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       # taz.de -- Europaexpertin über Eurozonen-Budget: „Angst vor Europa, Angst vor der AfD“
       
       > Europa brauche einen Plan für ein gemeinsames Eurozonen-Budget, findet
       > Ulrike Guérot. Das verhindere ein Auseinanderbröckeln der Europäischen
       > Union.
       
   IMG Bild: „Wozu brauchen wir ein Eurozonen-Budget?“
       
       taz: Auch die Deutschen sind jetzt für ein [1][gemeinsames
       Eurozonen-Budget]. Sie streiten seit Jahrzehnten für ein vereintes Europa.
       Frau Guérot, sind Sie nun zufrieden? 
       
       Ulrike Guérot: Nein, nicht wirklich. In der FAZ steht „Wozu brauchen wir
       ein Eurozonen-Budget?“ und die deutsche Fähigkeit, das Thema zehn Jahre
       lang einfach wegzuleugnen, geht auf keine Kuhhaut. Konkrete Pläne zum
       Eurozonen-Budget gibt es seit 2010, der 5-Präsidenten-Report hat es 2012
       offiziell vorgeschlagen, 2015 waren die Vorstellungen im Folgebericht
       bereits ein bisschen weichgespült. Das gemeinsame Budget ist ja keine Laune
       von Emmanuel Macron, Artikel 23 des Grundgesetzes – hier wird die
       „Verwirklichung einer immer engeren Union“ gefordert -, verpflichtet uns ja
       geradezu auf ein Näherkommen Europas.
       
       Frankreichs Staatspräsident Macron forderte 5 Prozent der europäischen
       Wirtschaftsleistung, der Umfang soll nun viel kleiner sein, 2021 soll es
       erst losgehen. Was halten Sie davon? 
       
       Es ist besser als nichts, aber „too late, to little“, – zu klein, zu spät –
       so schreiben es die angelsächsischen Zeitungen. Immerhin: Ein Prozess
       beginnt, ein Thema ist gesetzt. Gut, dass Frau Merkel auf ihren letzten
       Metern noch mal den Dreh hinbekommt. Aber selbst eher konservative Ökonomen
       wie Beatrice Weber di Mauro sagen in akademischen Berechnungen, dass es
       erst zwischen 4 und 6 Prozent Sinn macht, um Europa zu stärken.
       
       Warum ist das Budget dann so geschrumpft? 
       
       Leider haben die Deutschen wieder Angst vor Europa, Angst vor einer
       Transferunion, letztlich Angst vor der AfD. Dabei brauchen wir eine andere
       Aufstellung der Eurozonen-Gouvernance, zum Beispiel durch eine gemeinsame
       Arbeitslosenversicherung. Ganz schlicht um zu vermeiden, dass die Union
       auseinanderbröckelt.
       
       Ist es nicht gefährlich, wenn populistische Regierungen wie die in Italien
       durch ein gemeinsames Budget Mitspracherecht auf noch mehr Mittel aus
       Deutschland bekommen? 
       
       Ist es nicht ein viel größeres Risiko, den italienischen Populismus
       weitermarschieren zu sehen, wenn wir im Ist-Zustand verharren? Dabei
       könnten mit den Mitteln des Budgets die Folgen der Krise im Land gelindert
       werden. Das Problem ist doch: Anders als beim Euro oder beim Binnenmarkt
       gibt es diesmal keinen ökonomischen Treiber für eine engere europäische
       Verzahnung. Im Vergleich zu den Vorgängerprojekten kostet der Erhalt der
       europäischen Demokratie – und das Eurozonen-Budget wäre ein Teil davon –
       eben etwas.
       
       Warum sollten wir dennoch dafür sein? 
       
       Die Deutschen sollten sich nicht beschweren: Wir profitieren am meisten von
       Europa, wir sind frei nach Orwell etwas „gleicher“ als die anderen in der
       Union. Aber: Privilegienbesitzer sind sich immer nicht bewusst, dass sie
       besser gestellt sind als andere. Der Euro war nicht demokratisch und war
       nicht sozial eingebettet in das Projekt Europa, der Euro ist sozusagen
       falsch verwaltet worden und hat damit Probleme erzeugt, die sich jetzt
       offenbaren.
       
       Was kann Europa tun? 
       
       Der Philosoph Jürgen Habermas spricht vom Preis der Rechtsgleichheit. Es
       ist ja auch falsch zu glauben, dass wir gerade keinen Preis für die
       Defizite zahlen. Unsere Wirtschaftsunion ist nicht durch eine Sozial- und
       Fiskalunion unterfüttert. Die Folgen sind der Nationalismus, der
       Populismus, vom Brexit gar nicht zu reden. Um aus dieser fatalen Spur
       herauszufinden, wäre das Budget ein erster, pragmatischer Schritt.
       
       20 Nov 2018
       
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