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       # taz.de -- Lehrerin über AfD-Online-Pranger: „Wir fühlen uns nicht schuldig“
       
       > Die AfD will ihr Denunziationsportal für kritische Lehrer auch in
       > Niedersachsen online stellen. Lehrerin Miriam Pegesa will sich selbst
       > anzeigen – aus Protest.
       
   IMG Bild: Fühlen sich vom Meldeportal der AfD an den Pranger gestellt: Lehrer
       
       taz: Frau Pegesa, warum wollen Sie sich als Lehrerin selbst melden, sobald
       in Niedersachsen die AfD-Plattform online ist? 
       
       Miriam Pegesa: Ich möchte in meiner Profession als Lehrerin ein politisches
       Statement setzen, gemeinsam mit meinen Kollegen. Wir stehen für kritischen
       Unterricht – und achten dabei das Neutralitätsgebot. Wir verstehen darunter
       nur nicht das Gleiche wie die AfD. Zensurversuche einer Partei haben im
       Unterricht nichts zu suchen.
       
       Die AfD kritisiert, dass „verblendete Ideologen unter den Lehrern“
       einseitig und zuungunsten der Partei unterrichten würden. 
       
       Wenn die AfD über neutralen Unterricht spricht, meint sie damit, dass es
       keine Kritik an der AfD geben soll. Die AfD in Sachsen-Anhalt hat zum
       Beispiel versucht, die Gelder für das Netzwerk Schule ohne Rassismus,
       Schule mit Courage zu stoppen. Daran zeigt sich, dass es nicht um
       Neutralität geht.
       
       Was genau wollen Sie damit bezwecken, dass Sie sich selbst melden? 
       
       Wir wollen klarmachen, dass das Neutralitätsgebot nicht bedeutet, dass man
       wertneutral unterrichtet. Ich unterrichte in meinem Klassenzimmer nicht in
       einem politisch sterilen Raum.
       
       Was bedeutet Neutralität für Sie? 
       
       Dass ich sachlich unterrichte und Einseitigkeit vermeide. Man muss den
       Schülerinnen und Schülern so viele Rohmaterialien aufbereiten, dass sie zu
       einer eigenen Meinung kommen können. Themen, die kontrovers sind, müssen im
       Unterricht auch kontrovers dargestellt werden. Wir haben aber auch einen
       Bildungsauftrag und sind verpflichtet, Rassismus oder Menschenfeindlichkeit
       kritisch zu thematisieren.
       
       Was sagen Sie denn Ihren Schülern über die AfD? 
       
       Bisher habe ich die AfD noch nicht konkret thematisiert, aber jetzt ist
       gerade die Nationalstaatsbildung im 19. Jahrhundert in der Sekundarstufe II
       dran und da passt es, weil ich Theorien über Nationalstaaten und
       Nationalismus durchnehme. Wenn AfD-Mitglieder darüber sprechen,
       Waffengewalt an deutschen Grenzen zu gebrauchen, eignet sich das gut, um zu
       analysieren, wie solche Aussagen mit Nationalismus zusammenhängen.
       
       Unterscheidet sich die Art und Weise, wie Sie die AfD und andere Parteien
       im Unterricht thematisieren? 
       
       Es ist wichtig, jede Partei sachlich-kritisch zu betrachten. Allerdings
       gibt es bei der AfD Aussagen, bei denen ich finde, dass es wichtig ist,
       auch ein Statement zu setzen.
       
       Ein Beispiel? 
       
       Wenn Björn Höcke sagt, dass die Menschen in Afrika und hier unterschiedlich
       hohe Geburtenraten haben und das auf herbeigezogene evolutionäre
       Unterschiede zurückführt, ist es wichtig, das auch als Rassismus zu
       bezeichnen. Das ist dann in Ordnung, das auch zu sagen.
       
       Wo ist für Sie die Grenze? 
       
       Wenn man unterrichtet und die Schülerinnen und Schüler danach den Eindruck
       hätten, sie dürften die AfD nicht wählen. Man muss ihnen die Tools in die
       Hand geben, damit sie das kritisch betrachten können, aber am Ende
       entscheiden sie selbst.
       
       Wie viele Lehrer machen bei der Aktion an Ihrer Schule mit? 
       
       Das steht noch nicht ganz fest. Wir sammeln noch Unterschriften unter den
       170 Lehrkräften. Initiiert haben wir es zu zweit.
       
       Haben Sie nicht die Sorge, dass Ihre Aktion letztlich Werbung für das
       Portal ist? 
       
       In den anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass das Thema große
       Medienaufmerksamkeit bekommen hat – egal, ob dagegen protestiert wurde oder
       nicht.
       
       Die AfD hat in anderen Ländern bereits Dienstaufsichtsbeschwerden gegen
       Lehrer gestellt. Befürchten Sie, dass Ihre Meldung nachteilig für Sie sein
       könnte? 
       
       Nein. Unter den Lehrkräften schwankt das Gefühl zwischen Verunsicherung und
       Empörung. Gerade am Anfang waren viele Lehrkräfte verunsichert. Das hat
       sich aber gelegt, weil unser Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) einen
       offenen Brief rumgeschickt und uns die volle Unterstützung zugesagt hat.
       
       Die AfD lege das Neutralitätsgebot gezielt falsch aus, hat er gesagt. Es
       sei „Aufgabe von Schule und von Lehrkräften, über strittige Themen zu
       informieren und zu diskutieren und unterschiedliche Meinungen
       darzustellen.“
       
       Wir fühlen uns deshalb im Moment ganz gut aufgehoben. In anderen
       Bundesländern wurden Anzeigen der AfD bisher von den Landesschulbehörden
       auch eher ad acta gelegt. Ich finde es richtig, die Meldung trotz des
       Risikos zu machen, weil ich nicht irgendwann in einer Welt aufwachen
       möchte, in der es normal ist, dass es solche Denunziationsportale gibt.
       
       In Hamburg haben Lehrer davon abgesehen, sich selbst anzuzeigen, weil das
       impliziere, dass man sich schuldig gemacht habe. 
       
       Wir fühlen uns gar nicht schuldig.
       
       Haben sich an Ihrer Schule schon einmal Schüler oder Eltern über AfD-Kritik
       von Lehrern beschwert? 
       
       Nein, ich habe das noch nicht als Problem wahrgenommen. Die Schülerinnen
       und Schüler lassen sich nicht instrumentalisieren. Darauf vertraue ich
       wirklich.
       
       11 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrea Maestro
       
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