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       # taz.de -- Datenpanne beim Verfassungsschutz: Chefin muss gehen
       
       > Maren Brandenburger, Geheimdienstchefin in Niedersachsen, tritt wegen
       > einer Datenpanne zurück. Aktivisten hatten einen V-Mann enttarnt.
       
   IMG Bild: Haben gut zusammen gearbeitet: Maren Brandenburger und Boris Pistorius
       
       Hannover taz | Die niedersächsische Verfassungsschutzchefin ist ihren Job
       los. Maren Brandenburger hat Innenminister Boris Pistorius (SPD) um ihre
       Versetzung gebeten. Grund ist die Datenpanne beim Verfassungsschutz, durch
       die in der vergangenen Woche ein V-Mann aufgeflogen war, der die linke
       Szene in Göttingen bespitzelt hatte.
       
       Pistorius trat gestern Nachmittag ohne Brandenburger vor die Presse. Die
       Panne sei sowohl auf individuelle Fehler von Mitarbeitern zurück zu führen,
       als auch auf organisatorische Mängel in einem höchst sensiblen Bereich. Das
       habe eine interne Prüfung der Verfahren und Organisationsabläufe im
       Verfassungsschutz gezeigt. Brandenburger sei über das Ergebnis des Berichts
       „selbst überrascht“ gewesen, sagte Pistorius, der keine Details zu der
       Panne nennen mochte. „Am Ende des Gesprächs hat sie mich gebeten, sie von
       ihrem Dienstposten zu entbinden.“
       
       Brandenburger solle perspektivisch im Sozialministerium als
       Referatsleiterin im Bereich Integration arbeiten. Sie verdient dann
       deutlich weniger als bisher. Als Ministerialrätin ist sie in der
       Gehaltsstufe B2. Das sind monatlich 7.620 Euro. Bisher bekam sie B6, also
       9.589 Euro.
       
       Ein persönliches Fehlverhalten liege nicht vor, sagte Pistorius. „Sie hat
       einen guten Job gemacht.“ Deshalb habe er Hochachtung davor, dass sie die
       Verantwortung für den Fehler übernommen habe. Für die Mitarbeiter, die an
       der Datenpanne beteiligt waren, würden derzeit disziplinarische Maßnahmen
       geprüft. Die Nachfolge für den Chefposten des Verfassungsschutzes werde in
       Kürze bekannt gegeben, kündigte Pistorius an.
       
       ## Gegen den Mainstream
       
       Brandenburger ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet schon seit 1996
       beim niedersächsischen Verfassungsschutz. Sie war dort zehn Jahre lang
       Pressesprecherin, bevor Pistorius sie als frisch gewählter Innenminister
       zur Verfassungsschutzpräsidentin machte. Brandenburger war die erste Frau,
       die die Behörde in Niedersachsen geleitet hat. Aus Kreisen der SPD ist über
       sie zu hören, dass sie mit manchen Automatismen im Verfassungsschutz
       aufgeräumt und sich gegen den dort herrschenden Mainstream gestellt habe.
       
       Die Grünen hatten in ihrem Programm für die Wahl 2013 „die vollständige
       Auflösung“ des Verfassungsschutzes gefordert, weil sie die Behörde für
       nicht reformierbar hielten. Mit Brandenburger als Kompromiss konnten die
       Grünen in der gemeinsamen Regierungszeit mit der SPD gut leben. „Ihre
       zentrale Leistung ist, dass sie die rechtswidrige Datenspeicherei beendet
       und die Arbeit des Verfassungsschutzes darauf beschränkt hat, wirkliche
       Verfassungsfeinde zu beobachten“, sagt der Landtagsabgeordnete Helge
       Limburg (Grüne) über Brandenburger.
       
       ## Transparenteres Gesetz
       
       Unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung waren Journalisten, kritische
       Bürger und Rechtsanwälte vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Wohl auch
       als Reaktion darauf [1][ließ Pistorius das Verfassungsschutzgesetz 2016
       reformieren].
       
       Seither muss jede Überwachung vom Innenministerium genehmigt werden.
       Außerdem wird nach spätestens vier Jahren überprüft, ob sich die Vermutung,
       dass der Bespitzelte die freiheitlich-demokratische Grundordnung der
       Bundesrepublik tatsächlich bekämpfen will, erhärten ließ. War dieser
       Verdacht unbegründet, muss der Betroffene über die Beobachtung informiert
       werden. „Dieses Gesetz trägt nicht zuletzt die Handschrift von Frau
       Brandenburger“, sagte Pistorius.
       
       Der Vorfall, der sie nun den Job gekostet hat, war die Enthüllung eines
       24-jährigen V-Manns aus Göttingen. Auf der Internetseite de.indymedia.org
       veröffentlichten linke Aktivisten am Dienstag vergangener Woche den Namen,
       die Adresse und alle Informationen, die sie sonst über den Informanten des
       Verfassungsschutzes hatten. Dass der Politikstudent ein V-Mann war, der die
       linke Szene im Blick haben sollte, erfuhren die Aktivisten durch einen
       Fehler der Behörde selbst.
       
       Im Zusammenhang mit einem Auskunftsersuchen habe der Verfassungsschutz
       vergessen, vertrauliche Inhalte in Akten, die an das Verwaltungsgericht
       Hannover gingen, zu schwärzen, heißt es in dem Statement auf indymedia. So
       sei es möglich gewesen, den Informanten zu enttarnen.
       
       ## FDP hatte Rücktritt gefordert
       
       Es „gilt als ausgeschlossen“, dass es weitere Fälle gegeben habe, in denen
       Akten ungeschwärzt raus gegangen seien, sagte Pistorius.
       
       FDP-Chef Stefan Birkner hatte den Rücktritt Brandenburgers schon nach dem
       Bekanntwerden der Panne gefordert. „Ein Neuanfang an der Spitze des
       Verfassungsschutzes ist notwendig, um die Schwäche in der
       Sicherheitsarchitektur des Verfassungsschutzes in Niedersachsen beheben zu
       können“, sagte er. Die Behörde müsse die Defizite genau analysieren.
       
       Der Grüne Limburg sieht „erheblichen inhaltlichen Aufklärungsbedarf beim
       Einsatz und Schutz von V-Leuten sowie der Bespitzelung der linken Szene in
       Göttingen.“ Es sei bedauerlich, dass Brandenburger über die Strukturen
       stolpere, die sie selbst deutlich verbessert habe, sagte Limburg –
       „offensichtlich war das noch nicht genug.“
       
       21 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Maestro
       
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