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       # taz.de -- Finale der Copa Libertadores: Das Ende eines Albtraums
       
       > River Plate gewinnt gegen Fußball-Erzfeind Boca Juniors die Copa
       > Libertadores im spanischen Exil. In Argentinien sorgt ein großes
       > Polizeiaufgebot für Ruhe.
       
   IMG Bild: Nach dem 3:1-Sieg durch River Plate feiern die Fans des Clubs am Obelisken in Buenos Aires
       
       Buenos Aires taz | Als Gonzalo Martínez im fernen Bernabéu-Stadion von
       Madrid in der Nachspielzeit der Verlängerung allein auf das Tor zulief und
       zum 3:1-Endstand traf, katapultierte er die eine Hälfte von Buenos Aires in
       den Freudenhimmel und die andere Hälfte in bodenlose Tristesse. Für alle
       Ewigkeit hatte River Plate den Erzrivalen Boca Juniors im Finale der Copa
       Libertadores geschlagen.
       
       Schon kurz nach dem Abpfiff begann der Marsch zum Obelisken, dem Ort für
       große Siege auf der Avenida 9 de Julio im Zentrum der argentinischen
       Hauptstadt. Gegen 22 Uhr Ortszeit hatten über 20.000 Hinchas die breite
       Straße in Rot-Weiß getaucht. Unter ihnen auch „River-Fan seit Geburt“ Juan
       Garais. Dabei hatte er das Spiel gar nicht gesehen. Aus Wut und Frust war
       er ins Kino gegangen. „ ‚Bohemian Rhapsody‘, schön laut, damit ich die
       Torschreie im Viertel nicht höre.“ Doch die Smartphones der wenigen anderen
       im Kinosaal hielten ihn ungewollt auf dem Laufenden.
       
       Vor 14 Tagen hatte Garais zweimal im River-Stadion gesessen und wie 66.000
       andere Zuschauer vergeblich auf den Anpfiff gewartet. Auf der Fahrt zum
       Stadion war der Mannschaftsbus von Boca mit Steinen beworfen und Spieler
       waren verletzt worden. Zuerst wurde alles um einen Tag verschoben.
       Schließlich wurde das Spiel in die spanische Hauptstadt verlegt. „Vor 200
       Jahren haben wir uns von den spanischen Kolonisatoren befreit, und jetzt
       müssen wir ausgerechnet das Finale der Copa Libertadores in Madrid
       spielen“, sagt Garais. Eine Schande, bei der er nicht zusehen wollte.
       
       Was in diesen zwei Wochen dazwischen geschah, war eine einzige
       Schlammschlacht, bei der auch Präsident Mauricio Macri nicht fehlen wollte,
       der von 1995 bis 2008 Boca-Präsident war. Die Verlegung nach Madrid sei
       weniger wegen der Steinwürfe vor dem Stadion verhängt worden, sondern weil
       Fifa-Präsident Gianni Infantino im Stadion von River-Fans bespuckt worden
       sei, ließ Macri sein Fußballvolk wissen und schob den Schwarzen Peter damit
       River Plate zu.
       
       Auf der Jubelfeier fehlte es denn auch nicht an Schmähgesängen auf den
       Präsidenten und seinen Klub. Kaum war die Entscheidung für Madrid gefallen,
       schossen die Flugpreise in die Höhe. „Mein Schwager hat mir auf dem
       Bildschirm zugewinkt. Absolut verrückt, das Ganze“, sagt Claudia Roseti
       beim Obelsiken. Einerseits machen die Kluboberen großes Theater, wie
       schlimm das sei, anderseits freuen sie sich über die kostenlose Propaganda
       und die Einnahmen aus den Trikotverkäufen, denn in den Klubs hätten
       Mafiabanden das Sagen. „Denen geht’s ums Geld und nicht um Fußball“, sagt
       sie und schwenkt ihre rot-weiße Fahne.
       
       ## Weinen in La Boca
       
       Blau-gelbe Fans hatten den Obelisken gemieden. Sie weinten unter sich im
       Stadtteil La Boca, wo sich die Kneipen nach dem Abpfiff rasch leerten. „Die
       erste Halbzeit gehörte uns, dann kam River, hat getreten, was das Zeug
       hielt, und dieser Schiri aus Uruguay stellt einen von uns vom Platz“, sagte
       Marcos Murga über die vielleicht spielentscheidende gelb-rote Karte gegen
       Wilmar Barrios in der zweiten Minute der Verlängerung. Viel Stoff für
       Verschwörungstheorien lieferte das Spiel jedoch nicht.
       
       Boca spielte anfangs besser, River dann abgeklärter, der Schiedsrichter
       agierte unauffällig. Hugo Mingas, bekennender Racing-Fan, erklärte am Rande
       der Jubelfeiern: „Endlich hat dieser Albtraum ein Ende. Seit über einem
       Monat dreht sich alles um dieses Finale, zum Glück hatten wir zur
       Abwechslung den G20.“ Deshalb werde die Feier auch friedlich verlaufen.
       „Die haben die Stationierung der Sicherheitskräfte um eine Woche
       verlängert“, weiß er. Dass am Ende eine kleine Gruppe versucht, umliegende
       Geschäfte zu plündern und sich mit der vorrückenden Polizei anlegt, gehört
       zur Routine solcher Feiern. Gummigeschosse und Tränengas hatten nach
       Mitternacht die letzten Fans vertrieben.
       
       10 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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