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       # taz.de -- Kolumne Geht’s noch?: Digitales Burka-Verbot
       
       > Österreich will Hass im Netz bekämpfen – und hat keine bessere Idee, als
       > die Anonymität im Netz abzuschaffen. Den Opfern würde das kaum helfen.
       
   IMG Bild: Anonymitätsverbote im Netz schützen nicht vor Straftaten und Hate Speech
       
       Die ehemalige österreichische Nationalratsabgeordnete Sigi Maurer erhielt
       sexistische Nachrichten von dem Facebookprofil eines Bierladens.
       Geschrieben hat diese Nachrichten mit hoher Wahrscheinlichkeit der
       Betreiber des Ladens, [1][auch wenn nicht alle Zweifel an seiner Identität
       ausgeräumt werden konnten]. Maurer fehlten die Möglichkeiten, juristisch
       gegen den Mann vorzugehen, also entschied sie sich für digitale „Notwehr“.
       
       Sie veröffentlichte das Posting und wurde dafür [2][wegen übler Nachrede zu
       einer Geldstrafe verurteilt]. Dieses Urteil ist ein Skandal. Noch
       beschämender ist allerdings, wie die österreichische Regierung darauf
       reagiert. In der vergangenen Woche lud sie zum Gipfel gegen Hass im Netz.
       Ihr einziger konkreter Vorschlag: die Anonymität im Netz einschränken. Ob
       das in eine Klarnamenpflicht münden soll, ist noch ungewiss. Österreich
       hätte damit eine ähnlich Regelung wie die autoritären Regime China, der
       Iran und Nordkorea.
       
       Die schwarz-blaue Regierung nennt ihren Vorschlag „digitales
       Vermummungsverbot“. Was in Österreich schon auf der Straße funktioniert
       hat, soll also ins Netz: die digitale Burka verbieten. Dabei liegt das
       Problem für den Hass woanders. Eine von drei Frauen ist in Österreich von
       Beschimpfungen, sexuell anzüglichen Mitteilungen oder dem Verbreiten
       schlimmer Gerüchte im Netz betroffen.
       
       Es sind besonders junge Frauen, und nur jeder Zehnte Täter ist auch
       wirklich anonym. Selbst wenn mit dieser Maßnahme dieser zehnte Hasstäter
       identifizierbar wäre, blieben die Opfer juristisch wehrlos. Die Regierung
       instrumentalisiert den „Schutz der Frauen“, um eine Vorratsdatenspeicherung
       durch die Hintertür einzuführen.
       
       Das Beispiel Südkorea zeigt, wie ineffektiv selbst eine
       Identifikationspflicht im Netz ist. Dort gingen die Hasstaten nicht zurück,
       als so eine eingeführt wurde. Das Verfassungsgericht kippte das Gesetz
       wegen seiner Unverhältnismäßigkeit und die Daten von 70 Prozent der
       Bevölkerung wurden gestohlen. Es entstand ein Schwarzmarkt für fremde
       Identitäten.
       
       Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Vize Hans-Christian Strache haben die
       [3][Aufmerksamkeit auf die „Anonymen“] gelenkt. Das ist rechtspopulistische
       Notwehr. Ginge es den Regierenden wirklich um den Hass, müssten sie nach
       dessen Ursachen fragen. Das tun sie aber nicht, denn sie brauchen ihn
       selbst, um die Ressentiments zu schüren, die ihnen ihre Wähler_innen
       sichern.
       
       16 Nov 2018
       
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