Und die können vielfältig sein. Senegals Präsident Macky Sall etwa brachte
       sein Land nicht nur als Tourismus-Ziel, sondern auch als Standort für
       deutsche Altenheime ins Gespräch. „Der Umgang mit älteren Menschen in
       Afrika ist ein wert an sich“, sagte Sall.
       
       Pilotprojekte für 500 Millionen Euro wurden am Dienstag vorgestellt, eine
       Milliarde Euro investierte die Deutsche Wirtschaft 2018 zusätzlich in
       Afrika. Im nächsten Jahr könnten es „zwei oder drei Milliarden werden, wenn
       man den deutschen Mittelstand mitnimmt“, sagte Stefan Liebing vom Afrika
       Verein der Deutschen Wirtschaft.
       
       ## Mit, nicht über Afrika sprechen
       
       Die Zusammenkunft in Berlin, das bislang größte Treffen afrikanischer
       Staatschefs in der deutschen Hauptstadt, sollte dazu dienen, die deutsche
       Investitionsfreude in Afrika zu befeuern. Es ist die Fortsetzung zweier
       Initiativen, die Merkel während ihrer G20-Präsidentschaft im vergangenen
       Jahr startete: Dem Compact mit Afrika und den Reformpartnerschaften.
       
       Man wolle dabei nicht über Afrika sprechen, sondern mit Afrika. Konkret
       geht es um Darlehen für die Staaten oder um Risikoabsicherungen für
       Vorhaben in den Ländern. Die Mittel für das Paket sollen über die Deutsche
       Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) fließen, die zum führenden
       Entwicklungsfinanzierer werden soll.
       
       ## Widerstand bei den Grünen
       
       Gefördert werden sollen auch afrikanische Start-ups sowie der Export
       afrikanischer Produkte. Es soll mehr Ausbildungsplätze und Jobs geben.
       Während die afrikanischen Staatschefs die ausländischen Investitionen
       begrüßen, regt sich Widerstand bei den Grünen. Für den Sprecher für
       Entwicklungspolitik, Uwe Kekeritz, fallen die „Compacts with Africa“ bisher
       weit hinter die Erwartungen zurück.
       
       „Zählbare Erfolge konnten bislang nicht erzielt werden“, sagte der
       Grünen-Abgeordnete der taz. „Der Ausbau der Zusammenarbeit mit ein paar
       wenigen, vermeintlichen Reformchampions wird den Herausforderungen auf dem
       afrikanischen Kontinent nicht gerecht.“ Für Kekeritz laufen die Compacts
       Gefahr, das Gemeinwohl zu vernachlässigen, weil der Fokus nur auf
       Privatinvestitionen liegt.
       
       Eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen scheint
       dem Entwicklungsexperten Recht zu geben. Vor allem die von der
       Bundesregierung hochgelobten positiven Effekte der Initiative bezweifelt
       Kekeritz. Er sieht keine Belege dafür, dass die ausländischen
       Direktinvestitionen dank der Compacts um 10 Prozent angewachsen sind.
       Negativeffekte von öffentlich-privaten Partnerschaften würden dagegen
       verschwiegen, laut Kekeritz.
       
       Ähnlich äußerte sich die [3][Entwicklungsorganisation One]. Der Direktor
       der Initiative, Stephan Exo-Kreischer warf der Bundesregierung vor, „alte
       Fehler zu wiederholen“. Ausländische Direktinvestitionen alleine beendeten
       keine Armut. Sie müssten um rechtsstaatliche Verpflichtungen ergänzt und
       von verstärkten Investitionen in Bildung und Gesundheit flankiert werden.
       
       ## Ägypten kein Reform- aber trotzdem wichtiger Partner
       
       Wegen der Menschenrechtslage scheidet Ägypten zwar als Reformpartner aus.
       Präsident as-Sisi war dennoch auf der Konferenz zu Gast. Auch er
       präsentierte ein Siemens-Kraftwerk als Leuchtturmprojekt der deutschen
       Wirtschaft. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag lobte Merkel den
       General aber noch aus einem anderen Grund: „Ägypten sichert Seegrenzen
       exzellent, defacto keine Migration aus Ägypten nach Europa, obwohl in
       Ägypten viele Flüchtlinge leben. Das ist hohe Anerkennung wert und so
       unterstützen wir Ägypten mit einem ungebundenen Kredit von 500 Millionen
       Euro.“
       
       30 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.compactwithafrica.org/content/compactwithafrica/home.html
   DIR [2] /Mehr-Geld-fuer-afrikanische-Laender/!5416440
   DIR [3] https://www.one.org/de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
   DIR Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
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