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       # taz.de -- Kolumne Kulturbeutel: Die Jahreshauptversammlung an sich
       
       > Ein Bericht von einer bilderbuchhaften, ja geradezu traumhaften
       > Vereinssitzung. Was Uli dabei sicher weiß: Auch Alpträume sind Träume.
       
   IMG Bild: Am Ende kann sich der Präsident über seine Wiederwahl freuen
       
       Das Grußwort des Bürgermeisters wird verlesen. Schade, meint der
       Sitzungsleiter und langjährige Vereinspräsident, aber sonst sei der gute
       Mann ja bei jeder Jahreshauptversammlung vor Ort gewesen. Jetzt ist er bei
       der Partnergemeinde in der Normandie. Irgendwer am Ort müsse sich ja um die
       deutsch-französischen Beziehungen kümmern, sagt er, und die Sportgemeinde
       lacht.
       
       Gleich hält er seine große Rede. Wie jedes Jahr hat er sie vor der
       Versammlung zur Probe seiner Frau gehalten. Die war ganz begeistert. Vor
       allem die Passage, in der ihr Mann ihren langjährigen Freund und
       Geschäftspartner für dessen Engagement beim Errichten eines neuen
       Geräteschuppens neben dem Hammerwurfring dankt, hat ihr gefallen. Auch bei
       den Mitgliedern kommt das gut an.
       
       Den längsten Applaus gibt es dann, als die Witwe des langjährigen
       Schriftführers auf die Bühne gebeten wird. Der Präsident überreicht ihr
       eine Ehrennadel für ihre 80-jährige Mitgliedschaft, und nicht nur die Frau
       muss weinen, als sie sich für die vergoldete Nadel mit dem Vereinswappen,
       die sie seit 30 Jahren alle fünf Jahre an ihr Kostüm gesteckt bekommt, mit
       zittriger Stimme bedankt. „Solche Menschen bräuchte es mehr“, sagt der
       Präsident und greift zum Taschentuch.
       
       Die Ehrungen sind jedes Jahr der Höhepunkt. Die ganze Erste Herren ist
       erschienen und holt sich den Applaus für den lang ersehnten Aufstieg in die
       Kreisklasse. Den Fußballern tut der Applaus sichtlich gut. Seit dem
       Aufstieg im Sommer läuft es nicht so gut, und die 1:14-Niederlage gegen den
       Verein des Nachbarorts vom vergangenen Wochenende hat wirklich wehgetan.
       
       ## Noch einmal werden viele Augen feucht
       
       Ganz ruhig im Saal wird es bei der Ehrung der verstorbenen
       Vereinsmitglieder. Noch einmal werden viele Augen feucht. Dass es die gute
       Seele des Vereins nun nicht mehr gibt, die jahrelang den Nusskuchen
       gebacken hat, von dessen Verkauf an den Spieltagen Generationen von
       Nachwuchskickern profitiert haben, kann niemand so recht fassen.
       
       Die Abstimmungen laufen dann wie immer. Der Vorstand wird entlastet, dem
       Protokoll der Vorjahresversammlung wird zugestimmt, und die anstehenden
       Wahlen gehen auch so aus wie üblich. Der neue Jahresabschluss ist solide,
       und wie jedes Jahr wundern sich alle, dass der sonst so dröge Leiter der
       örtlichen Raiffeisenbank-Filiale, der sich auch diesmal wieder als
       Kassenprüfer zur Verfügung gestellt hat, die Ergebnisse durchaus witzig
       darstellen kann.
       
       Am Ende kann sich der Präsident über seine Wiederwahl freuen. Eine
       Gegenstimme hat es nicht gegeben. Das war eh nur einmal der Fall, als der
       Sohn des örtlichen Metzgermeisters mit seinem Votum dagegen protestierte,
       dass er nach der achten Roten Karte der Saison aus der ersten Mannschaft
       geflogen war.
       
       Es ist schon fast Mitternacht, als die Mitglieder auseinandergehen. Für
       Smalltalk bleibt keine Zeit, aber niemand stört sich daran. Man sieht sich
       ja eh. Der Präsident ist froh über den Verlauf des Abends. Zustände wie
       beim FC Bayern gibt es nicht bei ihm im Klub. Niemand würde es je wagen,
       den Vorstand offen anzugreifen, weil alle froh sind, dass es einen wie ihn
       gibt, der sich bereit erklärt, den Präsi zu machen. Uli Hoeneß, denkt er,
       wäre sicher neidisch.
       
       5 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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