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       # taz.de -- Migrationsgipfel in Marrakesch: Europas Rechte hetzen gegen Pakt
       
       > Vor dem globalen Migrationsgipfel machen Rechte in verschiedenen
       > EU-Ländern gegen den Migrationspakt mobil. Sie folgen dem Vorbild aus
       > Ungarn.
       
   IMG Bild: Eigentlich eine Minderheit, aber sie brüllen ziemlich laut: rechte Migrationspaktgegner
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung soll wegbleiben, die AfD aber will
       teilnehmen: Am Donnerstag kündigten ihre bayrischen Bundestagsabgeordneten
       Johannes Huber und Martin Hebner an, nach Marokko zu reisen. Dort wollen
       die UN in wenigen Tagen den [1][„Globalen Pakt für sichere, geordnete und
       geregelte Migration“] verabschieden.
       
       Huber und Hebner sitzen im Petitionsausschuss des Bundestags und machen mit
       Petitionen Stimmung gegen den Migrationspakt. Der öffne schrankenloser
       Migration Tür und Tor und sei am Bundestag vorbei verhandelt worden – „ein
       Unding“, schimpfte Hebner am Donnerstag. Nach Marokko wollen die beiden nun
       „das Anliegen der Bürger“ transportieren – und das laute: Deutschland solle
       dem Pakt nicht zustimmen.
       
       Tatsächlich sind sich [2][Fachleute und Bundesregierung einig], dass der
       Pakt keineswegs schrankenlose Migration ermöglicht. Vor allem aber hatten
       die UN die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages im März
       nach New York eingeladen. Dort sollten die Abgeordneten über den Stand der
       Verhandlungen informiert werden und ihre Einwände äußern können.
       
       Der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich wies in der vergangenen Woche darauf
       hin, dass die AfD es nicht nur für überflüssig hielt, die Einladung
       anzunehmen. Ausschuss-Obmann Peter Bystron habe sogar den Antrag abgelehnt,
       den die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen gestellt hatte, um nach New York
       zu fahren. „Ich sehe keinen Nutzen für den Auswärtigen Ausschuss in dieser
       Reise“, habe es in der Ablehnung geheißen, so zitierte Liebich im Bundestag
       Bystrons Mail.
       
       ## Teil einer europaweiten Kampagne
       
       Die AfD-Anwürfe sind Teil einer europaweiten Kampagne. Am Donnerstag
       berichtete die Welt, wie Rechtsextreme gemeinsam mit der AfD seit dem
       Sommer eine beispiellose Onlinekampagne gegen den Pakt betrieben haben. In
       Deutschland und Österreich hatte diese dazu geführt, dass die Verwendung
       von Hashtags wie „#migrationspaktstoppen“ geradezu explodierte. Das zeigte
       Wirkung.
       
       Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hatte bei einer Vollversammlung der UN
       in New York am 20. September 2017 noch gesagt, er „begrüße es, dass die
       Vereinten Nationen einen Globalen Pakt für Migration und einen
       Flüchtlingspakt entwickeln“. Nachdem die ungarische sich als erste
       europäische Regierung im Juli 2018 aus dem Pakt verabschiedete, machten
       zunächst weder Kurz noch sein Koalitionspartner FPÖ Anstalten,
       nachzuziehen. Mitte September dann startete Martin Sellner, der Anführer
       der Identitären Bewegung in Österreich, eine Onlinekampagne gegen den Pakt.
       Zwei Tage später warnte der FPÖ-Vizekanzler Heinz Strache plötzlich vor
       „fatalen Folgen“ des Paktes. Fünf Kampagnen-Wochen später stand fest:
       Österreich unterschreibt ihn nicht.
       
       Diese Haltung zeigte sich auch in Polen. Das Land hatte an den im Juli 2018
       beendeten Verhandlungen zum Pakt teilgenommen. Nachdem dann im Herbst die
       Kampagnen gegen den Pakt an Fahrt aufgenommen hatten, änderte sich der
       Kurs. Bei den deutsch-polnischen Regierungsberatungen mit Kanzlerin Angela
       Merkel kündigte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an, den Pakt
       abzulehnen: „Wir sind der Ansicht, dass unsere souveränen Prinzipien
       absolute Priorität haben.“
       
       Doch diesen Sinneswandel hatten nicht einmal alle Mitglieder der
       nationalkonservativen PiS („Recht und Gerechtigkeit“) mitgetragen. Denn
       tatsächlich ist Polen auf Zuwanderung angewiesen: Das Land muss sich seit
       einiger Zeit darauf einstellen, dass viele Ukrainer mittlerweile lieber
       nach Westeuropa ziehen, als in Polen zu arbeiten. „Die Zahl der Einwanderer
       in unser Land muss steigen, um das Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten“,
       sagte deshalb der stellvertretende Entwicklungsminister Paweł Chorąży in
       Warschau – kurz bevor die Regierung ihren Kurs in Sachen Migrationspakt
       änderte. Es sei „billiger, Migranten zu holen als polnischstämmige
       Spätaussiedler aus Kasachstan“. Chorąży musste seinen Rückritt einreichen.
       
       ## Global gesehen sind die Kritiker in der Minderheit
       
       Auch in Italien hatte die im Frühjahr gewählte Rechtsregierung zunächst
       nichts weiter an dem Pakt auszusetzen gehabt, den ihre Vorgänger mit
       verhandelt hatten. „Wir sind zuversichtlich, dass der Global Compact ein
       nützliches Instrument sein wird,“, sagte Außen-Staatssekretär Manlio Di
       Stefano von der Cinque-Stelle-Bewegung. Der Pakt werde helfen, die
       „Steuerung der Migrationsströme“ zu verbessern.
       
       Dann startete die rechtsextreme Fratelli-d’Italia-Partei eine Kampagne und
       sammelte Unterschriften gegen den Pakt. Sie behauptete dabei, dieser sei
       von dem jüdischen Investor George Soros mit initiiert worden und solle eine
       „Invasion“ in Italien herbeiführen. Lega-Innenminister Matteo Salvini
       entdeckte das Thema und behauptete, der Pakt würde „Flüchtlinge und
       Wirtschaftsmigranten“ gleichstellen. Italien werde nicht unterschreiben,
       beschied er. Die Cinque-Stelle-Bewegung allerdings zögerte. Schließlich
       erklärte Italiens Regierung, an der Konferenz in Marrakesch nicht
       teilzunehmen und erst einmal das Parlament beraten zu lassen.
       
       Global gesehen sind Kritiker des Paktes in der Minderheit: Derzeit sieht es
       so aus, dass etwa 180 der 193 UN-Mitgliedstaaten dem Pakt am kommenden
       Montag in Marrakesch zustimmen werden. „Regierungen, die kritische
       Anmerkungen haben, können diese in der Aussprache äußern. Das wäre auch
       hilfreich, denn derzeit ist unklar, welche Sorgen genau die Kritiker
       eigentlich haben“, sagte die UN-Sonderbeauftragte für den Pakt, Louise
       Arbour.
       
       7 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
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