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       # taz.de -- Hartz IV und Grundsicherung: 571 statt 416 Euro?
       
       > SPD und Grüne wollen eine neue Grundsicherung. Wie hoch muss diese sein?
       > Die Bundesregierung und Sozialverbände rechnen unterschiedlich.
       
   IMG Bild: Wieviel braucht ein Mensch zum Leben? Auf jeden Fall mehr als den aktuellen Regelsatz
       
       SPD und Grüne werben dafür, Hartz IV durch eine neue Grundsicherung zu
       ersetzen. Doch um die entscheidende Frage drücken sie sich herum: Wie hoch
       müssten die Regelsätze sein, um Menschen die Existenz zu sichern und
       soziale Teilhabe zu ermöglichen?
       
       Im Moment bekommen Hartz-IV-BezieherInnen 416 Euro im Monat. Zusätzlich
       werden ihnen die Kosten für eine angemessene Wohnung erstattet. Diese Sätze
       bedeuten für die Betroffenen im Alltag harte Einschränkungen, sie können
       kaum etwas für Notfälle zurücklegen. Eine defekte Waschmaschine etwa
       bedeutet ein großes Problem, auch wenn das Jobcenter Darlehen gewähren
       kann.
       
       Sozialverbände fordern seit Langem eine deutliche Anhebung der
       Hartz-IV-Sätze. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält einen Regelsatz von
       571 Euro für Erwachsene für angemessen. „Es ist Zeit, zu brechen mit der
       misanthropischen Grundhaltung und dem negativen Menschenbild der
       Hartz-Gesetze, mit dem der Sanktionsapparat, aber auch die unter der
       Armutsgrenze liegenden Geldzuwendungen begründet werden“, sagt
       Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
       
       Der Paritätische wirft der Regierung eine unzulässige Berechnung der
       Regelsätze vor. Ursprünglich sei erhoben worden, welche Ausgaben die
       unteren 20 Prozent der Bevölkerung hätten. 2011 habe die damalige
       Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Berechnungsgrundlage
       geändert. Seither gelten laut dem Verband nur noch die Ausgaben der unteren
       15 Prozent als maßgeblich.
       
       ## Kommission, die das Existenzminimum ermittelt
       
       Außerdem seien Posten gestrichen worden, zum Beispiel Ausgaben für Tabak,
       Alkohol oder Reisen. Dabei spielte es keine Rolle, ob das Geld tatsächlich
       für Zigaretten ausgegeben wurde oder nicht. Außerdem werden dem
       Paritätischen zufolge verdeckt Arme nicht aus der Bezugsgruppe
       herausgerechnet; also Menschen, die Anspruch auf Grundsicherung hätten,
       diesen aber etwa aus Scham nicht anmelden.
       
       Der Verband kritisiert die Berechnung der Regierung deshalb als „fachlich
       nicht überzeugend“. Neben der Erhöhung fordert Schneider eine Kommission,
       die das Existenzminimum valide ermittelt. Ebenso müssten die Regelsätze für
       Minderjährige – korrespondierend zu denen für Erwachsene – um 37 Prozent
       angehoben werden. Außerdem brauche es Vorschläge für eine bedarfsdeckende
       Finanzierung der Stromkosten und langlebiger Konsumgüter – Stichwort
       Waschmaschine.
       
       Andere Sozialverbände sehen das ähnlich. „Nötig ist ein transparentes
       Verfahren der Bedarfsermittlung, das die Erfordernisse der Hartz-Bezieher
       lebensecht abbildet“, sagt Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes
       Deutschland. So habe es das Bundesverfassungsgericht der Regierung bereits
       vor Jahren ins Stammbuch geschrieben.
       
       „Wir brauchen eine grundsätzliche Neuberechnung der Grundsicherung, wobei
       die tatsächlichen Kosten für zum Beispiel eine gesunde Ernährung,
       Bildungsbedarfe für Kinder und reale Gesundheits- und Mobilitätsausgaben
       für Ältere zu Grunde gelegt werden müssen“, sagt auch Verena Bentele,
       Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland. Die Regelsätze müssten nach
       diversen Studien bei etwa 560 Euro liegen.
       
       19 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrich Schulte
       
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