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       # taz.de -- Prozess gegen Drogenboss „El Chapo“: Allgegenwärtige Angst
       
       > Zum Prozessbeginn gegen den Mafiaboss in New York weist die Verteidigung
       > alle Vorwürfe zurück. Guzmán ist der gefährlichste Gefangene der USA.
       
   IMG Bild: Die Gerichtszeichnung aus New York zeigt „El Chapo“ (Mitte) während des Prozessauftakts
       
       Oaxaca taz | Wer am Dienstagmorgen die New Yorker Brooklyn-Bridge passieren
       wollte, musste mit erheblichen Verzögerungen rechnen. Die Brücke war
       gesperrt, selbst der Luftraum wurde abgeriegelt, wie auf Fernsehaufnahmen
       zu sehen war. Nur ein Konvoi gepanzerter schwarzer Fahrzeuge bewegte sich
       vom Manhattener Gefängnis Richtung Brooklyn.
       
       Es war die Eskorte für den derzeit gefährlichsten Gefangenen des Landes:
       [1][den mexikanischen Mafiaboss Joaquín Guzmán Loera,] wegen seiner
       geringen Körpergröße auch „El Chapo“, der Kurze, genannt. In seiner Heimat
       war er zweimal aus dem Knast ausgebrochen. Hier im Herzen der USA wollten
       die Strafverfolger kein Risiko eingehen. Der 61-Jährige sollte sicher zu
       seinem Prozess im Eastern District Court gebracht werden.
       
       Höchste Alarmstufe galt auch im Gerichtsgebäude, wo Dienstag der
       Anklagevertreter sowie die Verteidigung ihre Eingangsplädoyers verlasen.
       Besucher berichten, dass sie Kontrollen mit Metalldetektoren und
       Sprengstoffhunden über sich ergehen lassen mussten, Stahlgitter und
       zahlreiche Polizisten sicherten das Gebäude ab. Zuschauer und Journalisten
       harrten angesichts der intensiven Kontrollen in einer Schlange lange Zeit
       im strömenden Regen aus.
       
       Im Gerichtssaal wartete indes ein sichtlich gut gelaunter Chapo, der sich
       laut Berichten von Besuchern ziemlich herausgeputzt hatte: weißes Hemd,
       schwarzes Sakko, dunkelblaue Krawatte. Der Prozess gilt als der größte, der
       je in den USA gegen einen Drogenhändler geführt wurde. 300.000 Seiten
       Dokumente, 117.000 Audioaufnahmen sowie Videos und Fotos hat das Gericht
       gesammelt.
       
       ## Tod von 3000 Menschen
       
       [2][Guzmán habe in einem „blutigen Krieg“ sein „riesiges
       Drogenschmuggel-Imperium“ verteidigt,] sagte Staatsanwaltschaft Adam Fels.
       Wenn er jemanden loswerden wollte, habe er einen Auftragskiller engagiert
       oder selbst Hand angelegt. El Chapos kriminelles Unternehmen, das
       Sinaloa-Kartell, sei in Mexiko für den Tod von mindestens 3.000 Menschen
       verantwortlich.
       
       „Der Kurze“ muss sich vor dem New Yorker Gericht auch wegen
       Drogenschmuggels, Geldwäsche und Waffenhandels verantworten. [3][Sein
       Kartell soll 115 Tonnen Kokain in die USA geliefert haben.] Dazu kommen
       große Mengen Heroin, Marihuana und andere Drogen. Durch die weltweiten
       Geschäfte soll die Organisation 14 Milliarden US-Dollar eingenommen haben.
       
       Guzmáns renommierter Anwalt Jeffrey Lichtman hielt dagegen. Nicht sein
       Mandant, sondern der flüchtige Mafiaboss Ismael „El Mayo“ Zambada habe das
       Sinaloa-Kartell geleitet. Dann folgte ein Plädoyer, das Aufsehen erregte.
       Zambada habe den ehemaligen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón sowie
       dessen amtierenden Nachfolger Enrique Peña Nieto Millionenbeträge an
       Schmiergeld gegeben.
       
       „Mayo kann dafür sorgen, dass Menschen verhaftet werden und die
       mexikanische Armee und Polizei tötet, wen er will“, behauptete Lichtman.
       Beweise legte er jedoch nicht vor. Sowohl Calderón als auch ein Sprecher
       Peña Nietos widersprachen den Vorwürfen umgehend.
       
       ## Geschworene in Angst
       
       Dass das Sinaloa-Kartell mit der Regierung kooperiert, ist keine neue
       Behauptung. [4][Ganze Romane und Netflix-Serien nähren sich von dieser
       These.] Bewiesen ist sie jedoch nicht. Sollte Guzmáns Verteidigung noch mit
       Beweisen nachlegen, könnte sie aber in Mexiko ein politisches Erdbeben
       auslösen. Dass „El Chapo“ nun seinen langjährigen engsten Partner „El Mayo“
       beschuldigt, verweist auf die großen Zerwürfnisse innerhalb des
       Sinaloa-Kartells, nachdem Guzmán 2016 verhaftet und ein Jahr später in die
       USA ausgeliefert wurde.
       
       Auch unter den Zeugen, die im Bundesgericht von Brooklyn gegen ihn aussagen
       sollen, befinden sich einige ehemalige Weggefährten des Angeklagten. So
       etwa Dámaso Lopez, „el Licenciado“, der bis zu seiner Festnahme 2017 einen
       blutigen Kampf gegen El Chapos Söhne um die Macht im Sinaloa-Kartell
       führte. Um die Sicherheit der Aussagewilligen besorgt, bat Richter Brian
       Cogan, von den Kronzeugen keine Gerichtsskizzen anzufertigen.
       
       Die allgegenwärtige Angst sorgte auch dafür, dass Staatsanwaltschaft und
       Verteidigung erst mit mehrstündiger Verspätung ihr Eröffnungsplädoyer
       halten konnten. [5][Die New York Post berichtet], dass eine „ängstliche und
       aufgewühlte“ Geschworene ein Attest abgegeben habe, demzufolge sie nicht am
       Verfahren teilnehmen könne. Also musste Richter Cogan einen Ersatz finden.
       
       Dabei hatte das Gericht erst vergangene Woche mühsam die sieben Frauen und
       fünf Männer ausgewählt, die dem Verfahren als Geschworene bewohnen. Fünf
       weitere Personen wurden abgelehnt, weil sie um ihr Leben fürchteten, einer
       erlitt während der Befragung eine Panikattacke und wurde ins Krankenhaus
       eingeliefert. Die nun Auserwählten bleiben während des Verfahrens anonym
       und genießen ständigen Begleitschutz durch bewaffnete Bundespolizisten.
       
       ## Cocktail am Pool
       
       Für prozessbegleitenden Glamour sorgte Guzmáns Frau Emma Coronel. El Chapos
       Anwälte hatten das Gericht vergangene Woche gebeten, als „humanitäre Geste“
       zuzulassen, dass der Angeklagte seine Liebste zu Prozessbeginn umarmen
       dürfe. Das sei nicht drin, reagierte Richter Cogan. Zu groß sei die Gefahr,
       dass Guzmán dies zur Flucht nutze oder Befehle zum Angriff auf Zeugen gebe.
       
       Daraufhin postete die ehemalige Schönheitskönigin [6][ein Foto für ihre
       400.000 Instagram-Abonnenten] vor dem gestrigen Prozesstag, auf dem sie zu
       sehen ist, während sie einen Cocktail am Swimmingpool trinkt. Dazu schrieb
       sie: „Ich träume davon, von dir umarmt zu werden.“
       
       14 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
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   DIR [5] https://nypost.com/2018/11/13/el-chapos-trial-delayed-by-anxious-juror-who-wants-off-the-case/
   DIR [6] https://www.instagram.com/p/BqDO9Eehab0/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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