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       # taz.de -- Adventskalender: Die frohe Botschaft (2): Bens Bäume dürfen weitertagen
       
       > Der Bundestag überträgt das „Parlament der Bäume“ von Aktionskünstler Ben
       > Wagin dem Land Berlin – damit scheint die Installation gesichert zu sein.
       
   IMG Bild: Grün, geschichtsträchtig und angenehm unordentlich: Ben Wagins „Parlament der Bäume“
       
       Nach dem christlichen Kalender wird die Frohe Botschaft ja erst am 24.
       Dezember verkündet. Weil es in diesem irdischen Jammertal aber so selten
       Grund zur Freude gibt, präsentieren wir ab sofort täglich bis Weihnachten
       eine gute Nachricht. 
       
       „Man kann mit Politik keine Kunst machen, aber vielleicht mit Kunst
       Politik.“ Dieser denkwürdige Satz steht auf einem der Mauersegmente, die
       Berlins Aktionskünstler-Ikone Ben Wagin (89) Anfang der neunziger Jahre auf
       dem ehemaligen Grenzstreifen an der Spree zusammenschob. Mit weiteren
       Versatzstücken aus Beton und Stein, Gedenktafeln für getötete
       DDR-Flüchtlinge sowie Ginkgos, Kastanien und Birken entstand das „Parlament
       der Bäume“. Heute ist das kleine Areal auf Bundestagsgelände ein
       sympathisch-unordentlicher Fremdkörper zwischen den glatten Neubauten des
       Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses und der Bundespressekonferenz.
       
       Von Anbeginn an musste Wagin das „Parlament der Bäume“ gegen die
       Begehrlichkeiten der Bundesbauherren und -damen verteidigen, und lange sah
       es so aus, als würde der schon hochbetagte Künstler sein Werk überleben:
       Ende dieses Jahres läuft eine Bestandsgarantie aus.
       
       Nun aber, Deus ex Machina, beschloss die neunköpfige Baukommission des
       parlamentarischen Ältestenrats Mittwochnacht, das Wagin-Areal nicht, wie
       ursprünglich vorgesehen, als Baulandreserve für künftige Erweiterungen der
       deutschen Volksvertretung zu reservieren, sondern an das Land Berlin zu
       übertragen, wo das „Parlament der Bäume“ ohnehin seit vergangenem Jahr auf
       der Denkmalliste geführt wird.
       
       Steffi Lemke, grüne Abgeordnete und Mitglied der Baukommission, freut sich:
       Die Willensbekundung der Kommission sei „ein schönes und bedeutendes
       Signal, dass anlässlich 30 Jahre friedlicher Revolution der Wert und die
       Würde dieses Gedenkortes dauerhaft gesichert werden sollen“, sagte sie der
       taz. „Ich wünsche mir gemeinsam mit Ben Wagin, dass wir im Herbst 2019 ein
       neues Kapitel für diesen denkwürdigen Ort aufschlagen können.“
       
       Klingt eigentlich prima – wobei das Ganze noch längst nicht in trockenen
       Tüchern ist. Dass der Ältestenrat den Beschluss seiner Baukommission
       abnickt: geschenkt. Aber auch dann geht es nicht gleich zum Notar: Vielmehr
       soll die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mit dem Berliner
       Senat darüber verhandeln, zu welchen Bedingungen (Schenkung? Verkauf?
       Tausch?) der Grundstücksdeal über die Bühne geht. Von den Kosten, die der
       Erhalt und die Pflege des „Parlaments der Bäume“ bedeuten, ist da im
       Übrigen noch gar nicht die Rede.
       
       ## Noch keine Euphorie
       
       Kein Wunder, dass Ben Wagin, der sanfte Grantler, auch jetzt nicht sein
       ikonisches Mützchen vor Freude in die Luft schleudert. „Das steht doch erst
       mal nur auf dem Papier“, sagte er der taz am Telefon – und dass außer Lemke
       ihn noch niemand vom Ältestenrat im „Parlament der Bäume“ besucht habe.
       „Diesen heißen Sommer hab ich jeden Tag vier, fünf Stunden den
       Gartenschlauch gehalten. Meinst du, da kam einer und hat gesagt: ‚Komm,
       Opa, ich helf dir?‘ “ Seit 30 Jahren gehe er, Ben Wagin, „auf den Strich,
       um drei Mark fünfzig zusammenzubekommen“ für sein Projekt, und daran, dass
       sich das so schnell ändern werde, glaube er bisher nicht.
       
       Aber Wunder gibt es immer wieder, und Advent ist bekanntlich einmal im
       Jahr.
       
       1 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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