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       # taz.de -- Schulen bauen mit der Howoge: Schlussstrich unter Schulbau-Streit
       
       > Das Abgeordnetenhaus beschließt, wie Berlin zukünftig Sanierung und
       > Neubau seiner Schulen organisiert. Was wird da entschieden? Ein
       > Faktencheck.
       
   IMG Bild: Die Chef-ArchitektInnen der Schulbauoffensive: Bildungssenatorin Scheeres und Finanzsenator Kollatz
       
       Am Donnerstag will die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus
       beschließen, wie das Land Berlin in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die
       Sanierung und den Neubau seiner Schulen organisiert. Geht die
       [1][Beschlussempfehlung] an die Abgeordneten glatt durch – und alles andere
       wäre eine Überraschung –, setzt das Parlament damit einen Schlusspunkt
       unter die öffentliche Debatte über ein Thema, das monatelang für Zündstoff
       sorgte. Vor allem die privatisierungskritische Initiative [2][Gemeingut in
       BürgerInnenhand] hatte gegen die Senatspläne, die Wohnungsbaugesellschaft
       Howoge am Schulbau zu beteiligen, auf breiter Ebene mobilisiert. Aus ihrer
       Sicht gibt das Land sein Eigentum, die Schulen, aus der Hand. Aber stimmt
       das – und was genau beschließt das Parlament da jetzt eigentlich? Ein
       ausführlicher Faktencheck.
       
       Was genau soll die Howoge jetzt tun?
       
       Die landeseigenen Wohnungsbauer sollen dem Land helfen, die rund 5,5
       Milliarden Euro zu verbauen, die Rot-Rot-Grün für seine „Schulbauoffensive“
       in den nächsten Jahren ausgeben will. Es ist das größte und wichtigste
       Infrastrukturvorhaben des Landes, rund 85.000 Schulplätze müssen bis 2025
       geschaffen werden. Viele Schulen sind wegen jahrelanger Sparmaßnahmen der
       Vorgängerregierungen Sanierungsfälle.
       
       Die Howoge soll nun Sanierungen für über 10 Millionen Euro und den Neubau
       von Sekundarschulen und Gymnasien realisieren und dafür 1,7 Millionen Euro
       zinsgünstige Darlehen aufnehmen können; etwa 4 Milliarden will das Land
       selbst beisteuern. Im Antrag der Regierungsfraktionen, der am Donnerstag
       beschlossen werden soll, heißt es zur Kooperation mit der Howoge: „Das
       Ziel ist, dadurch zusätzliche finanzielle, bauliche und planerische
       Ressourcen für die Berliner Schulbauoffensive zu mobilisieren.“
       
       Welche „Ressourcen“ sollen das konkret sein?
       
       Bisher hat die Howoge vor allem eine eigene Planungsabteilung für den
       Schulbau aufgebaut: 15 MitarbeiterInnen seien dafür bereits „an Bord“,
       sagte Geschäftsführerin Stefanie Frensch bei einer Anhörung im
       Hauptausschuss Anfang November. Diese Anhörung vor den Abgeordneten hatte
       die Bürgerinitiative erstritten: Sie hatte im Sommer im Rahmen einer
       Volksinitiative „Unsere Schulen“ 30.000 Unterschriften gesammelt.
       
       Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) konterte bei der Anhörung Kritik, es
       gehe nicht recht voran mit der Umsetzung der 2016 beschlossenen Pläne: „Wir
       sind ungefähr im Zeitplan. Ich habe damals gesagt: Es braucht zwei Jahre,
       um die Strukturen aufzubauen. Die haben wir jetzt.“
       
       Würde die Howoge nicht mitplanen, könnte ein großer Teil der Neubauvorhaben
       erst wesentlich später umgesetzt werden, argumentiert Kollatz’ Verwaltung.
       Derzeit sind die ersten Spatenstiche der Howoge-Schulen für 2020 geplant.
       
       Die Initiative hält dagegen: Warum nicht einfach schnell mehr Stellen in
       der Verwaltung aufbauen? Geld hat das Land inzwischen schließlich genug.
       Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst seien eine langwierige Sache,
       damit verlangsame man eher, argumentiert wiederum der Finanzsenator.
       
       Durch die Kooperation mit der Howoge GmbH würden die Schulen privatisiert,
       sagt die Initiative. Was meint sie damit? 
       
       Die Howoge bekommt für die Dauer der Kreditlaufzeiten – angepeilt sind 37
       Jahre – das Erbbaurecht an den Schulgrundstücken. Die Bezirke zahlen eine
       Miete an die Howoge, die dafür die Schulen saniert bzw. baut und mit den
       Mietzahlungen die Kredite bedient. Mit dem Erbbaurecht gebe das Land das
       Eigentum an den Schulen an die privatrechtlich organisierte Howoge. Die
       könne nun ihr Eigentum, die Schulen, natürlich auch weiterveräußern – zum
       Beispiel im Insolvenzfall. Oder auch Hypotheken auf die Grundstücke
       aufnehmen, als Sicherheit für Kredite. Kurz: „Die Schulen werden zu
       handelbaren Finanzprodukten“, sagt die Initiative.
       
       Was sagt Rot-Rot-Grün dazu? 
       
       „Die Bezirke bleiben Schulträger und werden finanziell und personell
       gestärkt“, heißt es in der Beschlussempfehlung ans Parlament. Tatsächlich
       wird festgelegt, dass das Erbbaurecht nicht „an Dritte“ fallen darf – es
       sei denn, das Parlament stimmt zu. Im Klartext: Das Land müsste seine
       Schulen schon selbst verkaufen (was es im Übrigen auch jetzt schon könnte).
       Zu der Hypothekenfrage: Eine „Belastung des Erbbaurechts als
       Kreditsicherheit“ soll laut Beschlussantrag nicht stattfinden dürfen. Somit
       gingen die Grundstücke „belastungsfrei an das Land, also in das
       Fachvermögen der Bezirke, zurück“.
       
       Mit der Kreditaufnahme durch die Howoge mache das Land „unüberschaubare
       Schattenhaushalte“ auf, wie auch die CDU kritisiert. 
       
       Das kann man so sehen, weil die Howoge ein landeseigenes Unternehmen ist
       und die Kredite also der Haushaltsbilanz zugeschlagen werden. Finanzsenator
       Kollatz argumentiert, mithilfe der Darlehen könne man die 2020 auch für
       Berlin greifende Schuldenbremse umgehen – und nur so die nötigen Mittel für
       die Schulbauoffensive langfristig sicherstellen.
       
       Die Grünen hatten auf ihrem Landesparteitag Ende November beschlossen, dass
       es im Idealfall besser ohne Darlehen gehen sollte. Wackeln die
       Schulbaupläne jetzt doch? 
       
       Nein, versichert Fraktionschefin Silke Gebel: Grundsätzlich sei es zwar ein
       Ideal der Grünen, alles aus Haushaltsmitteln zu finanzieren und
       grundsätzlich sehe man dieses parallele Wirtschaften kritisch. „Aber wir
       finden es angesichts des massiven Sanierungsstaus völlig okay, wenn man den
       Schulbau jetzt teilweise über Kredit finanziert“, sagt Gebel. Sie begrüße
       es, dass der Nachtragshaushalt für 2019, den das Parlament am 13. Dezember
       beschließen soll, nun eine Eigenkapitalaufstockung der Howoge von 300
       Millionen Euro vorsieht. Denn je mehr Eigenkapital, desto günstiger die
       Kreditkonditionen.
       
       Eins dürfte inzwischen aber allen klar sein: Die in der Vergangenheit
       versäumten Investitionen in die Schulen werden jetzt und in Zukunft teuer,
       so oder so.
       
       5 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-1498.pdf
   DIR [2] https://www.gemeingut.org/abgeordnetenhaus-nickt-schulbau-privatisierung-ab/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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