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       # taz.de -- Kolumne German Angst: Nationalismus hat ein Geschlecht
       
       > Das Bild der Frau muss oft für den Zustand der Nation herhalten. Sie ist
       > potenziell schon immer im Bündnis mit dem Feind.
       
   IMG Bild: Von Pegida bis zu Köthen: Wer hier auf die Straße geht, ist in der Mehrzahl männlich
       
       Es ist nicht gerade die große Zeit des Mannes. #MeToo, Streit um moderne
       Männlichkeiten und einvernehmlichen Sex, Totalverunsicherung, angry white
       men und toxische Männlichkeit, wohin man schaut, und überhaupt haben wir in
       Deutschland ja eine Kanzlerin! Gut, ist eine ziemliche Ausnahme. Vielleicht
       ist es also gerade doch die Zeit des Mannes. Denn je unsicherer der Status
       des Mannes, umso lauter werden seine Verteidiger.
       
       Von Pegida bis zu Chemnitz und Köthen – wer da, vereint in
       Menschenfeindlichkeit auf die Straße geht, ist in der absoluten Mehrzahl
       männlich. Es ist kaum zu übersehen, dass der autoritäre
       Nationalradikalismus ein soziales Geschlecht hat. Als Kehrseite dazu gehört
       dazu die rhetorische Schleife und Instrumentalisierung von sexualisierter
       Gewalt gegen Frauen als Schlachtross der einen gegen die anderen, fremden
       Männer.
       
       Die Nationalradikalen selbst entdecken das Geschlecht als Ressource, auch
       Frauenthemen, obgleich aus antifeministischer Perspektive. Das alles
       geschieht, während der liberale Mainstream [1][sich über Gender Studies und
       Unterstrich mokiert.] Warum das so fatal ist? Weil in den
       Geschlechterverhältnissen so viel aufgehoben ist.
       
       Zum Beispiel steht hinter der Normalisierung des nationalen Diskurses und
       seiner Dichotomisierung der Welt, in der das Auseinanderdividieren von Mann
       und Frau besonders wichtig ist, die traditionelle Kleinfamilie. Ein Ort der
       radikalen Abgrenzung nach außen, der trotz gleichgeschlechtlicher Ehe,
       Patchwork, Polyamorie usw. doch immer noch das eine sein soll: Schutzraum
       für Frau und Kind als Nukleus der Nation. Das tief in unser
       Selbstverständnis eingeschriebene Bild des potenten Erzeugers als
       Brotverdiener und der Frau als Mutter und vielleicht noch etwas anderem,
       wenn sie’s denn schafft. Aber auch symbolisch.
       
       ## Heilige und Hure
       
       Vor 100 Jahren bekamen Frauen das Wahlrecht eingeräumt. Begleitet wurde
       diese neue Handlungsfähigkeit der Frau in der Öffentlichkeit vom Schock
       einer Gesellschaft, die den Menschen nun mal als Mann definiert hatte. Die
       Frauen verkörpern seither die neue Ambivalenz einer modernen Gesellschaft –
       der Abwehrreflex ist entsprechend bis heute weit verbreitet. Viele der
       gängigen Wunschfantasien von der Frau und der Gemeinschaft, die sie
       verkörpert, sind hier verwurzelt: [2][Heilige und Hure,] Opfer und
       Verführerin, Mutter und Kindsmörderin.
       
       Und im Zweifel muss das Bild der, nein, unserer Frau für den Zustand der
       Nation herhalten. Dass unsere Frauen geschützt werden müssen, [3][vor
       Männerhorden, Messerstechern und Vergewaltigern.] Aber das ist eben nur die
       halbe Wahrheit, denn die Fantasie von der Frau als Spiegelbild einer
       bedrohten (deutschen) Nation hat eine Kehrseite: bedroht wird sie eben auch
       von innen. Es ist grotesk, aber selbst die Umvolkung, sie funktioniert nur
       über die Frau. Das ist das Problem mit den Frauen. Sie ist potenziell schon
       immer im Bündnis mit dem Feind.
       
       20 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Ausstellung-Waiting-for-the-Revolution/!5086372
   DIR [3] /Kolumne-Minority-Report/!5403805
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sonja Vogel
       
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