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       # taz.de -- Frauen-Eishockey: Neuerdings gibt's auch Eisbärinnen
       
       > Zum ersten Mal haben die Eisbären ein Frauenteam. Die Spielerinnen sind
       > in den Verein gewechselt für bessere Strukturen und mehr Wertschätzung.
       
   IMG Bild: Eisbärinnen. Die rosa Schnürsenkel sind nur temporär zur Unterstützung der Brustkrebsvorsorge
       
       Der Bass wummert lauter als der Atem. Wenn Musik läuft, hört man das
       Keuchen nicht so, findet eine Spielerin, und das stimmt jedenfalls. Sie
       rackern auf Ergometern und an elastischen Bändern, die Musik dröhnt durch
       den Kraftraum. Der Trainingsraum der Frauen Eisbären Juniors Berlin im
       Sportforum Hohenschönhausen ist einer der wenigen, aus denen an diesem
       eiskalten Abend noch Licht kommt.
       
       Sie sind Studentinnen, Berufstätige, Schülerinnen oder Azubis, und eher
       nebenher Eishockey-Bundesligaspielerinnen. Und seit 2017 Teil der Eisbären
       Juniors.
       
       Zum ersten Mal überhaupt hat der Berliner Eishockey-Männerclub seither ein
       Frauenteam. Freilich nicht selbst aufgebaut: Das komplette Frauenteam von
       Erstligist OSC Berlin wechselte den Verein. Frauen-Eishockey entwickelt
       sich finanziell und spielerisch sehr schnell, fast zu schnell für reine
       Frauenklubs; ein Wechsel zu einem starken Bruderteam ist Zeitgeist.
       
       Die OSC-Frauen sind im Juni 2017 Teil des Stammvereins Eisbären Juniors
       geworden; daher auch der etwas irreführende Name Frauen Eisbären Juniors
       Berlin, der klingt, als würden da gleich Siebenjährige aufs Eis treten.
       Aber was ist ein Name, wenn der Verein Zukunft möglich machen soll?
       
       ## „Wir haben jetzt ein paar Fans“
       
       „So viel hat sich eigentlich gar nicht verändert“, sagt Anne Bartsch. Die
       23-jährige Bundesliga- und Nationalspielerin zählt auf: Die Fahrten zur
       Nationalmannschaft werden ihr jetzt teilweise von den Eisbären Juniors
       bezahlt, das war vorher nicht so. Und da ist natürlich der Medienboom.
       „Wir haben jetzt ein paar Fans“, sagt Bartsch und grinst. „Das ist ganz
       cool.“
       
       Zwischen fünfzig und hundert Leute, schätzt sie, schauen sich diese Saison
       das Frauenteam bei Bundesligaspielen im Wellblechpalast an, meist weiterhin
       Freunde und Familie. Letztens aber, als sie auswärts in Mannheim spielten,
       kamen ein paar dortige Eisbären-Fans zu Besuch. Auch bei einem
       Vorbereitungsspiel in Zürich. Sie genießen dieses Stückchen Fame.
       
       Viel wesentlicher aber geht es um Personal: Neue Mädchen kann das Team seit
       dem Wechsel direkt aus den Jugendteams der Eisbären ziehen. Mädchenteams
       nämlich gibt es im deutschen Eishockey fast nirgendwo, auch keine Liga. Es
       sind einfach zu wenig Interessentinnen da.
       
       Der OSC Berlin stellte überhaupt das einzige Berliner Frauenteam, nachdem
       der traditionsreiche DEC Eishasen Berlin 2006/07 aus der 2. Liga Nord
       zurückgezogen wurde. Als Einzelkämpferinnen sorgten sie sich oft um
       Nachwuchs. Sich einem DEL-Klub anzuschließen, bringt Sicherheit. Und ist
       auch ein Beleg dafür, wie ihr Sport gewachsen ist.
       
       ## Trainer „stehen nicht Schlange“
       
       Sebastian Becker weiß, dass immer noch nicht jeder Kollege diesen Job
       angenommen hätte. Becker ist seit Saisonbeginn Trainer der Frauen; aktuell
       hat er bei den Eisbären Juniors eine Vollzeitstelle. „Trainer, die bereit
       sind, auch Frauenteams zu trainieren, stehen leider nicht Schlange“, sagte
       Teammanager Torsten Szyska bei dessen Verpflichtung.
       
       Becker glaubt, einige Kollegen hätten bei Frauen-Eishockey immer noch im
       Kopf, „was man vielleicht früher mal gesehen hat“: Schlechte Spiele eben.
       „Es gab eine große Qualitätssteigerung im Frauen-Eishockey in den letzten
       Jahren“, sagt er. „Man kann hier eine Herausforderung finden, keine
       Aufbauarbeit.“
       
       Ob Frauen auch gutes Eishockey spielen können: Auf diesem überraschend
       niedrigen Level bewegt sich die Diskussion. Zugleich finden sich, so
       zumindest Beckers subjektive Beobachtung, zunehmend mehr Interessentinnen.
       „Wir haben das Ziel, Spielerinnen nicht nur herzuholen, sondern auch zu
       entwickeln“, sagt der Trainer. Und: „Sehr perspektivisch haben wir auch das
       Ziel, ein Nachwuchsteam aufzubauen.“ Es wäre ein Unterfangen mit großer
       Strahlkraft. Bundesweit gibt es ein Mädchenteam wohl nur in Duisburg.
       
       Schon jetzt bieten die Frauen Eisbären Juniors einmal pro Woche ein
       Training an, zu dem sie alle Berliner Eishockey-Mädchen sammeln. Bisher
       trainieren die nur mit Jungs. Weil vielen irgendwann die harten Bodychecks
       Schwierigkeiten machen, steigen sie sehr jung zu den Frauen auf. Die
       Jüngsten bei den Frauen Eisbären Juniors sind zwölf Jahre alt. Mit 15
       Jahren dürfen sie Bundesliga spielen.
       
       Ein solches Team zu betreuen ist für den Coach ein extremer Spagat. „Viele
       Sachen, die für eine 33-jährige A-Nationalspielerin klar sind, sind
       natürlich für eine Zwölfjährige nicht klar“, erzählt er. Auch deshalb
       arbeiten sie auf eine Mädchenmannschaft hin.
       
       ## Ausrüstung wird selbst bezahlt
       
       Stürmerin Nina Kamenik weiß, wie viel sich schon bis heute getan hat. Die
       33-Jährige debütierte mit 16 Jahren in der Bundesliga für den OSC Berlin.
       Damals, in den ersten Jahren, durften die Frauen nur einmal pro Woche auf
       Eis trainieren. Heute haben sie drei Eiszeiten. „Das Spiel hat sich sehr
       verändert“, sagt sie. Kameniks Eltern wohnten früher in Lankwitz gegenüber
       dem Eisstadion; wie so viele Spielerinnen stammt sie aus einer
       Eishockey-begeisterten Familie.
       
       Mit drei Jahren konnte sie Schlittschuh laufen, ihre gesamte Jugendkarriere
       über spielte sie bei den Jungs. Ans Karriereende will sie auch heute noch
       nicht denken. Aber: „Es ist die ganze Zeit bei allen im Hinterkopf, was man
       für berufliche Möglichkeiten hat.“ Die Eishockeyspielerinnen sind nicht nur
       alle Amateurinnen, sie müssen auch ihre Ausrüstung selbst zahlen. Darunter
       fünf bis sechs Schläger pro Saison, die pro Stück 200 Euro kosten.
       Bundesligaspielerin zu sein, muss man sich leisten können.
       
       Doch es gibt Orte, wo auch das schon anders ist. Anne Bartsch hat eine
       Saison in Schweden gespielt, für den Erstligisten HV71. Die Spielerinnen
       bekamen dort Gehalt, Gutscheine für Sport-Equipment, umfangreiches
       Sponsoring. „Eishockey ist Nationalsport, und als Frau war man den Männern
       gleich gestellt“, sagt sie. „In Deutschland wird man eher gefragt:
       Frauen-Eishockey, gibt’s das?“
       
       Sie hofft, dass Deutschland langsam nachzieht: „Wir brauchen mehr
       Sponsoren, bessere Nachwuchsarbeit, Mädchen-Nachwuchsteams. Und
       Wertschätzung.“ Mit dem Vereinswechsel ist all das ein Stück näher
       gekommen. Und auch die Liga entwickelt sich rasant: Diese Saison gibt es
       zum ersten Mal Playoffs. Die aktuell fünftplatzierten Frauen Eisbären
       Juniors wollen sich qualifizieren. Dafür brauchen sie Platz 4. Kein Ding
       der Unmöglichkeit.
       
       20 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
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