# taz.de -- Die Grünen vor ihrem Parteitag: „Wir bleiben auf dem Boden“
> Am Wochenende wollen sich die Grünen für die Europawahl 2019 aufstellen.
> Die Partei setzt auf den Rückenwind aus den Landtagswahlen.
IMG Bild: Die Grünen derzeit in bester Laune: Michael Kellner, Katrin Göring-Eckardt, Robert Habeck, Claudia Roth (v. l. n. r.)
BERLIN taz | Die Grünen strahlen momentan eine fast schon beängstigende
Geschlossenheit aus, getragen vom Schwung der Wahlerfolge in Hessen und
Bayern. Im Oktober seien im Schnitt jeden Tag 75 Menschen in die Partei
eingetreten, berichtet Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Mittwoch in
Berlin. „Der Laden brummt, wir haben über 70.000 Mitglieder.“
Mit diesem Hochgefühl wollen sich die Grünen nun auch der Europawahl im Mai
nächsten Jahres widmen. Den Anfang macht die Bundesdelegiertenkonferenz am
kommenden Wochenende in Leipzig. 850 Delegierte werden erwartet, sie
verabschieden das Wahlprogramm und die Kandidatenliste der deutschen Grünen
für die Wahl des Europaparlaments. 911 Änderungsanträge sind in der
Parteizentrale bereits vorab eingegangen. Michael Kellner,
Bundesgeschäftsführer der Grünen, erwartet einen „Arbeitsparteitag“. Man
spüre die „Leidenschaft der Partei für Europa deutlich“.
Das Europawahlprogramm legt einen deutlichen Fokus auf ein grünes
Kernthema: die sozial-ökologische Transformation. Man arbeite auf ein
„Europa als Klimaschutzunion“ hin, sagte Kellner. „CO2 muss einen Preis
bekommen“, steht im Wahlprogramm. Die Grünen fordern eine Reform des
Emissionshandels, genauer die Einführung einer CO2-Bepreisung für alle
Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen, vor allem Industrieanlagen
sowie Kohle- und Gaskraftwerke.
Außerdem spricht sich die Partei für eine europaweite Plastiksteuer aus:
Bis 2030 soll nur noch recyceltes Plastik in Europa erlaubt sein. Auch die
umweltfreundliche Mobilität ist ein großes Thema, dazu wird der Ausbau
eines europaweiten Bahnsystems mit Nachtzügen und einem einheitlichen
Ticketsystem gefordert. Weiter fordern die Grünen die Einführung einer
Digitalsteuer. Die Steuerpraktiken großer Digitalkonzerne wie Google,
Facebook und Amazon will man sich bei den Grünen nicht mehr länger bieten
lassen.
## Thema Flüchtlinge nicht zu hoch hängen
Zu den Fragen Flucht und Migration hält sich Kellner vorerst bedeckt. Man
wolle vermeiden, dass auch der Europawahlkampf einzig auf diese Frage
reduziert werde. Die Forderungen im Programm sind da deutlicher: Im Kapitel
„Einwanderung gestalten, Flüchtlinge schützen“ geht es um legale Fluchtwege
und Einwanderungsmöglichkeiten. Bislang hätten die EU-Mitgliedstaaten keine
überzeugende gemeinsame Antwort auf Migration und Flucht gegeben.
Die EU müsse das Grundrecht auf Asyl und zügige, geordnete Verfahren in der
Flüchtlingspolitik besser zusammenbringen, fordern die Grünen. Es brauche
ein Europa, das Asylsuchenden ein faires Verfahren garantiere und seine
Grenzen kontrolliere: „Wir wollen ein europäisches Grenzkontrollregime, das
auf dem gemeinsamen Schutz der Menschenrechte basiert und das Vertrauen in
das Schengen-System stärkt, anstatt einer einseitigen Aufrüstung von
Frontex“.
Die Parteiführung rechnet mit „spannenden Auseinandersetzungen“ bei diesen
Themen, so Kellner. Indes: Winfried Kretschmann, der grüne
Ministerpräsident aus Baden-Württemberg, und ein dezidiert konservativer
Vertreter in diesen Fragen, wird aus Termingründen voraussichtlich nicht in
Leipzig dabei sein.
## Ska Keller ist Spitzenkandidatin
Keine Auseinandersetzung hingegen erwartet die Parteiführung bei der
Kandidatenfrage. Die Fraktionschefin der Grünen-Fraktion im EU-Parlament,
Ska Keller, soll auf Platz eins gewählt werden und will zwei Wochen später
auf einem Parteitag der europäischen Grünen in Berlin ebenfalls als
Spitzenkandidatin kandidieren. Auf Platz zwei der deutschen Liste
kandidiert Sven Giegold, ebenfalls ein erfahrener Europapolitiker.
Auf Platz drei kandidiert die Europaabgeordnete Terry Reintke aus
Gelsenkirchen. Von ihr stammt auch ein Änderungsantrag, der die Einführung
eines europäischen Basis-Kindergelds für die Finanzierung einer besseren
Existenzsicherung für Kinder in den EU-Mitgliedstaaten fordert.
Bei den letzten Europawahlen 2014 holten die Grünen 10,4 Prozent und 11
Sitze im EU-Parlament. Für aktuelle Wahlprognosen ist es noch viel zu früh.
„Wir freuen uns sehr über den Rückenwind aus den Landtagswahlen“, sagt
Michael Kellner. „Aber wir bleiben auf dem Boden.“
8 Nov 2018
## AUTOREN
DIR Jonas Weyrosta
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