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       # taz.de -- Handelskammer-Chef tritt zurück: Die Rebellion frisst ihre Kinder
       
       > Als Anführer der „Kammerrebellen“ wollte der Präses der Hamburger
       > Handelskammer jahrhundertealte Traditionen abschaffen. Jetzt scheitert er
       > an mangelndem Rückhalt.
       
   IMG Bild: An sich selbst gescheitert: Handelskammer-Präses Tobias Bergmann
       
       Hamburg taz | Sein Ziel war „eine demokratische und transparente
       Handelskammer“, und daran ist er gescheitert. Der Präses der Hamburger
       Handelskammer, Tobias Bergmann, hat am Wochenende seinen Rücktritt vom
       höchsten Amt der Hamburger Wirtschaft verkündet. In einem über Facebook und
       Twitter verbreiteten Schreiben erklärte der 46-Jährige Unternehmensberater,
       er sei „stolz, einen zukunftssichernden Reformprozess angestoßen zu haben.
       Vieles ist uns, trotz Widerständen, gelungen. Die Reform muss konsequent
       fortgeführt werden. Für diese Aufgabe fehlt mir jedoch der notwendige
       Rückhalt.“
       
       Damit zog der Unternehmensberater, der im Februar 2017 an der Spitze der
       sogenannten Kammerrebellen die tradierten Machtverhältnisse in Deutschlands
       ältester Wirtschaftslobby (siehe Kasten) auf den Kopf gestellt hatte, die
       Konsequenzen aus der seit Monaten heftiger werdenden Kritik an seiner
       Person und seinem Führungsstil. „Ich konnte die Reformen nicht mit dem
       notwendigen Tempo voranbringen“, räumt Bergmann ein.
       
       Und das ist noch untertrieben, denn von den angekündigten Reformen der
       Kammerrebellen ist bislang wenig zu sehen. „Erneuern, strukturell und
       personell: Die Roben gehören in die Mottenkiste“, hatte er Anfang 2015 zu
       Beginn des kammer-internen Wahlkampfs in einem taz-Interview seine Ziele
       definiert. Als allererstes müssten dafür die Pflichtbeiträge der
       Unternehmen abgeschafft werden. „Wir wollen, dass sich die Hamburger
       Handelskammer durch freiwillige Beiträge finanziert“, hatte Bergmann damals
       gesagt.
       
       Dieses zentrale Wahlversprechen hatte Bergmann nicht halten können. Zum
       einen musste der neue Präses feststellen, dass die aufgelaufenen
       Pensionsverpflichtungen der Kammer gegenüber ihren ausgeschiedenen
       MitarbeiterInnen sich auf rund 110 Millionen Euro belaufen. Diese üppigen
       Ruhebezüge hatte der neue Präses Bergmann nicht zu verantworten, aber zu
       bezahlen.
       
       Zum Zweiten entschied das Bundesverfassungsgericht Ende Juli 2017 auf Klage
       zweier süddeutscher Unternehmen, dass die Beitragspflicht zu Handelskammern
       nicht zu beanstanden sei. Die Abschaffung der Pflichtbeiträge „werden wir
       nicht halten können“, räumte Bergmann daraufhin kleinlaut ein.
       
       Mindestens ungeschickt agierten Bergmann und seine Mitstreiter bei der
       personellen Erneuerung. Der langjährige Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg
       Schmidt-Trenz, Lieblingsfeind der Kammerrebellen, wurde mit einer
       Millionenabfindung vor die Tür gesetzt, mehrere leitende Mitarbeiter konnte
       Bergmann ebenfalls nur mit beträchtlichen Abfindungen loswerden.
       
       Eine im Sommer 2017 eingesetzte unabhängige Kommission sollte deshalb
       Einsparpotenziale ermitteln. Im Januar 2018 wurde dann verkündet, dass 62
       der 262 Vollzeitstellen bei der Kammer abgebaut werden sollten – ohne
       betriebsbedingte Kündigungen immerhin. Unklar ist seitdem, wie die Kammer
       so ihren vielfältigen, personalintensiven Aufgaben nachkommen soll: der
       Beratung und Fortbildung von Gründern und kleinen Unternehmen. Erste
       Forderungen nach Rücktritt und Neuwahlen lehnte Bergmann damals noch ab.
       
       Der Widerstand aber formierte sich. Vor einem Jahr warfen vier ehemalige
       Präsides, sämtlich Schwergewichte aus Hafen-, Banken- und
       Versicherungswirtschaft, Bergmann vor, die Handelskammer „in die politische
       Bedeutungslosigkeit zu führen“. Kürzlich organisierten sich 50
       UnternehmerInnen im Bündnis „Starke Wirtschaft Hamburg“. Sie warfen
       Bergmann vor, sich nicht um Digitalisierung und Fachkräftemangel zu kümmern
       und sich stattdessen in internen Streitigkeiten zu verlieren. Und der seit
       Anfang November amtierende neue Wirtschaftssenator Michael Westhagemann
       (parteilos) erklärte, er hätte in der Kammer gerne wieder „einen
       Gesprächspartner auf Augenhöhe“.
       
       Auch bei den Kammerrebellen bröckelte der Rückhalt für Bergmann. Im Oktober
       verließ Vize-Präses Torsten Teichert die Kammerrebellen nach monatelangen
       Querelen mit Bergmann um den richtigen Kurs, etliche andere Mitglieder des
       Bündnisses gingen auf Distanz zu ihrem Anführer.
       
       Unklar ist zurzeit, wie es weitergehen soll. Eine Neuwahl des Kammerplenums
       könnte auf der nächsten Plenumssitzung am 14. Dezember beschlossen werden,
       sie würde dann vermutlich im Februar stattfinden können. Bis dahin, so
       beschloss das Kammerpräsidium auf einer Sondersitzung am Sonntag, soll
       Vizepräses André Mücke kommissarisch die Kammer leiten – und am 31.
       Dezember die Festrede auf der traditionellen „Versammlung Eines Ehrbaren
       Kaufmanns“ halten.
       
       Bei diesem Gala-Empfang im festlich geschmückten Großen Börsensaal pflegt
       der Kammerpräses vor 2.000 handverlesenen Gästen aus Politik und Wirtschaft
       die Grundlagen erfolgreichen Hanseatentums zu definieren. In diesem Jahr
       könnte das ein wenig bescheidener ausfallen.
       
       9 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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