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       # taz.de -- Kolumne American Pie: Zwei Teams, zwei Krisen
       
       > Die Olympiasieger Anthony und Butler tun sich schwer in der NBA. Die
       > Philadelphia 76ers verbinden mit Letzterem aber große Hoffnungen.
       
   IMG Bild: Jimmy Butler (links) im Spiel gegen die Sacramento Kings
       
       Gerade mal zweieinhalb Jahre ist es her, da gewannen Carmelo Anthony und
       Jimmy Butler Olympisches Gold in Rio de Janeiro. Damals waren die beiden
       Teamkollegen in der US-Basketballnationalmannschaft, aktuell sorgen sie für
       Aufregung in der NBA, wenn auch jeder auf sehr unterschiedliche Weise. Eins
       haben die beiden Flügelspieler aber gemeinsam: Beide hinterlassen ein Team
       in der Krise.
       
       Bei Anthony sind es die Houston Rockets. Die waren noch in diesem Frühjahr
       nur denkbar knapp im Halbfinale an den Golden State Warriors, der
       vielleicht besten NBA-Mannschaft aller Zeiten, gescheitert. Dann hatten sie
       den alternden Star mit dem großen Ego verpflichtet. Das Experiment ging
       schief: Die sieggewohnten Rockets um den aktuellen MVP James Harden
       starteten katastrophal in die neue Saison und treiben sich im
       Tabellenkeller der NBA herum.
       
       Das lag allerdings nur bedingt an Anthony. Der hatte wider Erwarten seine
       neue Rolle als Ergänzungsspieler klaglos akzeptiert. Er kam von der Bank,
       punktete verlässlich und verteidigte mäßig. Genau das also, was der
       34-jährige schon seit Jahren tut.
       
       Trotzdem stand Anthony Montag nun schon das dritte Spiel in Folge nicht
       mehr im Kader. Offizieller Grund: eine nicht näher spezifizierte
       „Krankheit“. Wahrscheinlicher ist es, dass hinter den Kulissen an einem
       Wechsel gearbeitet wird. Jedenfalls sprechen Teamkollegen schon offen
       davon, dass sie Anthony nicht zurück erwarten. Gut informierte Kreise
       berichten, dass Anthonys Agenten die Dienste ihres Klienten wie Sauerbier
       bei anderen NBA-Klubs anbieten. Und Rockets-Manager Daryl Morey hielt eine
       Pressekonferenz ab, in der er alle Gerüchte als „unfaire Spekulationen“
       bezeichnete und Anthony über den grünen Klee lobte: „Er ist großartig und
       hat jede Rolle akzeptiert, die ihm zugewiesen wurde.“ Ähnliches hatte zuvor
       Trainer Mike D’Antoni hervorgehoben, aber während alle Verantwortlichen
       vorgaben, den Altstar nicht zum Sündenbock für den misslungenen Saisonstart
       zu machen, wird man den Eindruck nicht los: Anthony soll zum Sündenbock
       gemacht werden.
       
       ## Das fehlende Mosaiksteinchen finden
       
       Jimmy Butler hat – im Gegensatz zu seinem Kollegen aus der
       Nationalmannschaft – einen neuen Verein gefunden. Auch ansonsten verlief
       sein Zerwürfnis mit den Minnesota Timberwolves vollkommen anders, nämlich
       sehr geräuschvoll. Schon vor Saisonbeginn hatte Butler einen Wechsel
       gefordert und in einer beeindruckenden Wutrede sowohl Mannschaftskollegen
       als auch das Management der Timberwolves beschimpft. Monatelang versuchte
       Minnesota seinen verstimmten Star zum Bleiben zu überreden, aber schob ihn
       schließlich am Montag zu den Philadelphia 76ers ab.
       
       Die 76ers hoffen nun, dass sie mit Butler das fehlende Mosaiksteinchen
       gefunden haben, um nach 35 Jahren endlich mal wieder eine NBA-Meisterschaft
       zu gewinnen. In Philadelphia soll Butler mit Joel Embiid, dem wohl aktuell
       besten Center der Liga, und Ben Simmons, dem womöglich spektakulärsten
       Nachwuchstalent der NBA, ein Superstar-Trio bilden. Tatsächlich könnten
       diese drei zusammen mit J. J. Redick, einem herausragenden Distanzschützen,
       und dem Nummer-eins-Draftpick Markelle Fultz eine formidable Startformation
       bilden.
       
       Das Problem ist: Danach kommt nicht mehr viel. Schon vor dem Tauschhandel,
       bei dem Philadelphia seine beiden wichtigsten Ergänzungsspieler für den
       29-jährigen Butler nach Minnesota schickte, war die Bank nur dünn besetzt.
       Außerdem sind atmosphärische Verstimmungen zu erwarten: Das Management
       dürfte den für aufopferungsvolle Verteidigung und nachgerade manischen
       Siegeswillen berüchtigten Butler dazu auserkoren haben, die zwar hoch
       talentierten, aber als nicht allzu trainingsfleißig geltenden Embiid (24)
       und Simmons (22) künftig anzuleiten. Allerdings ist Butler eben in
       Minnesota an genau derselben Aufgabe gescheitert: Dort trieben ihn seine
       ebenfalls hoch veranlagten, aber zur Lethargie neigenden Mitspieler
       Karl-Anthony Towns (22) und Andrew Wiggins (23) regelmäßig in den Wahnsinn.
       
       Man wird bald sehen, ob Philadelphias Entscheidung eine gute war. Für das
       heutige Auswärtsspiel in Orlando wird Jimmy Butlers erster Auftritt im
       neuen Trikot erwartet. Was aus dem Kollegen Carmelo Anthony wird, steht
       noch in den Sternen.
       
       13 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Winkler
       
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